Dienstag, 13. März 2012

Essay: Fukushima - ein Jahr danach...




Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude!  Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.



Am heutigen Tag (11.3.2012) ist es genau ein Jahr her, als ein Teil der Ostküste von Japan von einem gewaltigen Erdbeben der Stärke 9 der (logarithmischen) Richterskala erschüttert wurde. Es verursachte eine Absenkung des Meeresbodens zwischen 40 und 120 cm im Küstenbereich, was einen gewaltigen Tsunami auslöste und dem die meisten Menschen, die vom Erdbeben überrascht wurden, letztendlich zum Opfer gefallen sind. Die Bilder sind aus dem Fernsehen wohlbekannt. Insgesamt wurden nach Angaben des USGS ca. 470 Quadratkilometer Land überflutet und die größte Wellenhöhe, die sich aus nachträglichen Messungen ergab, lag bei ca. 16 m. Die Opferzahl, die dieses Ereignis hervorgebracht hat, liegt nach offiziellen Angaben bei 15853 Personen. Immer noch vermißt werden 3282 Personen, so daß man von insgesamt etwas über 19100 Toten ausgehen muß. Ihnen wird heute in Japan landesweit gedacht. 

Erdbeben mit Tsunamis sind im pazifischen Raum - geologisch betrachtet - ganz normale Phänomene, die mit Plattenbewegungen, den damit verbundenen Erdbeben und manchmal mit Vulkanausbrüchen (z.B. Krakatau, 1883) zu tun haben. Die Ereignisse, die sie auslösen, sind so gut wie nicht vorhersagbar. Und wenn sie erst einmal eingetreten sind, ist auch die Vorwarnzeit vor einem möglichen Tsunami sehr gering oder die Warnungen gehen im normalen Chaos unter. Erdbeben, Vulkanausbrüche und Tsunamis gehören zu den nicht abstellbaren Lebensrisiken tektonisch aktiver Landstriche. Das scheint mir auch der Grund zu sein, weshalb die Opfer des Tsunamis des Jahres 2011 ab einen bestimmten Zeitpunkt (als die damit zusammenhängenden Probleme des Kernkraftwerks Fukushima-Daiichi bekannt wurden) in unserer Presseberichterstattung eine immer geringer werdende Rolle spielte. So entwickelte sich dieses traurige Ereignis zu einem Lehrbeispiel, wie Medien im Zusammenspiel mit sogenannten „Experten“ und meist unwissenden, aber immer lautstarken Politikern auf eine Weise Bevölkerungsmassen indoktrinieren können, das rational nicht mehr zu fassen ist. Ein lokales Ereignis auf der anderen Seite der Weltkugel hat die „German Angst“, die sonst eher ein Aushängeschild unserer Außenpolitik ist, zu einem Gemütsausdruck einer großen Zahl von Menschen gemacht mit dem Ergebnis, daß heute Deutschland eine weitgehend singuläre, zwar gut gewollte, aber bei näheren Hinschauen äußerst fragwürdige Energiepolitik verfolgt. Fragwürdig nicht in dem Sinn, daß große Katastrophen a la Fukushima hierzulande zu erwarten wären (was zu keinem Zeitpunkt jemals der Fall war), sondern daß wir auf dem Weg sind, eine sichere, verläßliche und damit für eine Industriegesellschaft lebenswichtige Energieversorgung leichtsinnig und unbedacht aufs Spiel zu setzen. Natürlich kann es gut gehen, aber die Frage ist auch – für welchen Preis? Aber dazu vielleicht einmal später mehr. Kehren wir zum Reaktorunglück von Fukushima zurück, welches die Welt mehr verändert hat als die über 19000 Toten des Erdbebens und des dadurch verursachten Tsunamis. 

