Sonntag, 3. Juli 2011

Exoplaneten (11) - Planetologie der extrasolaren Gasplaneten

Innerer Aufbau von Gasplaneten
Für den inneren Aufbau von Gasplaneten gelten im Prinzip die gleichen physikalischen Gesetze, wie sie auch den inneren Aufbau von Sternen bestimmen: Eine Gaskugel muß sich im hydrostatischen Gleichgewicht befinden (siehe 1.3). Den radialen Druckverlauf P(r) liefern die jeweils gültigen Zustandsgleichungen, von denen auch das radiale Temperaturprofil T(r) abhängt. Darüber hinaus muß noch die Schichtung bzw. Durchmischung der verschiedenen Gaskomponenten x(P) bekannt sein, um ein entsprechendes Planetenmodell berechnen zu können. Außerdem sind noch die Phasendiagramme, in erster Linie von Wasserstoff und Helium, zu beachten, um Phasengrenzen im Planeteninnern (z.B. Übergang von flüssigen molekularen Wasserstoff zu supraleitfähigen metallischen Wasserstoff) berücksichtigen zu können.

Im Gegensatz zu normalen Sternen fehlt bei planetaren Körpern eine effektive innere Energiequelle, wie sie die Kernfusion darstellt. Sie sind aber durchaus in der Lage, Energie durch Kontraktion bzw. stoffliche Entmischung zu gewinnen, wie man es im Sonnensystem bei Jupiter und Saturn beobachten kann, die beide mehr Energie abstrahlen, als sie von der Sonne erhalten. Außerdem ist natürlich auch noch der primordiale Wärmeinhalt zu berücksichtigen, den der Planet bei seiner Entstehung akkumuliert hat und den er durch Abkühlungsprozesse im Laufe der Zeit kontinuierlich verliert. Für die Abkühlungsrate spielen verschiedene Energietransportprozesse im Planeteninneren eine Rolle (insbesondere Konvektion, aber auch Strahlungstransport), die bei der Modellbildung mit zu berücksichtigen sind. 

Es ist sicherlich nicht verwunderlich, daß sich die Modelle von Gasplaneten ganz allgemein an den Modellen orientieren, die für die Riesen- und Großplaneten unseres Sonnensystems entwickelt wurden. Im Vergleich dazu können Exoplaneten größere Massen besitzen und der Anteil an schwereren Elementen als H und He („Metallen“) je nach der stofflichen Zusammensetzung in der protoplanetaren Scheibe am Ort der Planetenbildung variieren.

Auch das Alter spielt eine Rolle, da gravitative Entmischungsvorgänge, welche u.a. die Funktionen xi (P) beeinflussen, zeitabhängig sind. Aus diesem Grund werden in der Exoplanetenforschung oft sogenannte evolutionäre Planetenmodelle untersucht, die insbesondere das Zusammenspiel zwischen Energieerzeugung durch Kontraktion und Entmischung (Kelvin-Helmholtz-Kontraktion) sowie Abkühlung durch Abstrahlung in den Weltraum als Funktion der Zeit beschreiben.

Stoffliche Zusammensetzung der Gasriesen 
Der stoffliche Aufbau eines Gasriesen hängt maßgeblich von der Art und Weise sowie dem Ort seiner Entstehung innerhalb der protoplanetaren Gas- und Staubscheibe ab, wobei die lokale Elementehäufigkeit (d.h. der Anteil an „Metallen“) eine Rolle spielt. So findet man bei Sternen mit hoher Metallizität statistisch signifikant häufiger Gasriesen als bei Sternen mit der Metallizität der Sonne und darunter. 

