Masse-Radius-Beziehung und reale Exoplaneten
Vom Standpunkt des Beobachters ist es wichtig, Kriterien zu finden, um z.B. Gesteinsplaneten von Wasser- bzw. Eisplaneten unterscheiden zu können. Bei entsprechend genauen Messungen von Radius und Masse eines Exoplaneten scheint das möglich zu sein. Ausgangspunkt ist ein Potenzgesetz der Form (VALENCIA et.al. 2007)
welches nach den Modellrechnungen prinzipiell die Änderung eines Planetenradius R mit der Masse des Planeten M beschreibt. Bezeichnet man mit x den Anteil von H2O an einem Super-Earth-Exoplaneten, dann ergeben die Modellrechnungen (Eisenkern mit einem Fe-Si-Verhältnis analog zur Erde, Post-Perowskitmantel) für die Koeffizienten a und b folgende Werte:
a=1+0.56 x
b=0.262(1-0.138 x)
Angewendet auf die Super-Erde GJ 1214b mit einer Masse von 6.55±0.98 ME (Charbonneau et.al. 2009) ergibt sich für sie als Radius ein Wert von 1.64 RE , wenn es sich vollständig um einen Silikatplaneten handeln würde und von 2.02 RE, wenn er zu 50% aus Wassereis besteht. Der gemessene Radius beträgt 2.678±0.13 RE.
Bulk-Modelle für GJ 1214b
Aus der Transitlichtkurve und aus sehr genauen Radialgeschwindigkeitsmessungen konnten die Masse und die Größe von GJ 1214b recht genau bestimmt werden:
MP=6.55±0.98 ME und RP=2.678±0.13 RE
Je nach angenommener Albedo liegt die Gleichgewichtstemperatur zwischen 395 K und 555 K. Der Mutterstern ist ein Roter Zwerg (M4.5) mit einer Leuchtkraft von lediglich 0.0033 LS, den der Exoplanet in einer Entfernung von 14.6 Sternradien (R*=0.21 RS) in 1.58 Tagen einmal umläuft.
5.84 Im Rahmen des MEarth-Projekts, bei dem eine große Anzahl von M-Zwergen photometrisch überwacht werden, konnte 2009 um GJ 1214 im Sternbild Ophiuchus ein Transitplanet entdeckt werden, welcher von der Größe her zwischen der Erde und den Großplaneten (Eisgiganten) liegt und damit zur Klasse der Super-Earths gehört. © David A. Aguilar
Masse und Durchmesser plazieren ihn in Abb. 5.83 oberhalb der Grenzlinie für reine Wasserplaneten. Die mittlere Dichte von 1870±400 kg/m³ zeigt, daß er einen Kern bzw. Mantel aus Metallen und Silikaten besitzen muß, der von einer riesigen Hülle von Wasser umgeben ist. In einer ersten Abschätzung haben die Autoren der Entdeckungsmitteilung (Charbonneau et.al. 2009) herausgefunden, daß eine Zusammensetzung von 3% Fe, 22% Silikate und 75% Wasser im Zusammenspiel mit einer mächtigen H/He-Atmosphäre, die in ihren unteren Schichten mit sehr viel Wasserdampf angereichert ist, die physischen Daten am besten wiedergeben kann. Sie ist es dann, welche den Planeten größer macht, als man bei dessen Masse theoretisch erwarten würde. Die Gashülle selbst müßte dann ~0.05% der Planetenmasse ausmachen, was wiederum einen Druck an ihrer Basis von ~7 MPa impliziert. Dieser Druck reicht aus, daß das Wasser auch bei Temperaturen zwischen 120°C und 280°C noch flüssig bleibt. Aber das sind alles Vermutungen, die sich aus nur wenigen mehr oder weniger sicheren Beobachtungsparametern ergeben. Um sie zu prüfen, sind weitere Beobachtungen notwendig. Insbesondere der Nachweis der vorhergesagten Atmosphäre und ihrer Chemie wären dabei hilfreich. Doch dazu muß man erst einmal wissen, wie sich verschiedene denkbare Atmosphären auf konkrete Beobachtungsgrößen (insbesondere auf Transitlichtkurven im IR) auswirken, damit man gezielt danach suchen kann.