Also was war die Ursache des „Super-GAU‘s“, die 4 der 6 Reaktorblöcke des Kernkraftwerks endgültig unbrauchbar gemacht haben? Das Erdbeben der Stärke 9 war es jedenfalls nicht. Während die Ortschaften um das Kernkraftwerk in Schutt und Asche lagen, haben alle diesbezüglichen Sicherheitseinrichtungen der Reaktoren richtig und wie geplant reagiert. Die bei Erdbeben vorgesehenen Schnellabschaltungen haben problemlos funktioniert und als durch umstürzende Strommasten die externe Stromversorgung zusammengebrochen war, schalteten planmäßig die Notstromdiesel an, welche die Kühlsysteme zur Nachwärmeabfuhr mit Strom versorgten. 

Mittelbar war es dann der Tsunami, der etwa eine Stunde zeitversetzt die eigentliche Katastrophe hervorgerufen hat. Er flutete die Dieselgeneratoren, von denen 12 der insgesamt 13 sofort durch Kurzschluß ausfielen. Und ab diesem Zeitpunkt nahm die Katastrophe ihren Lauf. 

Kanzlerin Merkel sprach damals von einem nichtvorhersagbaren Restrisiko, welches nur dadurch ausgeschlossen werden kann, indem man alle Kernkraftwerke abschaltet (übrigens genau in dem Sinn, daß es keine Verkehrstoten durch Kraftfahrzeuge mehr geben würde, wenn man alle Kraftfahrzeuge per Gesetz stillegen würde). Aber war der Tsunami wirklich die wahre Ursache für das Desaster, wo doch alle Sicherheitsvorkehrungen funktioniert haben, bevor das Wasser über die Tsunami-Schutzmauer schwappte? Wir wissen heute, daß das nicht der Fall war. Das „Restrisiko“ hätte bekannt sein müssen (und war es sicherlich auch, nur man hat sich darüber unverantwortlich hinweggesetzt). Die Katastrophe von Fukushima ist menschengemacht. Ihre Ursachen waren Ignoranz bei der Projektierung des Kernkraftwerks (warum mußte man die Notstromdiesel, die Luft zur Verbrennung brauchen, gerade im „Keller“ unterbringen, welcher leicht mit Wasser vollaufen kann?), bei der Dimensionierung der Tsunamischutzmauer (warum nur 5.7 m hoch wo man doch wußte, daß an Japans Küsten in der Vergangenheit schon doppelt so hohe Tsunamiwellen angelandet sind) und nicht zuletzt bei der Wahl des Standortes selbst (warum hat man es nicht auf eine Erhöhung oder weiter im Landesinneren erbaut?). Dazu kommt noch – und das hat sich besonders während des Unfalls und in der Zeit danach gezeigt – ein bis in die höchsten Führungsetagen offensichtlich völlig unfähiges und überfordertes Management der Betreiberfirma Tepco. 

Hier eine Literaturstelle, wo man sich objektiv über den Reaktorunfall informieren kann: 

http://www-pub.iaea.org/MTCD/meetings/PDFplus/2011/cn200/documentation/cn200_Final-Fukushima-Mission_Report.pdf