Alle gängigen Theorien der Planetenentstehung verorten den Ursprungsbereich der Gasplaneten im äußeren, kühlen Bereich der protoplanetaren Scheibe. Unter bestimmten Bedingungen (Dissipation der kinetischen Energie durch Reibungsprozesse, gravitative Wechselwirkungen mit Nachbarplaneten) können sie in das Innere ihres Planetensystems migrieren, bei der die Population der extrem sternnahen hot jupiters und hot neptunes entsteht. Da in den äußeren Bereichen der Scheibe Wasserstoff und Helium überwiegen und dort auch der Anteil an „flüchtigen“ Stoffen, die man unter dem Begriff „Eis“ zusammenfaßt, größer ist als in dessen sternnahen inneren Bereichen, sind sie in der Lage, während ihres Entstehungsprozesses insbesondere diese Stoffe zu akkumulieren. Man kann deshalb einen relativ kleinen silikatischen Kern (mit mehr oder weniger großen „Eis“-Anteil) erwarten, der von einer riesigen Hülle aus molekularem Wasserstoff und Helium (ungefähr im Verhältnis der kosmischen Häufigkeiten beider Elemente) umgeben ist.  Messungen des Gravitationsfeldes von Jupiter und Saturn durch Planetensonden sowie Modellrechnungen, die auf der durchschnittlichen Elementehäufigkeit der Sonne beruhen, bestätigen dieses Bild.


5.46   Radiale Dichteverteilung im Innern von Jupiter und Saturn. Danach besteht der innere Kern aus zwei differenzierbaren Teilen – einem silikatreichen Kern, der von einer Schale aus „Eis“ umgeben ist. Der größte Teil besteht dagegen aus einer Mischung aus Wasserstoff und Helium, wobei sich der Heliumanteil zum Kern hin erhöht.  © Marley, 1999


Riesenplaneten
Bei Jupiter, der eine Masse von 318 Erdmassen besitzt (1.899 • 10^27 kg), vermutet man einen überwiegend „felsischen“ Kern von maximal 20 Erdmassen. Dabei soll der Terminus „felsisch“ auf eine gesteinsähnliche Zusammensetzung aus den Elementen Silizium, Magnesium, Sauerstoff und Eisen / Nickel hinweisen. Bei einem Druck von über 20000 GPa und einer Temperatur von ca. 20000 K hat dieses Gestein nur noch wenig mit den „Gesteinen“ gemeinsam, die man auf der Erde findet. Um diesen inneren Kern vermutet man eine Schale aus „Eis“, d.h. aus einer extrem heißen und dichten Flüssigkeit aus volatilen Stoffen wie Wasser (H2O), Methan (CH4) und Ammoniak (NH3). Aufgrund des extrem hohen Drucks und der hohen Temperatur wird ein Teil der genannten Moleküle dissoziiert und ionisiert vorliegen, was dieses „Eis“ zu einer elektrisch leitfähigen Flüssigkeit macht. Diese Schale mischt sich in ihrem äußeren Bereich mit molekularem Wasserstoff, der unter Jupiter-Bedingungen überwiegend im flüssigen und wegen des hohen Drucks im metallischen Zustand vorliegt. In diesem Zustand bilden die Elektronen ein entartetes Gas zwischen den Protonen und den als Verunreinigungen eingelagerten Helium-Atomen sowie anderen, in äußerst geringer Konzentration eingelagerten Stoffen. Die Schale aus metallischen Wasserstoff beginnt etwa bei 0.1 RJ und endet etwa bei 0.8 RJ. Die Dichte des Gesteins- und Eiskerns ist 10 bis 20 mal größer als die Dichte des metallischen Wasserstoffs, dessen Dichte mit ~1000 kg/m³ der Dichte unkomprimierten Wassers entspricht. 

Auf die Gesamtmasse bezogen besteht Jupiter aus etwa 71 % Wasserstoff, 24 % Helium und 5 % „Metalle“. 


5.47   Querschnitt durch das Innere von Jupiter. Die Zahlen sind ungefähre Richtgrößen für die physikalischen Bedingungen (Temperatur und Druck) in unterschiedlicher Tiefe des Planeten. Volumenmäßig ist der Gesteins- und Eiskern im Vergleich zur riesigen Wasserstoffhülle fast unbedeutend, was typisch für die Riesenplaneten Jupiter und Saturn ist. © Guillot, 2006

Der innere Aufbau von Saturn ist ähnlich. Im Verhältnis zur Größe des Planeten ist der Gesteinskern größer als der des Jupiters. Er bindet ungefähr ein Viertel der Gesamtmasse des Planeten (d.h. ~16 Erdmassen), während er bei Jupiter lediglich 4% von dessen Masse ausmacht. 


