Sonntag, 17. Juli 2011

Essay: Schlittern wir in ein neues Maunder-Minimum?

Ich bin gefragt worden, wie daß denn nun sei, mit der globalen Klimaerwärmung, dem CO2 und der gerade nicht so berauschenden Sonnenaktivität. Da das vielleicht von allgemeinen Interesse ist, will ich versuchen, die Zusammenhänge und Implikationen etwas näher zu erläutern und den Einen und Anderen anregen, sich darüber weiter zu informieren – denn es ist ein sehr kontroverses Thema, in dem mittlerweile (wie bei der Nutzung „erneuerbarer“ Energien) viel Ideologie und oft nur wenig Wissen steckt. 


Also der Aufhänger soll das sogenannte „Maunder-Minimum“ sein. Dabei handelt es sich um eine Zeit zwischen etwa dem Ende des Dreißigjährigen Krieges und dem ersten Viertel des 18. Jahrhundert, wo die Sonnenaktivität (festgemacht an der Anzahl der Sonnenflecken, die im Fernrohr zu sehen waren) gering war. Edward W. Maunder (1851-1928) fiel es als Erstem auf, nachdem er, angeregt durch die Arbeiten Gustav Spörers, alle Sonnenbeobachtungen seit Keplers Zeiten gesammelt und ausgewertet hatte. Dieses Minimum ist heute unbestritten, genauso wie die Tatsache, daß es zwischen dem 15. Jahrhundert  und dem Beginn des 19. Jahrhunderts besonders kalte Winter in Mitteleuropa gegeben hat (Jan Brueghel der Ältere malte zu dieser Zeit die „Winterlandschaft mit Schlittschuhläufern und Vogelfalle“). Man spricht bekanntlich auch von einer „Kleinen Eiszeit“ mit „Kältemaxima“ zwischen 1570 bis 1630 und 1675 bis 1715. Untersuchungen von grönländischen Eiskernen scheinen eine Korrelation zwischen mittlerer Jahrestemperatur und Sonnenaktivität zu belegen. Leider sind Aufzeichnungen über Sonnenfleckensichtungen vor Erfindung des Fernrohres sehr rar. In alten Chroniken findet man aber Mitteilungen über Polarlichter, die z.T. bis in Oberitalien sichtbar waren und auch als Maß für die Sonnenaktivität herangezogen werden können. Das gilt genauso für dendrologische Untersuchungen von Wachstumsringen (Stichwort „Spörer-Minimum“  zwischen 1420 und 1570). Vor der „Kleinen Eiszeit“ lag die Hochzeit des mitteleuropäischen Mittelalters, dem wir unsere heutige Kulturlandschaft verdanken. Zwischen der Kaiserkrönung Karls des Großen und der Entstehung Deutschlands unter Otto dem Großen lagen die Temperaturen in Mitteleuropa 1° bis 2° höher als in der darauffolgenden „Kleinen Eiszeit“. Grönland war damals „grün“ (nicht im politischen Sinne). Also himmlische Zeiten, um den noch für Varus undurchdringlichen Buchenurwald Deutschlands von den großen Flüssen her aufzubrechen und zu roden. Diese Zeit, wo sogar im heutigen Norddeutschland Weinanbau möglich war, nennt man das Mittelalterliche Klimaoptimum.

Wenn man heute lebt und Amateurastronom ist, der mit seinem Fernrohr die Sonnenflecken verfolgt, stellt man fest, daß etwas nicht stimmen kann. Entsprechend dem 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus gibt es gegenwärtig anscheinend zu wenig „Flecken“ auf der Sonne. Diese und einige andere Hinweise deuten einige (!) Sonnenphysiker als ein Abgleiten der Sonne in ein neues „Maunderminimum“ mit der Tendenz zu kälteren Jahresdurchschnittstemperaturen. Das erscheint erst einmal unlogisch, denn Sonnenflecken sind ja rund 1000 K „kälter“ als die umgebende Photosphäre und je mehr es davon gibt, desto größer ist ihr Flächenanteil an der sichtbaren Sonnenscheibe, von der dann entsprechend weniger Licht (Stefan-Boltzmannsches Strahlungsgesetz, P~T^4)) zur Erde gelangen sollte (d.h. die Solarkonstante, welche die Energie angibt, die pro Flächen- und Zeiteinheit die Erde trifft, sollte kleiner werden). Aber diese anscheinend logische Schlußfolgerung ist falsch. Vielmehr bedeuten mehr Sonnenflecken eine Erhöhung der Leuchtkraft der Sonne, weil die mit den Flecken assoziierten aktiven Gebiete (Fackeln, Flares ...) in der Summe mehr Energie (z.T. direkt bemerkbar über einen intensiveren Sonnenwind – Polarlichter, magnetische Stürme) abstrahlen als die „Ruhige Sonne“ ohne Flecken.  Das erklärt die Korrelation „Kleine Eiszeit“ mit dem Spörer- und Maunderminimum. Und warum sollte es heute anders sein?