Das Ereignis von Fukujima-Daiichi hat etwas von den Geschichten, die Stefan Zweig in seinen „Sternstunden der Menschheit“ erzählt hat. Ohne Tsunami hätte es außer der Notabschaltung kaum weiteren Auswirkungen des Erdbebens auf das Kernkraftwerk und seine Umgebung gegeben und Fukushima wäre als leuchtendes Beispiel für die Sicherheit der Kernkraftwerkstechnik ausgiebig zitiert worden. Mit Tsunami nahm das Geschehen jedoch einen anderen Lauf. Es kam zu einer großflächigen Kontaminierung der Umgebung mit dem Ergebnis, daß einige Regionen rund um das Kraftwerk für einige Jahrzehnte als unbewohnbar gelten werden (was so nicht stimmt, s.u.). Auch muß man in Zukunft mit einer leicht angestiegenen Krebsrate (die sich nur ungenau quantifizieren läßt, s.u.) rechnen. Die Horrorszenarien, die zum Zeitpunkt des Unfalls von „Experten“ verlautbart und von der Presse über die in kerntechnischen Dingen im Schnitt nur wenig informierten Bevölkerung gekippt wurden („Strahlungshölle Fukushima“), sind jedenfalls weder eingetreten noch werden sie eintreten. Das ist keine Verharmlosung, sondern zeigt, daß man noch einmal Glück gehabt hat. Aber Glück sollte man nicht herausfordern. Alle bisherigen ernsten KKW-Unfälle (Three Mile Island, 1979; Tschernobyl, 1982; Fukushima,2011) sind auf menschliches Versagen (Bedienung, Auslegung, Reaktion auf den Unfall) zurückzuführen und keinesfalls einem Restrisiko zuzuordnen. Ein Restrisiko wäre z.B. wenn ein großer Meteorit eine Reaktor treffen würde und im bescheidenen Maße (da prinzipiell verhinderbar) ein terroristischer Anschlag. Erdbeben und Tsunamis gehören genaugenommen auch nicht zu dieser Kategorie, da man entsprechend gefährdete Gegenden bewußt meiden könnte. Zur Vermeidung eines inhärenten Restrisikos sind mit jeder neuen Erkenntnis die Auslegungsvorschriften zu ändern und entsprechende Abschaltungen oder Nachrüstungen durchzusetzen – also Dinge, die unabhängig von den Kraftwerksbetreibern durch nationale und internationale Gremien sicherzustellen sind. Wenn man zu der Überzeugung gelangt, daß Kernenergie prinzipiell nicht beherrschbar ist (wofür es m.E. nach einer entsprechenden Güterabwegung keine ernsthaften Begründungen gibt, aber man kann da durchaus anderer Meinung sein), dann muß die Konsequenz in einem geplanten, internationalen Ausstieg aus dieser Technologie liegen. Aber davon sind wir weit entfernt und dazu wird es auch in Zukunft nicht kommen, denn die Entwicklung von Kernkraftwerken wird – auch ohne Deutschland – von den großen Nationen Rußland, USA, GB, Frankreich, China etc. weiter forciert werden, da nur sie in der Lage sind – allen „erneuerbaren“ Energiemärchen zum Trotz – mit geringstem Flächenverbrauch und weitgehend ökologisch verträglichen Betrieb stabil genügend hohe Leistungen permanent zur Verfügung zu stellen. Auch das künstlich aufgebauschte Endlagerproblem wird sich in Zukunft sicherlich einmal lösen lassen. Denn wer weiß schon, ob die verbrauchten Brennstäbe in Zukunft nicht einmal als wertvolle Rohstofflager gelten werden, deren Inhalt in speziellen Brutreaktoren mittels des Prozesses der Transmutation (an der international intensiv geforscht wird – mit ersten ermutigenden Ergebnissen) in Energie und in kurzlebige Radionukleide (Halbwertszeiten in der Größenordnung von einigen 100 Jahren) umgewandelt werden kann. Und auch die Verwendung des im Vergleich zum Uran omnipräsenten Thoriums als Brennmaterial von KKW‘s der vierten Generation ist bereits ein Thema, das intensiv bearbeitet wird. Und zum Schluß soll noch auf die Kernfusion hingewiesen werden, deren Nutzbarmachung sich jedoch als äußerst schwierig erwiesen hat. Es zeigt sich aber auch, daß das Ziel eines funktionsfähigen Fusionskraftwerks bei entsprechenden Anstrengungen durchaus zu erreichen ist. Soweit man realistisch in die Zukunft sehen kann, ist damit aber wahrscheinlich erst im letzten Drittel dieses Jahrhunderts zu rechnen. In Deutschland wird von einigen „Grünen“ die Forschung auf diesem Gebiet bereits wieder in Frage gestellt, wahrscheinlich, weil das Wort „Kern“ in „Kernfusion“ in ihren Köpfen „Kernspaltung“ oder „Kernkraftwerk“ und damit „Tschernobyl“ oder „Fukushima“ assoziiert. 

