Sonntag, 7. August 2011

Exoplaneten (21) - Super-Earths und erdähnliche Exoplaneten

"Super-Erden" und erdähnliche Exoplaneten

Es gibt keine offizielle Definition, ab welcher Masse bzw. Größe das Reich der „erdähnlichen“ Exoplaneten beginnt und das Reich der Gasplaneten endet. Ein geeigneter heuristischer Wert sind z.B. 10 Erdmassen, wobei als Zusatzbedingung hinzukommt, daß zumindest der Planetenkern „felsisch“, also fest und reich an Metallen und Silikaten sein sollte. Derartige Objekte, deren Masse die der Erde übersteigt, werden gewöhnlich als „Supererden“ bezeichnet, andernfalls als „erdähnliche“ Exoplaneten. Objekte, die anstelle eines „felsischen“ Kerns einen „Eiskern“ besitzen („Eis“ im Sinne einer heißen, hochkomprimierten Flüssigkeit mit einer Elementezusammensetzung, die der einer Mischung von Wasser, Ammoniak und Methan entspricht), nennt man manchmal Exo-Neptuns. Ihr Massebereich, der bei ungefähr 18 Erdmassen beginnt, überschneidet sich mit denen der Super-Erden. Da beide Gruppen anhand von Beobachtungen immer noch kaum auseinander zu halten sind, werden sie in der Fachliteratur oftmals nicht extra unterschieden oder einfach zusammen behandelt.

Während „terrestrische“ Exoplaneten gegenwärtig (2010) noch an der Grenze der Nachweismöglichkeiten der modernen Astronomie liegen, hat die Jagd nach den „Supererden“ eben erst begonnen. 

Erste Kandidaten …
Die meisten „Super-Erden“ werden immer noch mit der Radialgeschwindigkeitsmethode gefunden. Das hat den Nachteil, daß man gewöhnlich nur eine Untergrenze für ihre Masse ermitteln kann. Es kann deshalb durchaus sein, daß eine gewisse Anzahl von Kandidaten in der folgenden Tabelle gar keine „Supererden“ sind, weil ihre Masse in Wirklichkeit die Grenzmasse von 10 Erdmassen übersteigt. Verläßliche Massen lassen sich nur in Kombination mit Transitbeobachtungen ermitteln oder aus Gravitationslinsenereignissen ableiten. Da Supererden im Vergleich zu hot jupiters sehr kleine Objekte sind (meist kleiner als drei Erddurchmesser), ist ihr Transitsignal sehr klein und deshalb i.d.R. photometrisch nicht sicher oder – in den meisten Fällen – überhaupt nicht nachweisbar. 

Für den Astrobiologen sind Supererden dann interessant, wenn sie sich in der habitablen Zone ihres Muttersterns aufhalten. Der einzige Kandidat, der gegenwärtig diese Bedingung erfüllt, ist Gliese 581g, dessen Existenz jedoch aufgrund der noch immer unsicheren Beobachtungsbasis nicht als gesichert gelten kann (Herbst 2010).  Wenn sich seine Existenz beweisen läßt, dann handelt es sich um eine Supererde von mindestens 3.1 Erdmassen, der seinen Mutterstern, einen schwachen Roten Zwergstern vom Spektraltyp M2.5V und einer effektiven Temperatur von 3480 K, in einer Entfernung von etwa 0.146 AU in nur 36.6 Tagen einmal umläuft.  Wie sein Name, Gliese 581g, schon sagt, ist er der 6. Begleiter des lediglich 20.45 Lj entfernten kleinen roten Nachbarn unserer Sonne. An seinem Beispiel läßt sich trefflich spekulieren, wie er wohl beschaffen sein müßte, damit Leben auf ihm entstehen und sich auch heimisch fühlen kann.

Tabelle: Super Earth-Kandidaten (Stand Herbst 2010)


Ein ganz anderes Extrem ist Corot-7b. Über ihn ist bereits relativ viel bekannt, da er sich im Transit beobachten läßt. Er wurde 2009 als Begleiter des Sterns Corot-7 entdeckt, bei dem es sich um einen Hauptreihenstern vom Spektraltyp K0V handelt, der nur geringfügig kleiner und masseärmer als unsere Sonne ist (M~0.93 MS; R~0.87 RS). Seine Photosphärentemperatur liegt bei ~5275 K, also rund 500 Grad weniger als die der Sonne.