Auf jeden Fall ist unbestritten, daß die Sonnenaktivität etwas mit dem Erdklima zu tun hat. Deshalb jetzt ein paar Worte darüber, wie der Parameter „durchschnittliche Jahrestemperatur der Erde“ mit der Strahlungsleistung der Sonne, dem Albedo der Erde und mit der chemischen Zusammensetzung der Erdatmosphäre (Stichwort „Treibhausgase“) zusammenhängt.

Die Frage nach der mittleren Temperatur sowie der horizontalen und vertikalen Temperaturverteilung einer Atmosphäre ist in erster Linie eine Frage der Energiebilanz eines Planeten. Unter Berücksichtigung von inneren Energiequellen (z. B. radioaktiver Zerfall, eventuelle Kontraktion, Entmischung von Stoffen) muß sich die Energieeinstrahlung und die Abstrahlung immer die Waage halten. Ist die Abstrahlung L bekannt, läßt sich nach dem Stefan-Boltzmannschen Gesetz eine effektive Oberflächentemperatur  Teff eines Planeten mit der Oberfläche A definieren:
Im Gleichgewichtsfall ist L (Einstrahlung) + L (im Planeten freigesetzte Energie) = L (Ausstrahlung). Die eingestrahlte Energie kann man leicht aus der Leuchtkraft der Sonne ableiten. Sie ist gleich der pro Flächeneinheit und Sekunde auf den Planeten auftreffenden Strahlungsenergie und ist bekanntlich die Solarkonstante S. Ihr Wert ist (außerhalb der Erde gemessen und in Leistung pro Fläche ausgedrückt)
Die Gesamtenergie, ausgedrückt durch Seff, d.h. die Strahlungsleistung, die ein Planet tatsächlich erhält, hängt neben seiner Querschnittsfläche auch von dessen Rückstrahlungsvermögen ab. Letztere ist die Albedo (Reflektionsvermögen). Ein perfekt reflektierender Körper hat das Albedo 1 und ein ideal schwarzer Körper die Albedo 0. Da das Rückstrahlungsvermögen wellenlängenabhängig ist, wird in der Regel für praktische Rechnungen ein mittleres Albedo A verwendet, welches angibt, welcher Bruchteil der eingestrahlten Energie vom Planeten absorbiert (und später wieder als Wärme abgestrahlt) wird:
Uns interessiert hier das sphärische Albedo, welches durch das Verhältnis der Strahlungsmenge, die vom Planeten nach allen Richtungen reflektiert wird, zur parallel auf die Querschnittsfläche auffallenden Strahlungsmenge definiert ist. Diese Größe hängt in erster Linie von der Beschaffenheit der reflektierenden Oberfläche ab (hier ist z.B. der Grad der Wolkenbedeckung und die Größe permanenter Eisflächen von Bedeutung).

Mit  obiger Formel läßt sich die Bedingung des Strahlungsgleichgewichts folgendermaßen formulieren:

Eingestrahlte Energie = Abgestrahlte Energie

wobei E der aus inneren Quellen stammende Energiefluß ist. Bei erdähnlichen Planeten ist er gegenwärtig sehr gering (bei der Erde ein zehntausendstel der Solarkonstanten) und kann deshalb vernachlässigt werden.

Auch die chemische Zusammensetzung einer Atmosphäre hat einen nicht zu vernachlässigenden Einfluß auf deren Wärmehaushalt. Zu nennen ist hier in erster Linie der sogenannte Treibhauseffekt, der zu einer höheren Oberflächentemperatur führt als es die Gleichgewichtstemperatur zwischen Ein- und Ausstrahlung erwarten läßt. 