Wie ist nun die gegenwärtige Lage im und um das Kraftwerk Fukushima? Nutzt man als Quellen nicht die deutsche politische Regenbogenpresse, sondern z.B. die Berichte von UNSCEAR (United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation), dann ergibt sich ein deutlich von der normalen Berichterstattung abweichendes Bild. So kamen eben in Wien 60 internationale Experten zu einem Kongreß zusammen, um über die Strahlenbelastung in und um das Kraftwerk Fukushima zu beraten und ihre Erkenntnisse auszutauschen. Da das, was sie zu berichten wußten, so gar nicht in das Konzept einer „Strahlenhölle“ zu passen schien, war über diesen Kongreß auch nicht sonderlich viel in den Mainstream-Medien zu lesen. 

Beginnen wir mit den eher beunruhigenden Dingen. Das Fukushima-Desaster ist lange noch nicht ausgestanden. Während die drei Reaktoren, die eine Teil-Kernschmelze erlitten haben, soweit heruntergekühlt sind, daß sie vordergründig kaum mehr eine Gefahr für die Umwelt darstellen, liegt gegenwärtig das Hauptproblem bei den Kernstäben, die sich in den Abklingbecken der Reaktorblöcke 3 und 4 befinden. Zwar sind sie gegenwärtig auch unter Kontrolle. Aber ein weiteres schweres Erdbeben könnte hier immer noch zu einer beträchtlichen Freisetzung radioaktiver Substanzen führen. Deshalb hat die „Evakuierung“ der Brennstäbe höchste Priorität. Man schätzt, daß diese Aktion ein bis zwei Jahre beanspruchen wird. Für die Dauer der endgültigen Sanierung des Unglücks-Kraftwerks werden von einigen Experten bis zu 40 Jahre veranschlagt. 

In den Tagen und Wochen, als man im Fernsehen die „Reaktoren“ explodieren sah (was so natürlich nicht stimmt – es waren Knallgasexplosionen, welche die äußeren Schutzbauten zerlegten) , wurden Hunderte, ja Tausende Strahlentote vorhergesagt. Viele schlichte Gemüter in der deutschen Bevölkerung assoziierten pressegesteuert die 20000 Tsunami-Toten mit diesen Explosionen. Manche deckten sich bar jeder Rationalität mit Jodtabletten ein und im Fernsehen wurde diskutiert, ob man wegen der „Strahlung“, die mit dem kontaminierten Wasser in den Pazifik gelangt ist, überhaupt noch Käpt’n Iglus Fischstäbchen essen kann… Dazu herrschte unter den Journalisten und „Spezialisten“ ein Wirrwar allein schon was die Maßeinheiten betraf, die zur Messung und Einschätzung der Wirkung radioaktiver Strahlung verwendet werden. Ob Bequerel, Sievert oder Gray – am Ende wußte niemand mehr, was man von den jeweils mitgeteilten Zahlen halten sollte außer daß es ganz, ganz schlimm sein muß. Nun ja. Seitdem hat sich wenig geändert. Offiziellen Zahlen, auch wenn sie von der UNO oder der IAEO stammen, werden mißtraut. Steht dagegen ein windiger Greenpeace-Funktionär vor der Kamera, der in seiner Jugend vielleicht mal ein paar Semester Soziologie studiert hat, und erklärt, daß Fukushima durch den radioaktiven Fallout eine lebensfeindliche Strahlungswüste geworden ist, dann neigt ihm mancher Bürger eher zu glauben. Das Eingangszitat des großen Königsberger Philosophen Immanuel Kant scheint langsam in Vergessenheit zu geraten. 

