Sonntag, 4. Dezember 2011

Planet Mars (25) - Direkte Erkundung der Marsoberfläche

Mars Pathfinder und Marsauto „Sojourner“

Die erste Marslandemission, die im Blickfeld des Internet stattfand und deshalb mit großer Aufmerksamkeit weltweit verfolgt wurde, war die Mission „Pathfinder“ im Jahre 1997.

Diese besondere Aufmerksamkeit war in erster Linie einem kleinen Marsrover (63 cm lang) mit dem Namen „Sojourner“ (benannt nach der amerikanischen Frauenrechtlerin Sojourner Truth (1798-1883)) geschuldet, der von der Erde ferngesteuert seine Runden um den Landeplatz drehte und dabei mit Hilfe eines Alpha-Partikel-Röntgenspektrometers aus Deutschland mineralogische Untersuchungen an den dort herumliegenden Steinen vornahm. Und das alles unter den Augen von Millionen von Menschen, die jede Bewegung über das Internet verfolgen konnten. Seine Nachfolger, die zwei Mars Exploration Rover „Spirit“ und „Opportunity“, genossen in dieser Beziehung bereits weniger Aufmerksamkeit. Es war so wie bei den Apollo-Mond­landungen. Ab der zweiten Landung wurden sie nur noch von wirklich daran interessierten Leuten verfolgt (natürlich mit Ausnahme von Apollo 13, die einzige „Mondmission“, die bis heute verfilmt wurde). Die heiße Phase der Mars Pathfinder – Mission begann am 4. Dezember 1996 mit dem Start einer Delta-II –Trägerrakete, welche die Sonde auf ihren Weg zum Mars brachte. Ein reichliches halbes Jahr später (genauer, am 4. Juli 1997) konnte sie sicher im Gebiet von Ares Vallis nieder gehen und ihre Arbeit aufnehmen. Dabei wurden bei der Landung, um die Aufprall­energie abzudämpfen, spezielle Airbags verwendet – eine völlig neue Technologie in der Raumfahrt.


Marsrover Sojourner kurz vor Beginn seiner Entdeckungsreise auf dem Mars, aufgenommen mit der Kamera des Landers kurz nach dessen Aufsetzen. Quelle NASA

Der Landeort, das Ares Valley, wurde bewußt gewählt, da man hier auf direkte Hinweise einer ehemaligen Überflutung zu stoßen hoffte, eine Hoffnung, die nicht enttäuscht werden sollte. Ares Valley ist bekanntlich ein typisches Ausflußtal, wo in der Frühgeschichte des Mars große Mengen Wasser geflossen sein müssen, wie typische, bis heute erhaltene morphologische Landschaftsmerkmale beweisen. Sie sind auf Mars-Orbiter-Aufnahmen deutlich zu sehen.

Im Vergleich zu Viking war Mars Pathfinder eine Billig-, quasi eine ALDI-Version eines Marslandeprojektes, bei der nur wenig wissenschaftliche Nutzlast mitgeführt werden konnte. Trotzdem waren die Ergebnisse spektakulär und die erhaltenen Meßergeb­nisse beschäftigen die Planetologen noch heute. Eine hochauf­lösende Kamera übermittelte regelmäßig Aufnahmen der Umgebung des Landeplatzes und der Position des Marsrovers. Eine kleine Wetterstation diente der kontinuierlichen Messung meteorologischer Parameter wie Temperatur und Luftdruck. Das wichtigste Instrument befand sich jedoch auf dem Marsauto selbst, ein Alpha-Proton-Röntgenspektrometer (Alpha Particle X-Ray Spectrometer, APXS). Mit seiner Hilfe konnten die Elemente bestimmt werden, aus denen die von Sojourner näher unter­suchten Gesteinsbrocken bestehen.

Geologische Untersuchungen mit dem APXS Das APXS war das wichtigste wissenschaftliche Gerät der Mars Pathfinder-Mission. Mit dessen Hilfe konnte relativ präzise die chemische Zusammensetzung (in Bezug auf die Elemente und ihre Häufigkeiten in der Probe) von Gesteinen bestimmt werden, wobei drei verschiedene physikalische Prozesse ausgenutzt wurden. Im Spektrometerkopf hatten die Ingenieure neun scheiben­förmige Strahlungsquellen, die das künstliche Isotop enthielten (ein Alphastrahler mit einer Halbwertszeit von 18.1 Jahren, welches von Rußland zur Verfügung gestellt wurde), ringförmig angeordnet. Beim radioaktiven Zerfall des Curiums entstehen schnelle Alphateilchen , die auf die jeweilige Probe gerichtet werden.