Den Einfluß dieses Effektes auf die Oberflächentemperatur eines Planeten kann man mit der Formel für Seff studieren, in dem man einen Faktor κ einführt, der das Transmissionsverhalten der sogenannten „Treibhausgase“ für Infrarotstrahlung beschreibt. Im Normalfall setzt man κ=1 , d. h. die Atmosphäre ist für Wärmestrahlung vollständig durchlässig. Bei κ=0 wird dagegen die gesamte eingestrahlte Energie in der Gashülle gespeichert. Für die Erdatmosphäre kann man κ≈0.57 ansetzen. Für die effektive Temperatur ergibt sich dann die Beziehung
und damit der Temperaturanstieg infolge des Treibhauseffekts zu
Wie zu erkennen ist, wäre es auf der Erde ziemlich unwirtlich, wenn der natürliche Treibhauseffekt die Gleichgewichtstemperatur  nicht auf einen „angenehmen“ Wert anheben würde. Was sind nun die physikalischen Gründe für den mittleren Temperaturanstieg von immerhin 33 K? Um diese Frage zu beantworten, muß man die Strahlungsbilanz des Systems Erde-Sonne etwas genauer analysieren.

Die Erdatmosphäre hat die Eigenschaft, daß sie für die elektromagnetische Strahlung im Bereich des Intensitätsmaximums der Sonne  (d.h. bei λ~500 nm) im hohen Maße durchlässig ist. Verluste treten auf durch die Reflektion an Wasserdampfwolken, durch Rückstreuprozesse und durch vereinzelte Absorptionsprozesse in der Stratosphäre durch Ozon sowie in der Troposphäre durch Wasserdampf. Insgesamt werden aber rund 47% der von der Sonne an der Atmosphärenobergrenze ankommenden Strahlung von der Erdoberfläche absorbiert, was zu deren Erwärmung führt. Da jeder Körper gemäß seiner Temperatur strahlt (Plancksches Strahlungsgesetz), reemittiert natürlich auch die Erdoberfläche die absorbierte Strahlung zurück in den Weltraum. Nur daß sich jetzt das Intensitätsmaximum vom sichtbaren Bereich in den Infrarotbereich verschoben hat. In diesem Bereich ist aber die Gashülle nicht mehr durchgängig durchsichtig. Der Grund dafür liegt in den Treibhausgasen, deren Moleküle in der Lage sind, Infrarotstrahlung zu absorbieren. Bei der Absorption werden bekanntlich die diskreten Rotations- und Translationsfreiheitsgrade geeigneter Moleküle angeregt, was einer Erhöhung ihrer kinetischen und Rotationsenergie äquivalent ist. Diese Energie wird anschließend durch Stöße der Gasteilchen untereinander thermalisiert, was letztendlich zu einer Erhöhung der Temperatur führt.

Aber nicht alle atmosphärischen Gase sind an einer derartigen Thermalisierung der von der Erdoberfläche emittierten Infrarotstrahlung beteiligt. Symmetrische Moleküle wie N2 oder O2 besitzen kein Dipolmoment, weshalb sie am Energietransfer durch Infrarotstrahlung in der Atmosphäre nicht aktiv teilnehmen können. Da diese Moleküle in der Erdatmosphäre überwiegen, bleiben zur Erzeugung des Treibhauseffekts nur einige wenige Spurengase übrig, von denen Wasserdampf H2O, Methan CH4, Kohlendioxid CO2  und das Distickstoffmonoxid N2O die Wichtigsten sind. Sie sind schon in vergleichbar geringer Konzentration in der Lage, die Emission von Infrarotstrahlung im Wellenlängenbereich zwischen 8 und 20 μm in das Weltall wirksam zu begrenzen. Auf der Erde wird der weitaus größte Teil des natürlichen Treibhauseffektes eindeutig vom Wasserdampf verursacht, dessen Anteil an der lebenswichtigen Erwärmung bei ca. 70% liegt. Das als Treibhausgas bekanntere Kohlendioxid trägt mit 9-26% und das in dieser Beziehung besonders effektive Methan mit ca. 4-9%  zur zusätzlichen Erwärmung bei. In der Stratosphäre spielt auch noch das Ozon O3  eine wichtige Rolle, dessen Anteil am Treibhauseffekt auf 3-7% geschätzt wird (es ist ursächlich für die Temperaturinversion in der Stratosphäre verantwortlich). 

Treibhausgase führen also dazu, das, salopp gesagt, Wärme in der unteren Atmosphäre gefangen bleibt, weil sie die von der Erdoberfläche stammende Infrarotstrahlung absorbieren und in der Atmosphäre thermalisieren. Geschieht das im Mittel relativ schnell (mehrere Grad pro Jahrtausend), dann versucht das Klimasystem der Erde sich entsprechend neu einzustellen und zwar so, daß wieder ein Gleichgewicht zwischen Einstrahlung und Ausstrahlung hergestellt wird.