Also ich werde mich hier nur an Verlautbarungen halten, die von mit dem Thema beschäftigten Wissenschaftlern wie Prof. Dr. Wolfgang Weiss (Vorsitzender des UNO-Wissenschaftskomitees zu den Auswirkungen atomarer Strahlungen, UNSCEAR) gemacht worden sind: 

  1. Durch das Erdbeben und den Tsunami sind 15853 Menschen getötet worden, 3282 werden noch vermißt. Durch die Atomkraftwerks-Havarie in Fukushima sind bis heute, einem Jahr nach dem Ereignis, 0 Personen gestorben. 110 Arbeiter wurden während dieser Zeit mit mehr als 100 mSv, davon sechs mit mehr als 250 mSv bei einem Spitzenwert von 678 mSv bestrahlt. Niemand zeigt bis heute Anzeichen einer Strahlenkrankheit. 
  2. Durch die eingeleiteten Evakuierungsmaßnahmen wurde die Bevölkerung kaum gesundheitlich beeinträchtigt. Etwa 100000 Bewohner müssen auf ihre Lebenszeit hochgerechnet mit einer zur natürlichen Strahlungsbelastung hinzukommenden zusätzlichen Dosis von ca. 50 mSv rechnen. 
  3. Grob geschätzt gelangte ca. 10 % radioaktives Material verglichen mit Tschernobyl in die Umwelt, davon wurde auf Grund günstiger Winde ein großer Teil in Richtung Pazifik geweht. 
  4. Die größte Belastung stellte anfänglich radioaktives Jod dar (Halbwertszeit ca. 8 Tage). Nach einem Jahr ist es gänzlich verschwunden. 
  5. Die gegenwärtig vorhandene Bodenbelastung beruht zum größten Teil auf den Eintrag radioaktiven Cäsiums mit einer Halbwertszeit von ca. 30 Jahren. 
  6. Trotz düsterer Prophezeiungen war freigesetztes radioaktives Strontium und Plutonium nie ein Problem. Es konnte z.B. bis heute nicht geklärt werden, ob die gefundenen Nanospuren von Plutonium aus den Reaktorblöcken von Fukushima oder der Plutoniumbombe von Nagasaki stammen. 
  7. Was Lebensmittel betrifft, hat deren Belastung über die Monate hinweg stetig abgenommen und die tolerierbaren Grenzwerte werden nur noch selten überschritten. 
  8. Das bei der Kühlung der Reaktoren angefallene Kühlwasser, welches in den Pazifik gelangt ist, ist heute aufgrund des Verdünnungseffektes nicht mehr nachweisbar. 
Wer sich einmal die Mühe macht, die hier unter Punkt 1 und 2 angegebenen Strahlendosen mit natürlichen Strahlendosen zu vergleichen, wird mit der UNSCEAR übereinstimmen, daß das Strahlungsproblem – betrachtet man es in realo – von unerwartet geringer Bedeutung ist und es deshalb auch nicht unverantwortlich erscheint, daß der Teil des Sperrgebietes, in der die Belastung unter 20 mSv/a liegt, bis März 2014 wieder zu Besiedlung freigegeben wird. Das betrifft eine Fläche von ~300 km². Weitere 600 km², in der die Belastung zwischen 20 und 50 mSv/a liegt, sollen nach deren Kontaminierung in den nächsten 2 Jahren ebenfalls wieder freigegeben werden. Lediglich eine Fläche von 150 km² mit einer jährlichen Belastung oberhalb 50 mSv bleiben weiterhin – man schätzt maximal ein Jahrzehnt – gesperrt. Soviel zu den vielen Tausend Jahren Unbewohnbarkeit… 

