Sonntag, 18. März 2012

Planet Mars (37) - Marsatmosphäre IV

Staubteufel

Auf manchen hochauflösenden Fotos der Marsoberfläche sind dünne dunkle Spuren auszumachen, die sich über eine größere Entfernung erstrecken und die Tendenz haben, bestimmte Richtungen zu bevorzugen. Sie bilden auf der sandigen und staubigen Oberfläche ein Gewirr von Linien, deren Entstehung zuerst nicht klar war. 

Das änderte sich, als Mars Global Surveyor mit seiner Kamera die Entstehung einer solchen linienartigen Struktur direkt beobach­ten konnte. Es handelte sich um eine - auf der Erde würde man sagen „Windhose“ - die über das flache Land raste und dabei die hellere Bodenschicht empor wirbelte, so daß entlang ihrer Bahn der dunklere Untergrund zum Vorschein kam. Dabei ist die Bezeichnung „Windhose“ für einige Exemplare auf dem Mars eher verharmlosend, denn diese schnell rotierenden Staubwirbel können eine Höhe von mehreren Kilometern erreichen und dabei ein Zerstörungs­potential entwickeln, die mit irdischen Tornados vergleichbar sind und sie in dieser Beziehung sogar um Einiges übertreffen können. Diese marsianischen Staubwirbel werden gewöhnlich als Staubteufel (dust devils) bezeichnet und sind in den Sommer­monaten in manchen Gebieten des Mars ein alltägliches Phänomen. Kleinere Exemplare konnten z.B. vom Marsrover „Spirit“, der im Gusev-Krater seine Arbeit verrichtete, in den Sommermonaten fast täglich beobachtet werden. 

Staubteufel entstehen immer dann, wenn sich bei hochstehender Sonne die Luftschicht dicht über dem Boden stark erwärmt und aufzusteigen beginnt (man spricht in solch einem Fall von einer in Bezug auf die Temperatur labilen Schichtung der Luftmassen, da sich bei nahezu Windstille die warme bodennahe Schicht mit der darüber liegenden kalten Schicht nicht durchmischen kann). Im Bereich des Gusev-Kraters ist diese Bedingung im Mars-Sommer gewöhnlich zwischen 10 Uhr und 15 Uhr Ortszeit (ein Marstag ist mit 24 Stunden und 39 Minuten nur 39 Minuten länger als ein Tag auf der Erde) erfüllt. Dabei entstehen kleine konvektive Warmluftblasen, die vertikal zu rotieren beginnen. Bläst jetzt ein kleiner Windstoß solch eine konvektive Zelle um, dann beginnt sie u.U. immer schneller horizontal zu rotieren, nimmt dabei Staub auf und es entsteht in einem sich selbstverstärkenden Prozeß eine vertikale, rotierende Säule - ein Staubteufel eben. Die antreibende Kraft ist dabei die heiße Luft im Zentrum, die eine Aufwärtsströmung bildet und - bei den größeren Exemplaren - Staub und Sand bis in mehrere Kilometer Höhe zu transportieren vermag. Der zentrale Bereich entspricht dabei erwartungsgemäß einem Druckminimum und die größten (horizontalen) Windgeschwindigkeiten werden an der Peripherie des Wirbels erreicht. 

Diese typische Signator konnten bereits die Meßgeräte der Carl Sagan Memorial Station (Mars Pathfinder) nachweisen.


Das Diagramm stellt den Verlauf des Luftdrucks über einen Zeitraum von ungefähr zwei Minuten dar und zeigt recht deutlich den Druckabfall um etwa 0.5% gegenüber dem normalen Luftdruck beim Durchgang der Windhose. 

Die folgende schematische Skizze zeigt, wie eine Trombe entsteht:


Außerdem konnten die Meßgeräte des Pathfinder-Landers sehr deutlich die wechselnden Windrichtungen bemerken, die sich aufgrund der Rotation des Wirbels ergeben.