Wie  ich eben erläutert habe, ist nicht das Kohlendioxid, sondern der Wasserdampf das wichtigste irdische Treibhausgas (die reine CO2-Atmosphäre des Mars ist gerade einmal in der Lage, die Temperatur 5° über die Gleichgewichtstemperatur „ohne Atmosphäre“ zu heben). Trotzdem spielt das Kohlendioxid eine überaus wichtige Rolle im Klimasystem der Erde. Dazu muß man Folgendes wissen. Die IR-Molekülbanden des CO2 sind auf der Erde quasi gesättigt. Eine starke Erhöhung des CO2-Gehalts der Atmosphäre kann nur die Flanken der Absorptionslinien verbreitern, was einen nur geringen Anstieg des CO2-Anteils des Treibhauseffektes zur Folge hat.  Dieser geringe Anteil ist aber in der Lage, den Wasserdampfgehalt  der unteren Atmosphäre (höhere Temperatur -> höhere Verdunstung -> mehr Wasserdampf in der Troposphäre –> höhere Gleichgewichtstemperatur, also eine positive Rückkopplung) entscheidend zu vergrößern, was am Ende eine höhere Gleichgewichtstemperatur (also die Temperatur, wo Einstrahlung = Abstrahlung ist) zur Folge hat. Und darin liegt die eigentliche Gefahr des unkontrollierten Kohlenstoffeintrags in die Atmosphäre durch Verbrennungsvorgänge. Entscheidend für die Klimaentwicklung sind demnach Rückkopplungsprozesse, die im Detail sehr kompliziert sein können und deshalb eine realistische Vorhersage von „was, wenn–Szenarien“ so schwierig machen. Dazu nur schnell zwei Beispiele für eine negative und eine positive Rückkopplung: Wenn der Wasserdampfgehalt der Troposphäre zunimmt, wird auch die Wolkenbildung zunehmen. Das bedeutet, die Albedo der Erde nimmt zu, was einem „Abkühlungseffekt“ in Bezug auf die Gleichgewichtstemperatur gleichkommt. Wenn die mittlere Temperatur zunimmt, werden die großen Inlandeismassen sowie die Packeisfelder schrumpfen. Die dadurch entstehenden „dunklen“ Land- und Wasserflächen können die Sonnenstrahlung besser absorbieren, was den Treibhauseffekt verstärken würde. Ganz schlimm wird es, wenn durch Auftauen der Permafrostgebiete bzw. durch Kollaps von Gashydratlagerstätten der Tiefsee (weil das Wasser wärmer wird) in großen Mengen Methan in die Erdatmosphäre gelangt. Das könnte im undenkbaren Extremfall zu einem „runaway greenhouse effect“ führen, mit am Ende venusianischen Verhältnissen ...

Die Frage, die steht, ist also am Ende die Frage nach sich ausgleichenden Rückkopplungssystemen. Und dazu noch ein paar Worte zur biologischen Bedeutung des Kohlendioxids. Dazu muß ich wieder etwas weiter ausholen, denn für die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist ein fundamentaler Stoffkreislauf zuständig, den man als „Kohlenstoff-Kreislauf“ bezeichnet. 

Stoffkreisläufe beinhalten bekanntlich Reservoire von Stoffen, chemische Umwandlungsprozesse sowie Stofflüsse zwischen den Reservoiren. Im dynamischen Gleichgewicht kann man jedem Reservoir eine Stoffmenge zuordnen, die jeweils durch Zufluß und Abfluß weitgehend stabil bleibt. Moderate Umweltänderungen können die Zuflüsse in Form von positiven und negativen Rückkopplungen neu  ausbalancieren und so im günstigsten Fall innerhalb gewisser Grenzen das Gesamtsystem stabilisieren. Solch ein stabilisierender Mechanismus in Bezug auf die mittlere Temperatur des Planeten Erde ist genau dieser Kohlenstoff-Zyklus (man könnte ihn quasi als „Thermostaten“ der Erde bezeichnen). Er agiert zwischen den Geosphären Lithosphäre, Hydrosphäre, Biosphäre und Atmosphäre, zwischen denen permanent kohlenstoffhaltige Verbindungen (wie z.B. CO2) ausgetauscht werden. Dabei bleibt die Gesamtmenge an Kohlenstoff konstant. In diesem Sinn stellt der Kohlenstoffkreislauf ein abgeschlossenes System dar. Gravierende Störungen in diesem Zyklus können entweder zu einer Treibhausinstabilität (dessen Ergebnis man bei der Venus sehen kann) oder zu einer Totalvereisung des Planeten (wie mehrmals vor ca. 750 Millionen Jahren im Neoproterozoikum) führen.

