Heute habe ich wieder einmal die Ruinen der Burg Friedstein unweit von Kleinskal (Mala Skala) im Böhmischen Paradies besucht. Diese Felsenburg ist der Inbegriff einer alten Ritterburg, so wie man sich gewöhnlich eine vorstellt: Abenteuerlich auf einem steilen Felsen errichtet, ein hoher Wartturm, Reste einer starken Burgmauer und eines Bergfrieds, eine Vielzahl unteririscher, grob in den Sandstein getriebene Höhlungen und ein netter älterer Herr hinter der Pforte, der den Eintritt kassiert.
Die Burg Friedstein erreichen Sie am einfachsten entweder von Turnau (Turnov) aus (Straße in Richtung Gablonz) oder, wenn Sie die Autobahn von bzw. nach Reichenberg (Liberez) benutzen, vom Abzweig Liebenau (Hodkovice na Mohelkou) aus – einfach den Schildern (Frydstejn) oder dem GPS folgen... Sie können natürlich auch von der Straße von Turnau nach Eisenbrod in Kleinskal links abbiegen, um dorthin zu gelangen (bzw rechts, wenn Sie aus der anderen Richtung kommen ;-). Auf jeden Fall ist die Burg einen Ausflug wert.
Ich will jetzt hier keine große Beschreibung dieser Burgruine abliefern, sondern vielmehr etwas über ihre Geschichte erzählen – und auch das nur recht knapp. Denn es gibt leider nicht allzuviel zu berichten, denn das meiste ist im Laufe der Jahrhunderte verlorengegangen. Ihr noch durchaus recht guter Erhaltungszustand disharmoniert irgendwie mit der Kärglichkeit des überlieferten Wissens über die Bauherren, die Bestimmung und die Bewohner dieser Burg.
Den Ort Friedstein haben die Geschichtsforscher mit dem mittelalterlichen Stadtflecken Zasada identifiziert, die erstmalig im Jahre 1385 in einer Urkunde erwähnt wurde. Nach den Hussitenkriegen nahm dann der Ort – genauer ein lockeres Dorf, den Namen der ihr Bild beherrschenden Burg an – Friedstein. Eine ihrer ersten Besitzer (aber wahrscheinlich nicht die Erbauer) waren Ritter vom Geschlecht der Kowan. Sie hatten ihre Stammburg in der Nähe von Jungbunzlau (Mlada Boleslav) in dem Dorfe Kowan (Kovan) bei Boretsch (Borec), von der aber nicht einmal mehr Spuren erhalten geblieben sind. Ihre letzten Nachrichten datieren in die Mitte des 15. Jahrhunderts, als sie schon „öd“ da lag und von den Bewohnern der Umgebung wahrscheinlich als günstige Quelle für Steine für den Hausbau genutzt wurde.
Im Jahre 1350 lebte Sulek von Kowan, dessen Sohn Sulek II von Kowan als Kirchenstifter aufgefallen ist. Es kann, muß aber nicht sein, daß einer von beiden Friedstein erworben hat. Denn ihre nächsten Nachkommen, die Brüder Wenzel und Bobusse von Kowan nannten sich selbst die „Herren von Friedstein“. Wann die Burg genau erbaut wurde, läßt sich nicht mehr feststellen. Um 1363 muß es sie schon gegeben haben, denn es hat sich überliefert, daß die Herren von Draschitz (ein niederes böhmisches Adelsgeschlecht, die u.a. Domherren bzw. Bischöfe von Prag waren) Eigentümer der Veste waren. 1376 ging dann der Besitz an Johann von Bieberstein (1342-1424) über, der in Friedland und auf Burg Hammerstein an der Lausitzer Neiße residierte.
Während der Hussitenkriege bekämpften die katholischen Brüder von Kowan mit all ihren Möglichkeiten die Hussiten, was natürlich deren Zorn auf sie zog. Bobusse von Kowan wurde deshalb im Juli 1432, als er auf Burg Friedstein weilte, von einem Hussitenheer unter dem bekannten Hussitenführer Jan Capek ze San belagert. Es kam jedoch (die Umstände sind leider unbekannt) zu einem Vergleich mit den Kelchnern, wodurch die Burg vor einer Zerstörung bewahrt wurde. Bobusse von Kowan nutzte die Zeit darauf, die Burg noch wehrhafter zu gestalten. Er schloß sich später, nach dem er den ultraquistischen Glauben angenommen und den katholischen abgelegt hatte, Georg von Podiebrad (1420-1471) an, der von 1458 an bekanntlich König von Böhmen wurde. Bei einer Vielzahl von Kriegen erwarb er sich hohe Verdienste und bekam vom König Ladislaus Postumus am 13. Juli 1454 sämtliche der Krone gehörende Güter und Herrschaften Friedstein, Rothenstein und Kowan als Schenkung (zuvor waren es Lehen). Bobusse von Kowan starb im Jahre 1459. Solange seine Kinder noch minderjährig waren, verwaltete Johann von Hasenburg auf Kost die Ländereien und die Burg Friedstein. Später wurden sie von den Erben an den Herrn Zub von Landstein auf Bradlec verkauft und schließlich gelangte sie um 1500 in den Besitz des Ritters Johann Dubecky von Dubec. Dieser reiche Adelige hatte jedoch keine männlichen Nachfahren, was im Folgenden zu einer etwas wirren Besitzfolge führte. Letztendlich gelangte Friedstein um 1543 in den Besitz der Familie von Wartenberg. Genauer, Adam von Wartenberg (die Wartenberger hatten traditionell den Titel des Mundschenks am königlichen Hof in Prag inne). Leider hatte er sich im Schmalkaldischen Krieg (1546-1547) gegen den Habsburger Kaiser Ferdinand I gestellt, was ihm am 7. Juli 1547 alle seine Güter, darunter auch die Burg Friedstein, kostete. Die Herrschaft wurde mit der Herrschaft Böhmisch Aicha (Cesky Dub) vereinigt und für eine größere Menge Geldes (man spricht von 8571 Prager Groschen) an Johann Oppersdorf, Freiherr von Dub (und jetzt auch von Friedstein) vermacht. Er interessierte sich aber nicht mehr für die Burg. Außerdem war eine Zeit angebrochen, wo ein Adliger doch lieber in einem bequemen, beheizten Schloß lebte als in einer unbequemen, zugigen und im Winter eiskalten Burg. Friedstein wurde nicht mehr bewohnt und begann zusehends zu verfallen. Zwar konnte er sie 1591 noch einmal verkaufen, aber auch der neue Besitzer (ein Herr von Smirice) hatte weder Lust noch Geld noch anderweitige Ambitionen, etwas an der Burg zu unternehmen. Nur die Burgkapelle wurde noch bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts sporadisch für Gottesdienste genutzt. Ein großer Teil der Steine dürfte auch in den Fundamenten der umliegenden Bauernhäuser verbaut worden sein.
Der Bau der Burg unter Ausnutzung eines natürlichen Felsens zu Beginn des 14. Jahrhunderts war sicherlich eine enorme Leistung. Allein der Burgturm mit einem Durchmesser von 9 Metern, einer Wandstärke von 2 Metern und einer (heutigen) Höhe von 15 Metern ist ein äußerst imposanter Bau. Man möchte sich auch gar nicht vorstellen, welche Arbeit es gemacht habe muß, mit einfachen Meiseln die vielen Räume aus dem gewachsenen Fels heraus zu arbeiten. Und noch schwieriger ist es sich vorzustellen, wie man vor 600 Jahren auf solch einer Burg gelebt haben mag.
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