5.48  Innerer Aufbau von Saturn. Aufgrund der geringeren Masse hat die Schicht aus metallischem Wasserstoff eine im Vergleich zum Gesamtradius geringere Mächtigkeit als bei Jupiter. © Guillot

Groß- oder Eisplaneten
Im Sonnensystem werden Uranus und Neptun dieser Gruppe von Planeten zugeordnet. Aus der mittleren Dichte folgert man, daß deren (noch hypothetische) Gesteinskerne von jeweils einem mächtigen Mantel aus einem Gemisch aus Wasser, Methan und Ammoniak (also aus „Eis“) sowie aus Wasserstoff und Helium umgeben ist, das eine heiße und dichte Flüssigkeit bildet. Genauso wie bei Jupiter und Saturn geht dieser flüssige Bereich nahe der Planetenoberfläche bei geringer werdenden Druck stufenlos in eine gasförmige Wasserstoffatmosphäre über. 


5.49  Innerer Aufbau von Uranus und Neptun. Bei Uranus vermutet man einen Kern mit einem Durchmesser von ~0.05 RUranus und bei Neptun von 0.15 bis 0.25 RNeptun .  © Guillot, 2006

Das Hauptmerkmal der neptunes ist demnach der vergleichsweise hohe Anteil an „Eis“ an der Gesamtmasse des Planeten. Bei Exoplaneten (z.B. den noch hypothetischen hot neptunes) kann dabei ein Teil dieses „Eises“ auch durch schwerere Stoffe (diverse Salze) ersetzt sein. Ob das der Fall ist, hängt dabei auch hier entscheidend vom Entstehungsort des Planeten in der protoplanetaren Scheibe ab. 

Übergang zu Braunen Zwergen
Substellare Objekte ab einer Masse von 13 MJ werden als Braune Zwerge (brown dwarfs) bezeichnet. Substellar deshalb, weil sie nicht in der Lage sind, thermonukleare Reaktionen in Form des Wasserstoff-Brennens zu zünden. Dazu ist eine Mindestmasse (abhängig von der Metallizität der Sternmaterie) von ungefähr 75 MJ notwendig. Die untere Grenzmasse ist, genau betrachtet, heuristischer Natur. Man geht davon aus, daß Gaskugeln von der stofflichen Zusammensetzung unserer Sonne ab dieser Masse in ihrem Zentralbereich die Werte für Druck und Temperatur erreichen, die für das sogenannte „Deuteriumbrennen“ erforderlich sind. Dabei stellt dieses „Deuteriumbrennen“ (oder das „Lithiumbrennen“ bei massereichen Braunen Zwergen) nur eine kurze Episode im Leben eines solchen Sterns dar. Bis auf die Masse sind deshalb die beiden Gruppen substellarer Objekte, Gasplaneten und Braune Zwerge, so gut wie nicht zu unterscheiden und können deshalb auch mit identischen theoretischen Ansätzen beschrieben werden (A.Burrows et.al. 2001). 


Deuterium- und Lithiumbrennen
Substellare Objekte ab einer Masse von 13 MJ erreichen während ihrer Kontraktionsphase in ihren Innern Temperaturen, wo ungefähr ab  TZ≈6∙10^5 das Deuterium-Brennen einsetzt:


Dieser Energieerzeugungsprozeß hält solange an (einige 10^8 Jahre), wie genügend (primordiales) Deuterium aus der über dem Kern liegenden Hülle durch Konvektion nachgeliefert wird. Nach Beendigung des Deuteriumbrennens schrumpft der Braune Zwerg weiter, bis er durch den Druck des entarteten Elektronengases im Kern stabilisiert wird.