Kohlenstoff kommt auf der Erde in vielfältiger Form, meist als Bestandteil chemischer Verbindungen, vor. In der Atmosphäre als Kohlendioxid, in den Weltmeeren gelöst als Kohlensäure (und deren Salze), in fester Form in Karbonatgesteinen und in der Biosphäre als ein wichtiger Baustein lebender Materie. Damit sind auch gleich die wichtigsten Reservoire genannt: Atmosphäre, Hydrosphäre, Lithosphäre und Biosphäre. Diese Speicher enthalten insgesamt ~75 Millionen Gigatonnen (Gt) Kohlenstoff, die sich in etwa folgendermaßen auf die genannten Reservoire aufteilen:
Die Werte in der Tabelle sind geschätzt und können etwas von Autor zu Autor differieren (also nicht wundern beim Nachrecherchieren).

Der meiste Kohlenstoff ist offensichtlich in Sedimentgesteinen (Karbonatgesteine wie Kalke, Dolomit etc.; Kohlen) der Erdkruste gebunden und darin für geologisch lange Zeiten eingeschlossen. Dieses Reservoir wächst durch die Ablagerung kalkhaltiger Schalen von Meerestieren und schrumpft durch Abtransport der daraus gebildeten Sedimente in den Erdmantel durch Subduktion, wobei ein Teil des subduzierten Kohlenstoffs wieder in Form von vulkanischer Gase in die Atmosphäre gelangt.
   
Sehr mobil dagegen ist der Kohlenstoff, der sich in der Atmosphäre, der Hydrosphäre sowie in der Biosphäre befindet. So beträgt allein der jährliche Kohlenstoffluß zwischen der Atmosphäre und der Vegetation Netto ca. 60 Gt (das entspricht rund 130 Gt Biomasse pro Jahr). Dazu müssen rund 120 Gt aus dem atmosphärischen Reservoir entnommen und auch wieder zurückgegeben werden (im ersten Fall wächst das „Maisfeld“, im zweiten Fall „verrottet“ oder „verbiodieselt“ das Maisfeld). Die Rückgabe erfolgt einmal durch den biologischen Prozeß der Atmung (60 Gt/a) und durch die Zersetzung organischen Materials (60 Gt/a) im Boden. Auf diese Weise wird der gesamte atmosphärische Kohlenstoff, der in Form von Kohlendioxid vorliegt, einmal in nur 12.5 Jahren in der Biosphäre umgeschlagen.

Der Austausch zwischen den Ozeanen und der Atmosphäre verläuft langsamer und macht insgesamt ~100 Gt/a aus. Davon entfallen ungefähr 1/3 auf die Primärproduktion von Biomasse durch das Plankton und 2/3 auf die Umwandlung von CO2 in Kohlensäure (Lösung) und deren Wiederabgabe an die Atmosphäre. Auf diese Weise könnte theoretisch das gesamte Kohlendioxid der Atmosphäre mengenmäßig alle 8 Jahre einmal durch die Ozeane geschleust werden. Da der Austausch aber nur in der lichtdurchfluteten Oberflächenschicht der Weltmeere erfolgt, ist die Zeitkonstante (d.h. die mittlere Aufenthaltsdauer eines CO2-Moleküls in der Atmosphäre) mit 100 Jahren mehr als zehnmal größer.  Ursache dafür ist die geringe Durchmischungsrate zwischen Oberflächenwasser und Tiefsee, die zu einer Austauschzeit von ~350 Jahren führt. Das beschränkt die Aufnahmefähigkeit dieses Teils der Hydrosphäre für ein kurzfristig auftretendes Überangebot an Kohlenstoff, wie es z.Z. anthropogen  bedingt (Reduzierung der mit Urwäldern bedeckten Landstriche, Verbrennung fossiler Kohlenstofflagerstätten) zu beobachten ist.