5.85 Hypothetischer Aufbau von GJ 1214b © Nature
Atmosphärenmodelle für GJ 1214b
Exoplanetenatmosphären verraten sich, wie im Abschnitt über die hot jupiters beschrieben, durch selektive Absorptionen bestimmter Spektralbereiche, die sich spektralphotometrisch bei Transits prinzipiell messen lassen. Dazu muß man aber genau wissen, nach welchen Spektralmarkern man konkret zu suchen hat. Die Methode der Wahl ist dabei die Berechnung synthetischer Absorptions- bzw. Emissionsspektren anhand verschiedener Atmosphärenmodelle. Modellparameter sind neben ermittelten bzw. plausiblen Daten über Masse und Größe (ausgedrückt durch die Oberflächengravitation g) des Exoplaneten verschiedene Modellatmosphären unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung wie z.B. (Miller-Ricci et.al. 2010)
- Atmosphäre mit einer Elementehäufigkeit wie in der Sonnenatmosphäre
- Atmosphäre mit unterschiedlich starker Anreicherung an „Metallen“; Wasserstoff und Heliumanteil wie in der Sonnenatmosphäre
- Reine Wasserdampfatmosphäre
- Reine Kohlendioxidatmosphäre
- Wasserdampf- Kohlendioxidatmosphäre mit jeweils unterschiedlichen H2O und CO2-Anteilen
Nach der Berechnung der vertikalen Temperatur- und Druckprofile wird nach den Methoden des Strahlungstransports das Emissionsspektrum der Atmosphäre bestimmt, wobei die Absorptionseigenschaften weiterer, häufig in planetaren Atmosphären vorkommender Moleküle wie z.B. Methan CH4, Ammoniak NH3 und Kohlenmonoxid CO mit zu berücksichtigen sind.
5.86 Zwei berechnete IR-Signaturen von GJ 1214b für eine effektive Temperatur von 555 K - oben für eine reine Wasserdampfatmosphäre, unten für eine reine Kohlendioxidatmosphäre. Aufgetragen ist die jeweils zu erwartende Tiefe des Sekundärminimums im Wellenlängenbereich zwischen 1 μm und 20 μm. © Miller-Ricci, Fortney 2010
Aus den Ergebnissen und dem Spektrum, welches der Mutterstern emittiert (hier ein kühler M4.5 –Zwerg), kann man als atmosphärische Signaturen die wellenlängenabhängige Tiefe des Transit-Sekundärminimums für verschiedene Atmosphärenmodelle berechnen. Zwei Beispiele, einmal für eine reine Wasserdampfatmosphäre und einmal für eine reine Kohlendioxidatmosphäre, zeigt Abb. 5.86. Aus ihr lassen sich die zu erwartenden Intensitätseinbrüche im Sekundärminimum (wo sich die Emission der Tagseite des Exoplaneten mit der Emission seines Muttersterns addiert) für den Wellenlängenbereich zwischen 1 μm und 20 μm ablesen. Natürlich werden derartige IR-Signaturen auch für anders zusammengesetzte Modellatmosphären berechnet, um die Spektralmerkmale herausarbeiten zu können, die für die jeweilige Atmosphäre charakteristisch ist. Damit wird eine Vergleichsbasis geschaffen für die Zeit, wo entsprechende Beobachtungen technisch realisierbar werden. Gegenwärtig reicht dazu die Genauigkeit der Spektroskope auf raumgestützten Teleskopen nicht aus. Das wird sich aber in naher Zukunft (2014) mit dem Start des im Bau befindlichen James-Webb-Weltraumteleskop ändern. Die endgültige Beantwortung der Frage, ob GJ 1312b eine Wasserwelt ist oder eher ein kleiner Bruder unseres Planeten Uranus, läßt deshalb noch ein wenig auf sich warten.
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