Aufnahmen der unmittelbaren Umgebung des Landeortes von Mars-Pathfinder, aufgenommen mit der Kamera des Landers. Der erste Eindruck, den die vielen herumliegenden Gesteine machen, ist der, daß sie von ihrer Struktur her vulkanischen Ursprungs sein müssen. Ihre Anordnung und Verteilung ist mit der Hypothese verträglich, daß sie einmal angeschwemmt und abgelagert worden sind. Quelle NASA, JPL


  • Treffen die Alphateilchen auf Atomkerne, dann ändern sich ihre Flugrichtung und ihre kinetische Energie. Der Vorgang, der dafür verantwortlich ist, nennt man Streuung. Aus der Energieverteilung der Streustrahlung (die im Spektrometer gemessen wird) läßt sich nach entsprechender Auswertung auf die Anzahl und die Masse der streuenden Atomkerne schließen, wobei die besten Ergebnisse bei relativ leichten Elementen wie Kohlenstoff C, Stickstoff N und Sauerstoff O erzielt werden.

  • Die energiereichen Alphateilchen können aber auch direkt aus den Atomkernen Protonen herausschlagen, die sich mit dem Spektrometer nachweisen lassen. Elemente wie Natrium Na, Silizium Si, Aluminium Al, Magnesium Mg und Schwefel S lassen sich auf diese Weise detektieren. Da eine derartige Wechselwirkung zwischen Alphateilchen und den genannten Atomen der Probe nur sehr selten stattfindet, waren für derartige Messungen lange Expositionszeiten notwendig.


  • Es kann aber auch passieren, daß die Alpha-Teilchen die innersten, besonders stark gebundenen Elektronen schwerer Elemente (d.h. schwerer als Natrium Na) herausschlagen. Das initiiert eine Elektronenkaskade (d.h. die in die durch die Alpha-Strahlung erzeugte „Löcher“ fallen Elektronen aus den Außenschalen und füllen sie wieder auf), die mit der Emission einer für das jeweilige Element charakteristischen Röntgen­strahlung einhergeht. Wenn man diese Röntgenstrahlung spektroskopisch untersucht, kann die Elementezusammen­setzung einer Gesteinsprobe sehr genau bestimmt werden.

Der Meßkopf des APXS enthält neben den genannten Strahlungs­quellen Nachweisgeräte für Alphateilchen, Protonen und Rönt­genstrahlung, wodurch eine qualitative und quantitative Be­stimmung der Elementezusammensetzung der meisten Elemente in einem Gestein möglich wurde. Nur H und He ließen sich damit nicht nachweisen.

Ergebnisse
Nach unerwarteten Anfangsschwierigkeiten, die sich aber durch eine Nachkalibrierung der ersten beiden genannten Meßver­fahren beheben ließen, konnte über drei Monate hinweg eine sehr erfolgreiche Meßkampagne gestartet werden. Als Erstes wurde der überall omnipräsente rötliche Marsstaub untersucht. Das recht eindeutige Ergebnis war, daß sich dessen chemische Zusammensetzung von der Zusammensetzung des Staubes aus dem Bereich der Viking-Lander so gut wie nicht unterscheidet. Lediglich geringe Variationen im Schwefelanteil konnten ge­funden werden. Daraus läßt sich schließen, daß der auf der Marsoberfläche reichlich vorhandene Feinstaub durch die regel­mäßig saisonal auftretenden globalen Staubstürme gleichmäßig durchmischt und zumindest in den äquatorialen Zonen in chemisch sehr homogener Form abgelagert wird. Geht man davon aus, daß es derartige Staubstürme schon seit sehr langer Zeit gibt, so ist die beobachtete gleichförmige chemische Zusammensetzung der Oberflächenschichten des Mars ohne weiteres verständlich.