Ein weiterer Teil des Kohlenstoffzyklus besteht in der Sedimentation in Form von Karbonaten und organischen Kohlenstoffs (z.B. in Form der Kohlebildung) und deren Einbau in die Lithosphäre. Man schätzt, daß ungefähr 0.2 Gt/a davon betroffen sind. Die Rückgabe an die Atmosphäre kann dabei nur durch Verwitterungsprozesse und durch vulkanische Ausgasungen erfolgen. Dieser Prozeß ist extrem langsam und liegt zeitmäßig in der Größenordnung eines abgeschlossenen Wilson-Zyklus (d.h. ~370 Ma, „Öffnung und Schließung eines Ozeans" aufgrund der Plattentektonik).

Die Temperaturkontrolle der Erde erfolgt bekanntlich über den natürlichen Treibhauseffekt. Ein „offener“ Parameter dafür ist, wie ich bereits erläutert habe, der Gehalt an Kohlendioxid in der Atmosphäre. Steigt dessen Konzentration, dann verstärkt sich tendenziell der Treibhauseffekt (u.a. dadurch, daß mehr Wasserdampf  in die Atmosphäre gelangt) und es wird wärmer, verringert sich dessen Konzentration, dann nimmt die mittlere Jahrestemperatur tendenziell ab.

Läßt man die kurzfristigen Zweige des globalen Kohlestoffzyklus einmal außer acht, dann ergibt sich ein Kreisprozeß, in dem Rückkopplungsmechanismen  in gewissen Grenzen die Kohlendioxidkonzentrationen einregeln, und zwar auf eine Weise (negative Rückkopplung), daß die mittlere Jahrestemperatur auch bei sich ändernden Bedingungen (z.B. langsame Erhöhung der Sonnenleuchtkraft, Umverteilung der Landmassen durch die Kontinentaldrift etc.) im Mittel „normal“ bleibt (und erstaunlicherweise über Jahrmilliarden der Erdgeschichte weitgehend „normal“ geblieben ist).


Eine negative Rückkopplung im geologischen CO2-Zyklus besteht z.B. darin, daß die Rate, mit der Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernt wird, temperaturabhängig ist. Oder anders ausgedrückt, je höher die Temperatur, desto höher ist diese Rate. Daraus ergibt sich folgende Logik:
  
a) moderate Erwärmung der Erde
  • höhere Verdunstungsrate von Wasser und damit auch stärkere Niederschläge
  • Niederschläge waschen CO2 aus der Atmosphäre aus und transportieren es in gelöster Form in die Hydrosphäre
  • weniger CO2 in der Atmosphäre verringert den Treibhauseffekt, was der anfänglichen Erwärmung entgegen wirkt. Außerdem wirkt die verstärkte Wolkenbildung der Erwärmung entgegen.

   b) leichte Abkühlung der Erde

  • Verdunstungsrate sinkt und die Niederschläge nehmen dadurch ab
  • weniger CO2 wird in die Hydrosphäre überführt und die CO2-Konzentration der Atmosphäre steigt durch die beständige vulkanische Entgasung an
  • eine Erhöhung der CO2-Konzentration verstärkt den Treibhauseffekt, was zu einer globalen Erwärmung führt
Ein weiterer langfristiger Rückkopplungsmechanismus ist eine Konsequenz der Silikat-Karbonat-Verwitterung, die sich z.B. vereinfacht folgendermaßen darstellen läßt:

Sie verbraucht offensichtlich CO2 (hauptsächlich gelöst in Wasser, wodurch sich eine Ankopplung an die oben skizzierten Rückkopplungsprozesse ergibt) und ist umso effektiver, je „feuchter“ die Umgebungsbedingungen sind. Außerdem hängt das Ausmaß dieser Art von Verwitterung auch von der Größe der vorhandenen Landmassen und ihrer Lage auf dem Planeten Erde ab. Die Logik, die sich daraus in 
bezug auf den Thermostaten Erde ergibt, ist Folgende:
  • die Verwitterungsrate nimmt mit steigender Temperatur zu, wodurch mehr CO2  im Kalziumkarbonat gebunden werden kann
  • aufgrund der Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre nimmt deren Konzentration ab und es kommt zu einer Abkühlung
  • Abkühlung vermindert die Niederschläge und die Silikat-Karbonat-Verwitterung verlangsamt sich
  • durch die kontinuierliche CO2-Ausgasung der Vulkane nimmt die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre wieder zu, was eine Erwärmung bedingt