Seine geringe Entfernung von nur ~4 Sternradien von seinem Mutterstern impliziert eine gebundene Rotation sowie eine Temperatur auf der Tagseite von über 2000 K. Das ist heiß genug, daß Silikate und Metalle schmelzen und auf der Tagseite einen Ozean aus Lava bilden. Da man seine Masse und seine Größe (~1.7 RE) bestimmen konnte, ist auch seine Dichte bekannt (5600 kg/m³). Sie zeigt, daß er einen ähnlichen stofflichen Aufbau wie die Erde haben muß, d.h. im Wesentlichen aus Gestein und Metallen besteht. Darin erschöpfen sich aber schon alle Ähnlichkeiten. Aufgrund der etwa doppelt so großen Schwerkraft im Vergleich zur Erde sind auf seiner kühlen Nachtseite wahrscheinlich keine besonders großen (zumindest in Bezug auf die vertikale Ausdehnung) Oberflächenstrukturen zu erwarten. Interessant dürfte aber seine Atmosphäre sein. Sie wurde verschiedentlich in Computern zu simulieren versucht (z.B. Schaefer, Fegley, 2009), um einen Eindruck über das „Klima“ und das „Wetter“ auf diesem Höllenplaneten zu bekommen.  Danach sollten sich alle flüchtigen Stoffe, die z.B. bei der Erde die Atmosphäre ausmachen, aufgrund der starken Einstrahlung schon längst verflüchtigt haben. Ihre Stelle haben Gase aus Stoffen, die man in silikatischen Gesteinen findet – also beispielsweise Siliziummonoxid, Natrium, Kalium, molekularer und atomarer Sauerstoff sowie einige Metalle – eingenommen. Aufgrund der hohen Temperaturen ist an der Oberfläche des Planeten trotzdem kein besonders hoher Gasdruck zu erwarten (vielleicht so um 1 Pa). Aber dafür sollten in der Atmosphäre Wolkenbildung und wahrscheinlich sogar Niederschläge möglich sein. Während die Wolken aus kondensierten Mineralpartikelchen mit der Zusammensetzung von z.B. Enstatit, Korund oder Spinell (um nur einige zu nennen) bestehen, würde es aus ihnen flüssiges Gestein und flüssige Metalle regnen …


5.81   Corot-7b in einer künstlerischen Darstellung von Catalano Fabian. Im Hintergrund ist der zweite bekannte Begleiter von Corot-7 (Sternbild Monocerotis, Entfernung 489 Lj), Corot-7c, zu erkennen. Es handelt sich dabei um eine weitere Super-Erde mit einer Masse von 8.4 ME, die in einer Entfernung von 0.046 AU seine Bahn um den Stern zieht. Ihre Existenz hat sich bisher nur in der Radialgeschwindigkeitskurve niedergeschlagen. 

Formenvielfalt im inneren Aufbau
Der innere Aufbau eines Exoplaneten determiniert das wichtige Masse-Radius-Verhältnis – ein Beobachtungsparameter bei Transitplaneten. Um einen Anschluß dieses Parameters an den physischen Aufbau eines Super-Earth-Exoplaneten zu ermöglichen, muß man dieses Verhältnis in Abhängigkeit verschieden denkbarer Bulk-Modelle für den interessierenden Massebereich von 1 bis 10 ME und stofflicher Zusammensetzung theoretisch ermitteln. Dabei spielen auch Details aus der Theorie der Planetenentstehung eine Rolle. Die Obergrenze von 10 ME für Super-Erden ergibt sich z.B. physikalisch aus dem Fakt, daß planetare Objekte oberhalb dieser Grenzmasse i.A. in der Lage sind, den größten Teil des Wasserstoffs und Heliums, den sie bei ihrer Entstehung mitbekommen haben, auch gravitativ zu halten. Unterhalb dieser Massegrenze erwartet man in Schalen ausdifferenzierte Körper, die hydrodynamisch geschichtet sind und stofflich die Elementehäufigkeit der „Metalle“ ihres Muttersterns widerspiegeln. Um sie zu modellieren, muß man unter vernünftigen Annahmen den planetaren Körper in homogene Schalen definierter Zusammensetzung (z.B. Metall, Gestein, Wasser) unterteilen. Die Mächtigkeit der Schichten folgt aus der Bedingung des hydrostatischen Gleichgewichts unter Berücksichtigung von jeweils geeigneten Zustandsgleichungen. Die genannten Bedingungen schränken die Lösungen genügend stark ein, um quantitative Aussagen über das Masse-Radius-Verhältnis für Planeten unterschiedlichen inneren Aufbaus machen zu können. 