Zusammensetzung des Marsstaubes Der Marsstaub enthält nach den Messungen mit dem Sojourner-APXS viel Eisen und Magnesium, aber auch Aluminium und Calcium. Daneben wurden beträchtliche Mengen von Schwefel und Chlor gefunden. Das Element Kalium war dagegen nur in Spuren nachweisbar. Diese Zusammensetzung läßt sich als Verwitterungsprodukt von sogenannten mafischen, d.h. magne­sium- und eisenreichen Gesteinen vulkanischen Ursprungs inter­pretieren. Schwefel und Chlor stammen wahrscheinlich aus der Einwirkung von vulkanischen Exhalaten auf mafische Gesteine, was bekanntlich zur Entstehung von Sulfaten und Chloriden führt (größere Sulfatformationen (Gips) konnten mittlerweile durch Mars Express aufgefunden werden). Die folgende Tabelle gibt die Elementehäufigkeiten (wie in der Geologie üblich, in Oxide umgerechnet) für den typischen Marsstaub an der Mars Pathfinder-Landestelle wieder.



Individuelle Steine an der Landestelle Der erste Stein, der vom APXS genauer inspiziert wurde, war „Barnacle Bill“. Seit der Viking-Mission ist es Tradition geworden, einzelne auffällige Steine in der Umgebung der Landeplätze mit Namen zu versehen, um sie in wissenschaftlichen Veröffent­lichungen einfacher benennen und unterscheiden zu können. Es gibt dafür keine Regeln, außer der, daß die Namen eindeutig sein müssen. „Barnacle Bill“ kommt z.B. in einem bekannten Folk Song vor „... said Barnacle Bill the Sailor“. Und „Barnacle Bill“ war gleich eine große Überraschung, denn die Analysen zeigten eindeutig, daß es sich bei ihm um einen Andesiten handeln muß. Der Gesteinsbrocken ist demnach weit höher differenziert, als man es dem Roten Planeten zugetraut hätte.


 Links neben dem Marsrover Sojourner liegt der Stein „Barnacle Bill“ im Marsstaub, welcher mittels des Alpha-Proton-Röntgenspektrometers genauer untersucht wurde. Dabei hat sich herausgestellt, daß es sich um ein komplexes Krustengestein, um einen  Andesiten handeln muß. Quelle NASA, JPL

Da auf der Erde andesitische Gesteine hauptsächlich im Bereich von ozeanischen Rücken vorkommen (Island besteht zu einem großen Teil aus diesem feinkörnigen Ergußgestein), nährte das kurzzeitig die Hypothese, ob es nicht auch auf dem Mars einmal so etwas wie Plattentektonik gegeben haben könnte. Diese Frage läßt sich jedoch bis heute noch nicht zufriedenstellend be­antworten, obwohl es im Bereich des Terra Sirenum und des Terra Cimmeria in Form von spezifischen Magnetfeldanomalien durchaus indirekte Hinweise dafür gibt. Wenn in der Marsver­gangenheit einmal plattentektonische Prozesse (Rifting, Subduk­tion) stattgefunden haben sollten, so muß das jedenfalls vor mehr als 3.5 Milliarden Jahren gewesen sein.


APX-Spektrum von Barnacle Bill sowie des Materials einer kleinen Sanddüne mit dem Namen Mairmed. Man beachte die logarithmische Skalierung der Ordinate. Quelle MPIC

Ein weiterer, sehr prominent gewordener Gesteinsbrocken ist Yogi (-bär). Es handelt sich dabei um einen feinkörnigen, homogenen Basalt. Man vermutet, daß er seine relativ kanten­lose, gerundete Form und seine glatte Oberfläche durch die Einwirkung von fließendem Wasser erhalten haben könnte. Die unmittelbare Nachbarschaft von zwei Gesteinsbrocken völlig unterschiedlicher mineralogischer Zusammensetzung erhärtet diese These. Wasser hat bekanntlich die Fähigkeit, Gesteine weit weg von ihrem Ursprungsort zu transportieren. „Barnacle Bill“ und „Yogi“ sind deshalb ein starkes Indiz dafür, daß es sich bei Ares Valles wirklich um ein Ausflußtal (Outflow Channel) han-delt, welches in der Frühzeit des Mars durch eine katastrophale Flut ausgeräumt wurde.


Yogi-Rock ist ein magmatisches Gestein, dessen Zusammensetzung stark denen irdischer Basalte (z.B. den Columbia River-Basalten) ähnelt. Quelle NASA, JPL



Nächstes Mal: Fortsetzung Mars Pathfinder und Marsauto "Sojourner"

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