Dieser Prozeß funktioniert offensichtlich nur, wenn dafür genügend Kalzium Ca zur Verfügung steht. Man findet dieses Element auf der Erde insbesondere als Bestandteil von magmatischen Gesteinen sowie als Bestandteil von Karbonatgesteinen (Kalkstein), wobei sich Letztere bevorzugt biogen bilden, in dem es viele Meerestiere zum Aufbau ihrer Schalen verwenden. Sterben diese Meerestiere ab, sedimentieren ihre kalkigen Bestandteile auf dem Meeresboden und werden im Laufe der Zeit durch diagenetische Vorgänge zu Kalkstein verfestigt. Da Kalkstein Kalzium effektiv bindet, müßte dieses Element nach und nach auf der Planetenoberfläche verarmen und damit die chemische Verwitterung behindern. Andererseits erfordert die Funktionsweise des planetarischen Thermostaten ein Gleichgewicht zwischen dem Verbrauch an Kohlendioxid bei Verwitterungsvorgängen und dem Eintrag von Kohlendioxid durch vulkanische Aktivität. Das bedeutet, daß über lange Zeiträume gesehen, ein Recycling des in den Karbonatgesteinen enthaltenen Kalziums erfolgen muß. Dafür ist auf der Erde die Plattentektonik zuständig. Karbonatgesteine werden an konvergierenden Plattengrenzen in den Erdmantel subduziert, dort aufgeschmolzen und als kalziumhaltige Silikate mit Magmen bei vulkanischen Prozessen wieder zur Erdoberfläche transportiert. Außerdem wird das dabei freigesetzte Kohlendioxid durch vulkanische Entgasungsvorgänge wieder an die Erdatmosphäre abgegeben. Auf diese Weise kann sich zwischen Kohlenstoffbindung durch Verwitterung und Bildung von Karbonatgesteinen einerseits sowie dem Kohlenstoffeintrag und Freisetzung von Kalziumsilikaten durch vulkanische Prozesse andererseits ein dynamisches Gleichgewicht ausbilden, welches eine negative Rückkopplung bezüglich der Temperaturen ermöglicht und damit hilft, den Thermostaten Erde am Laufen zu halten.

Es scheint so, daß die langfristige Bewohnbarkeit unserer Erde ganz entscheidend von der Existenz plattentektonischer Prozesse abhängt. Andernfalls könnten durchaus schon leichte Änderungen in der Leuchtkraft der Sonne zu gravierenden Umbauten des Chemismus und des Klimas führen.  Versagen die genannten Rückkopplungsmechanismen, dann kann es entweder zu einer irreversiblen Treibhausinstabilität wie auf der Venus oder zu einer runaway glaciation (wie mehrmals im Neoproterozoikum) kommen.