Eisen-, Gesteins- und Wasserplaneten
Bekanntlich gibt es gewisse Maxima in der kosmischen Elementeverteilung, was mit den Kernfusionsprozessen in den Sternen zu tun hat. Besonders häufige Elemente (neben Wasserstoff und Helium) sind Kohlenstoff, Sauerstoff, Silizium und Eisen. Es macht deshalb erst einmal Sinn, Körper zu betrachten, die jeweils ausschließlich aus diesen Stoffen (Kohlenstoff und Eisen) oder aus einer häufigen Verbindung dieser Stoffe (Silikate, z.B. Olivin, Wasser) bestehen. Es ist relativ einfach, für homogen aufgebaute Planeten mit verschwindender Temperatur die Masse-Radius-Beziehung zu berechnen. Solche Rechnungen wurden über einen großen Massebereich z.B. von Fortney et.al. 2007 ausgeführt. Anhand der dabei ermittelten Funktionen R(M) für verschiedene Stoffzusammensetzungen läßt sich durch Interpolation der ungefähre stoffliche Aufbau eines Exoplaneten ermitteln, wenn dessen Masse und Größe genügend genau bekannt sind. Vordergründig steht dabei die Frage, wie man durch Beobachtungen „trockene“ silikatische Exoplaneten („Silikatplaneten“) von „feuchten“ silikatischen Exoplaneten („Hydrosilikatplaneten“) und von reinen „Eisplaneten“ bzw. „pure water planets“ unterscheiden kann. Das Problem ist weniger trivial, als man zunächst annehmen könnte. Der Grund dafür ist, daß es zu einem gegebenen Masse-Radius-Verhältnis planetare Körper mit unterschiedlicher Zusammensetzung bezüglich Metall-, Silikat- und Wasseranteil geben kann. Homogene Einschalenmodelle erscheinen in dieser Hinsicht als nicht sonderlich realistisch. Das gilt sogar für reine Eisplaneten, da festes Wassereis in verschiedenen, temperatur- und druckabhängigen Allotropen mit jeweils unterschiedlichen thermodynamischen Eigenschaften existieren kann.


5.82  Masse-Radius-Beziehung für homogen aufgebaute planetare Körper unterschiedlicher Zusammensetzung. „Reines Gestein“ bedeutet hier Gestein, welches vollständig aus Olivin besteht. Trägt man in dieses Diagramm Masse und Radius von Super- Earth-Exoplaneten ein (ähnlich wie hier einige Planeten des Sonnensystems), dann läßt sich grob eine Aussage über ihre stoffliche Zusammensetzung treffen.   © Fortney et.al. 2007

Ein typisches Mehrschalenmodell könnte z.B. aus folgenden Schichten bestehen (VALENCIA et.al. 2007):

Kern:  
Überwiegend aus Eisen (Fe) aufgebaut. Er kann entweder fest oder flüssig sein bzw. aus einem inneren festen Kern und einer darüber liegenden flüssigen Schale bestehen – in Abhängigkeit von der Lage der Soliduskurve über dessen Temperaturprofil.

Mantel:
Bestehend aus verschiedenen Silikaten, wobei ein oberer Mantel (Olivin und seine Hochdruckmodifikationen wie z.B. Wadsleyit und Ringwoodit) und ein unterer Mantel zu unterscheiden ist, wobei letzterer hauptsächlich aus Perowskit / Post-Perowskit und ähnlichen Mineralen besteht. Eventuell existierende silikatische Krusten sind so dünn, daß sie nicht separat berücksichtigt werden müssen.