Ohne Zweifel, radioaktive Strahlung ruft Krebs hervor. Ob es dazu kommt, hängt erst einmal nicht unbedingt von der Dosis ab. Denn bereits ein Alphateilchen kann theoretisch die Erbsubstanz einer Zelle soweit schädigen, daß Krebswachstum die Folge ist. Deshalb geht man in der Strahlenmedizin davon aus, daß es keine untere Schwelle einer schädlichen Belastung gibt. Aus diesem Grund kann man bei einem Einzelfall auch niemals mit Sicherheit sagen, ob der Krebsfall eine „natürliche“ Ursache hat oder durch die Einwirkung einer zusätzlichen radioaktiven Kontaminierung bedingt ist. Was man aber machen kann, sind Wahrscheinlichkeiten anzugeben, die das Risiko einer Erkrankung betreffen. Aus vielen Untersuchungen weiß man z.B., daß sich das Risiko im Alter an Krebs zu erkranken, bei einer zusätzlichen Dosis von 100 mSv, um ca. ein halbes Prozent erhöht gegenüber der Bevölkerungsgruppe, die dieser zusätzlichen Dosis nicht ausgesetzt ist. Das zu den Größenordnungen. Der US-Radiologe Fred Mettler (UNSCEAR) meint sogar, das sich das allgemeine Krebsrisiko in Japan durch Fukushima nicht erhöhen wird – und falls ja, ist es zu klein, um meßbar zu sein. Übrigens liegt das durchschnittliche Risiko, als Japaner im Laufe seines Lebens Krebs zu bekommen, bei ~40%. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, daß die Auswirkungen sehr geringer, über lange Zeit relativ konstanter Strahlungsdosen noch nicht genügend erforscht sind. Im Fall von Tschernobyl weiß man, daß es eine deutliche Korrelation zwischen der Aufnahme radioaktiven Jods 131 in der Jugend und dem Auftreten von (relativ gut behandelbaren) Schilddrüsenkrebs im Alter gibt. Ob das in Japan in vielleicht 40 Jahren mal zum Problem wird, ist jedenfalls umstritten, aber auch nicht gänzlich von der Hand zu weisen. 

Wie oft im Leben werden „Lebensrisiken“ von Menschen oftmals völlig falsch, wenn nicht sogar völlig irreal, eingeschätzt. Das sieht man deutlich an der Havarie von Fukushima. Die in den letzten 60 Jahren nachweislich durch „Kernkraftwerke“ bedingten Todesfälle liegen weit, ja sogar sehr weit unter der Zahl an Todesfällen, die im gleichen Zeitraum die zivile Luftfahrt („Fliegen“ ist mittlerweile statistisch gesehen die sicherste Fortbewegungsart für Menschen auf der Erde) zu verantworten hat. Warum Kernkraftwerke in einigen Ländern von einer durchaus großen Zahl ihrer Bürger abgelehnt werden, liegt daran, daß sie die von ihnen vermeintlich (oder auch real) ausgehende Gefahr einfach nicht objektiv einschätzen können. Radioaktive Strahlung sieht man nicht, schmeckt man nicht – man kann sie höchsten hören, wenn man einen Geigerzähler zur Hand hat. Viele Menschen würden sich nicht nur wundern, sondern es vielleicht sogar mit der Angst zu tun bekommen, wenn man mit solch einem Gerät einmal durch ihre Wohnung spazieren würde. „Krebsangst frißt Seele auf“, war vor kurzem im „Spiegel“ zu lesen. Da ist wirklich etwas dran. Hauptprobleme in gesundheitlicher Hinsicht sind sowohl in Tschernobyl als auch in Fukushima psychische Probleme, die mit dieser Krebsangst zu tun haben. Dagegen läßt sich auch mit Aufklärung nicht viel ausrichten. Es ist ohne weiteres nachzuvollziehen, daß Menschen, die ihre Heimat verloren und ihre Lebenswelt eingebüßt haben, an Streßsymptomen, Depressionen und anderen psychischen Problem leiden. Diese Leiden zu behandeln, wird für die japanischen Ärzte eine weitaus größere Herausforderung werden, als die (bis heute nicht vorhandenen) Strahlenkranken…

Noch was zum lesen... (siehe auch meine Top-Essays - Randleiste)

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