Nach diesem (notwendig) großen Überblick noch ein paar Anmerkungen zum Thema Kohlendioxid und Pflanzen. Aus meinen bisherigen Ausführungen sollte schon klar sein, daß der CO2-Verbrauch und die CO2-Bildung auf der Erde unter normalen Verhältnissen ein Nullsummenspiel ist. Die wichtigste biologische CO2-Senke ist offensichtlich die Photosynthese, die wichtigste biologische CO2-Quelle die Atmungsprozesse (biologische Oxidation). Die Frage ist nun, was passiert, wenn dieses „Nullsummenspiel“ unterbrochen wird, in dem man z.B. die borealen Nadelwälder (Kanada) sowie die tropischen Regenwälder (Südamerika, Asien) abholzt. Die Zahlen dazu sind durchaus alarmierend. Die Abholzungsrate in Amazonien erreicht gegenwärtig ungefähr den gleichen Grad wie zu der Zeit des Mitteleuropäischen Klimaoptimums in Mitteleuropa (wo „Deutschland“ urbar gemacht wurde) bzw. der großen nordamerikanischen Waldvernichtung zwischen 1750 und 1900 (vom ursprünglichen nordamerikanischen Laubwald gibt es nur noch wenige Prozent). Man liest dazu, daß die „Lungen der Erde“ dabei verlorengehen, die uns alle mit dem lebenswichtigen Sauerstoff versorgen. Aber gerade diese Begründung ist Unsinn. Denn jedes Gramm Biomasse, daß durch Photosynthese aus dem CO2 der Luft unter Sauerstoffabgabe erzeugt wird, wird durch Atmung und Zersetzung letztendlich wieder verbraucht. Nur wachsende Wälder können mehr Sauerstoff freisetzen, als sie selbst verbrauchen und im Gegenzug CO2 aufnehmen und in ihrer biologischen Substanz binden. Gesunde Wälder sind also mitnichten „Lungen“, sondern Bestandteile eines Gleichgewichtes, welches aber gestört wird in dem Sinn, daß die in ihnen enthaltene Biomasse zum größten Teil verbrannt (Brandrodungen) bzw. das auf den Flächen nachwachsende „Grün“ in Treibstoff (Verbrennung) oder Tierfutter (Fleisch – biologische Verbrennung bei deren Genuß, „Methan“ durch Kuhrülpsen sowie durch die Massenausbreitung methan-erzeugender Termiten) „veredelt“ wird. Summa Summarum gelangt letztendlich durch den Menschen bedingt mehr Kohlenstoff in das atmosphärische Reservoir als ihm jährlich durch die nachwachsende Vegetation entnommen wird, was wiederum den Kohlenstoffkreislauf zwingt, sich neu einzuregeln – z.B. in Form einer „globalen Erwärmung“.  Da Pflanzen eine genetisch bedingte Wachstumsrate haben, die auf einen „normalen“ CO2-Gehalt der Atmosphäre geeicht ist, führt eine Erhöhung der CO2-Konzentration erst einmal kaum zu einer entsprechenden Erhöhung der Produktion an Biomasse. In der Beziehung sind Pflanzen keine guten Regelmechanismen. Man sollte sich also nicht darauf verlassen, daß mehr CO2 in der Atmosphäre zu adäquat höheren Erträgen an Nutzpflanzen führt. Die Vernichtung der Regenwälder hat aber noch weitere Konsequenzen am großen Regelwerk der Natur, z.B.
  • Brandrodungen erhitzen die Atmosphäre direkt
  • Die Kühlwirkung der Wälder durch Wasserverdunstung entfällt – kaum mehr Wolkenbildung, wenig Niederschläge, Verringerung des Erd-Albedos... (lokaler Zusammenbruch des „Kleinen Wasserkreislaufs“)
  • Sojaproduktion entzieht den tropischen Böden die letzten Nährstoffe und transportiert sie (per Schiff) in die nördliche Hemisphäre, wo sie u.a. effektiv in „Brathähnchen“ und Schweinebraten umgesetzt wird
  • Die Biodiversität nimmt rapide ab – wohl die größte Gefahr, die von der Regenwaldvernichtung ausgeht
Was ich mit diesen Ausführungen sagen möchte, ist, daß die Erde mit seiner Biosphäre ein äußerst diffiziles, aber durchaus robustes Rückkopplungssystem ist, welches man erst in Teilaspekten verstanden hat und das sich deshalb auch erst nur in Teilaspekten simulieren läßt. Das erklärt u.a. auch die z.T. widersprüchlichen Ergebnisse, die verschiedene Klimasimulationen ergeben haben sowie die Uneinigkeit der Wissenschaftler darüber, die daraus Handeln für die Zukunft einfordern. In genau diese Unsicherheit ist natürlich auch der „Aufhänger“ dieser meiner Bemerkungen einzuordnen. Sollte die Sonne in ein neues Maunder-Minimum übergehen, kann das durchaus eine mittelfristige (Größenordnung vielleicht 100 Jahre) Entspannung an der Klimafront bedeuten. Die Tendenz einer allgemeinen Erwärmung, auf die alle Beobachtungen und Messungen hinweisen (es ist lediglich kontrovers, ob diese „Erwärmung“ natürlich oder menschengemacht ist), wird sie nicht stoppen können. Für die Natur ist diese „globale Erwärmung“ kein Problem. Es hat in der Erdgeschichte (auch in der jüngeren – Interglaziale) genügend Zeiträume gegeben, wo die Gleichgewichtstemperartur z.T. noch weit über der für die Zukunft prognostizierte Größe gelegen hat. Das Problem ist, daß die jetzige „Klimawende“ auf eine wachsende Weltbevölkerung, auf eine hochtechnisierte Zivilisation mit einer Vielzahl innerer Widersprüche und auf eine menschengemachte dramatische Massenextinktion trifft, und zwar mit einer Zeitskala, wie sie bis dato in der Erdgeschichte niemals vorgekommen ist. Da ist es schwer, optimistisch zu bleiben.


Siehe auch meinen Essay  Milankovich-Zyklen



2 Kommentare:

  1. Hi,

    ein wirklich interessanter Bericht und vor allem Inhaltlich sehr gut erklärt, selbst wenn man nicht so viel von Physik versteht.

    Grüße,
    Mike

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  2. Dass Pflanzen nicht auf einen erhöhten CO2-Gehalt reagieren, ist mir unklar. Wachstum hängt nicht nur von den Genen ab, sonst wäre Düngen ja zwecklos?

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