Die dunklen, immer breiter werdenden Streifen auf diesem hochauflösenden Foto der Marsoberfläche stellen die Spuren kleiner lokaler „Tornados“, den sogenannten „dust devils“ dar. Quelle NASA

Besonders nachhaltig wirkt sich der Effekt der Drehimpuls­erhaltung bei der Entwicklung einer sich drehenden Trombe (wie man solche Phänomene in der Meteorologie nennt) aus. Ausgangsparameter sind die Rotationsgeschwindigkeit und die Rotationsfläche, gemessen an der Basis. Durch das Strecken der rotierenden Luftsäule aufgrund der aufsteigenden Luftströmung im Zentrum verringert sich die Rotationsfläche bzw. dessen Radius. Das führt wegen der Drehimpulserhaltung zu einer Vergrößerung der Rotationsgeschwindigkeit der Luftsäule und somit auch der Geschwindigkeit der einströmenden Luft. 

Die stärksten dust devil, die man bisher auf dem Mars beobachten konnte, erreichten am Marsboden einen Durch­messer von mehreren Hundert Metern und eine Höhe von mehreren Kilometern. Sie sind ungefähr 10 mal stärker als die stärksten bekannten irdischen Tornados (die aber auf eine völlig andere Art und Weise entstehen) und sind damit in der Lage – quasi wie Riesenstaubsaugers - riesige Mengen Lockermaterial entlang ihres Weges abzutragen. Man kann ihren Durchmesser anhand ihrer zurückgelassenen Spuren und ihre Höhe an der Länge ihres Schattens bestimmen, wie folgende MGS-Aufnahme von 1999 zeigt:


Anhand des Schattens kann man einige Parameter von „Staubteufel“ bestimmen, z.B. deren Durchmesser und die Höhe, in die sich erstrecken. Quellle NASA 

Irdische Staubteufel können außergewöhnlich große elektrische Ladungen - und damit verbunden - Magnetfelder aufweisen. Sie erhalten ihre Ladung von dem aufgewirbelten Staubkörnchen unterschiedlicher mineralogischer Zusammensetzung, die an­einander reiben und dabei Ladungen freisetzen.



Zwei kleine Staubteufel, die über den Gipfel des Husband Hill‘s rasen, aufgenommen von der Kamera des Mars-Rovers Spirit. Solchen dust devils ist es zu verdanken, daß sich die Stromversorgung der Mars-Rover ab an wieder verbessert hat, in dem sie absorbierenden Staub von den Solar­panels weggeblasen haben. Auf der Erde sind ähnliche „Tromben“ lokal nicht selten. Selbst in Deutschland kann man sie an heißen Sommertagen über abgeernteten Feldern ab und an beobachten. Quelle NASA 

Ähnliches beobachtet man auch, wenn man z.B. Bernstein an einem trockenen Tuch reibt. Kleinere Staubteilchen haben die Tendenz, sich negativ aufzuladen während größere Sandkörn­chen eher positiv geladen sind. Da die aufsteigende, zentrale Säule aus heißer Luft, die den Staubteufel antreibt, den negativ geladenen Staub nach oben transportiert und die schwereren, positiv geladenen Sandkörner nahe am Boden läßt, werden die Ladungen getrennt. Auf diese Weise wird ein elektrisches Feld mit einer Stärke von bis zu 20 kV/m erzeugt Einen ähnlichen Effekt erwartet man auch auf dem Mars. Wenn vielleicht auch nicht die Feldstärken irdischer Tromben erreicht werden, so kann doch der Betrag der Energie, der im elektrischen Feld eines großen Staubteufels gespeichert ist, durchaus um einiges größer sein. Deshalb ist es möglich, daß die dust devils die Elektronik von Marslandegeräten durchaus ernsthaft beeinträchtigen können obwohl ihr anderer Effekt - nämlich das Wegblasen von Staub von Sonnenkollektoren - beispielsweise. mitgeholfen hat, die Lebensdauer der Marsrovern Spirit und Opportunity wesentlich zu verlängern.


Nächstes Mal: Die Marsatmosphäre V - Wolkenbildung und Niederschläge

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