Ab einer Masse von ungefähr 65 MJ (hängt etwas von der Metallizität der Sternmaterie ab) wird als weiterer Kernfusionsprozeß das „Lithiumbrennen“ möglich. Dabei wird das primordial (d.h. während des Urknalls) entstandene Lithium-Isotop (3^6)Li zu Beryllium (4^8)Be fusioniert, welches – da instabil – sofort in zwei Heliumkerne zerfällt. Die Reaktionskette sieht folgendermaßen aus:


Die „Brenndauer“ für diese Reaktion ist auf wenig über 100 Millionen Jahre begrenzt, da das vorhandene Lithium relativ schnell verbraucht wird. Da Braune Zwerge genauso wie die sich ihnen massemäßig anschließenden Roten Zwerge (84 – 600 MJ) vollständig konvektiv sind und Lithium konsumieren, kommt es zu einer Verarmung an diesem Element, was sich spektroskopisch nachweisen läßt (Li besitzt eine leicht detektierbare Absorptionsline bei λ=670.8 nm sowie, wenn es in molekularer Form als LiCl auftritt, eine Bande bei λ=15.5 μm). Diesen Umstand kann man ausnutzen, um Braune Zwerge beobachtungstechnisch von Roten Zwergsternen zu unterscheiden (Lithium-Test)

Lithium-Test
Da Massen astronomisch oft nur sehr schwer oder nur mit Unsicherheiten bestimmt werden können, ist dieses Kriterium in den meisten Fällen nicht anwendbar, um Gasplaneten von Braunen Zwergen oder Braune Zwerge von Roten Zwergen (massearme Hauptreihensterne) zu unterscheiden. Um trotzdem zumindest eine Unterscheidung zwischen kleinen und kühlen Hauptreihensternen und substellaren Objekten beobachtungstechnisch realisieren zu können, wurde 1992 von Rafael Rebolo und seinen Mitarbeitern der „Lithiumtest“ entwickelt. Die Idee dahinter ist ganz einfach: kann spektroskopisch Lithium nachgewiesen werden, dann handelt es sich um ein substellares Objekt, wenn nicht, dann handelt es sich um einen Stern, der das Hauptreihenstadium bereits erreicht hat oder um einen älteren Braunen Zwerg im Bereich der Massengrenze zu Roten Zwergen. Ein absolut sicheres Unterscheidungsmerkmal stellt der Lithiumtest zwar nicht dar. Er ist aber durchaus eine Hilfe, wenn z.B. in einem jungen offenen Sternhaufen Braune Zwerge identifiziert werden sollen.
In diesem Diagramm ist der Logarithmus der Leuchtkraft L von subsolaren Objekten und Roten Zwergsternen im Massebereich zwischen 50 MJ   und 100 MJ über ihr Alter (in Millionen Jahren) aufgetragen. Die braune Linie gibt ungefähr den Grenzbereich zwischen Braunen Zwergen und Hauptreihensterne an. Objekte, die im grün eingefärbten Bereich liegen, besitzen in ihren Atmosphären eine Verarmung an Lithium von einem Prozent gegenüber der primordialen Lithium-konzentration.   © G.Basri

Ergänzen läßt sich dieser Test mit dem Nachweis bestimmter Moleküle (z.B. Methan CH4) in den Spektren dieser Objekte, die nur in entsprechend kühlen Atmosphären vorkommen. Sterne, die ihre Energie durch Wasserstoff-Fusion erzeugen, besitzen niemals eine effektive Temperatur unterhalb von 3000 K. Moleküle, die nur unterhalb dieser Temperatur stabil sind, können deshalb zur Absicherung des Status „Brauner Zwerg“ herangezogen werden. Darüber hinaus ist die effektive Temperatur selbst ein brauchbarer Parameter, der sich relativ leicht aus spektralphotometrischen Messungen im Infrarotbereich ermitteln läßt. 

Braune Zwerge würden einem Beobachter in der Nähe tief rotglühend, aber nicht sonderlich hell erscheinen. Die Strahlungsleistung, die von ihnen im optischen Spektralbereich emittiert wird, ist im Vergleich zum Infrarotbereich sehr gering. Sie nimmt im Laufe der Zeit durch die kontinuierliche Auskühlung weiter ab, so daß die Leuchtkraft Brauner Zwerge  gewissermaßen ihr Alter anzeigt. 





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