Wasserschicht:
Je nach Bedingungen aus einer Eisschicht (wobei je nach Druckregime unterschiedliche Eismodifikationen zu be-rücksichtigen sind) oder vollständig bzw. teilweise aus flüssigem Wasser bestehend.

Liegt der Wasseranteil an einem Exoplaneten bei über 10% seiner Gesamtmasse, dann spricht man manchmal von einem Ozean-Planeten. Ist dagegen der Eisenkern überproportional groß, dann nennt man diese Super-Erden manchmal auch „super mercuries“. Das sind jedoch keine offiziell anerkannten Exoplanetentypen, sondern man muß sie mehr als heuristische Bezeichnungsweisen werten.


5.83  Masse-Radius-Beziehung für Mehrschalenmodelle für Exoplaneten vom Typ Super-Erde. Die dicke Gerade kennzeichnet terrestrische Planeten mit einem Fe-Kern, der 1/3 der Planetenmasse ausmacht. Die punktierten Grenzkurven kennzeichnen reine Wasserplaneten (obere Grenzkurve) und reine Metallplaneten (untere Grenzkurve). Die gestrichelten Linien geben Exoplaneten mit verschiedenen H_2O-Anteilen an.   © Valencia et.al. 2007

Für reale Exoplaneten gelten natürlich gewisse Einschränkungen in Bezug auf ihren inneren Aufbau, die entscheidend von der Art und dem Ort ihrer Entstehung innerhalb einer protoplanetaren Wolke und ihrem weiteren Entwicklungsweg abhängen. Die hier genannten Modelle gehen erst einmal davon aus, daß die Super-Earth-Exoplaneten analog zu den terrestrischen Planeten und der meisten Eismonde vollständig stofflich ausdifferenziert sind. Die Mächtigkeit (oder genauer, der Masseanteil) der einzelnen Schichten hängt dagegen von der Elementehäufigkeit am Ort ihrer Entstehung in einer protoplanetaren Scheibe und den dort herrschenden physikalischen Bedingungen (z.B. Kondensationstemperaturen einzelner Stoffe) ab. Bis zu welcher Größe ein Eisenkern ausdifferenzieren kann, hängt z.B. lokal vom Si/Fe und O/Fe –Verhältnis ab, weil davon wiederum abhängt, wieviel Eisen im Mantel eines Planeten gebunden bleibt und wieviel in den Kern abwandern kann. Entscheidend ist aber der Ort, wo sich der Planet gebildet hat. Entlang der Achse einer protoplanetaren Scheibe bildet sich bekanntlich ein Temperaturgradient aus, entlang dem die „Baustoffe“ der planetaren Körper auskondensieren – von innen nach außen: Silikate, Metalle und volatile Stoffe, wobei jeder Stoff eine spezifische Kondensationstemperatur besitzt.  Details dazu werden im Abschnitt 6 dieses Bandes ausführlicher behandelt. Die Menge der in den Planetesimal enthaltenen Stoffe legt demnach die späteren Schichtenmächtigkeiten nach erfolgter Differenzierung fest. Erfolgt die Ausdifferenzierung zeitlich sehr schnell, dann kann es durch Kollisionen mit einem anderen Embryonalplaneten zu weiteren Modifikationen kommen, wenn z.B. bei einem Stoß ein Teil des Mantels verlorengeht (wie bei Merkur)  oder wenn ein Teil des Eisenkerns des Stoßpartners übernommen wird (wie z.B. bei der Erde, Mondbildungsszenario). Die mögliche Ausbildung einer Eis- oder Wasserhülle ist schließlich der letzte Akt im Prozeß der Bildung eines Planeten mit ausgedehnten Kern- und Mantelbereichen. Dazu ist es erforderlich, daß, gewissermaßen in einer Nachakkretionsphase, Wassereis in Form von einstürzenden Kometenkernen in genügender Menge aufgesammelt wird. Ein Teil des Wassers kann aber auch im Zuge der Mantelbildung vom Planeten durchaus selbst „ausgeschwitzt“ werden. 

Andererseits können „Wasserplaneten“ ihre volatilen Stoffe wieder verlieren, wenn sie – ähnlich wie bei den „hot jupiters“ – in Sternnähe migrieren oder im Zuge der Sternentwicklung die Leuchtkraft des Muttersterns entsprechend stark ansteigt. 


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