Mittwoch, 4. April 2012

Planet Mars (39) - Biosphäre?

Biosphäre

Die Frage, ob es auf dem Mars leben gibt oder ob es auf diesem Planeten einmal Leben gegeben hat (d.h. als dafür die Bedingungen noch günstig waren), ist immer noch unbeantwortet und damit spannend (2012). So gesehen erübrigt es sich eigentlich, etwas über die Biosphäre des Mars zu berichten. Anderseits gibt es auf der Erde Lebensformen, die an wirklich extremste Umweltbedingungen angepaßt sind. Diese speziellen Formen von Archaebakterien werden deshalb auch als „Extremophile“ bezeichnet. Einige Arten davon können jeden­falls unter heutigen Marsbedingungen durchaus gedeihen und sich sogar vermehren, wie eine ganze Reihe von Experimenten gezeigt hat. Und einige davon haben es, so verrät es die Statistik, ihren Weg zum Mars mit hoher Sicherheit geschafft – als blinde Passagiere der Landesonden, die wir zum roten Planeten geschickt haben... Unabhängig davon sind z.Z. noch alle Mutmaßungen über marsianisches Leben reine Spekulation. Wenn es aber im Sonnensystem außer auf der Erde doch noch irgendwo Leben geben sollte, dann ist der Mars ohne Zweifel die erste Adresse dafür. Aus diesem Grund war es ganz natürlich, daß man (wie bereits berichtet) die ersten Marslander, die Mitte der 70ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Marsoberfläche erreichten (Viking 1 und 2), mit ausgeklügelten Experimenten ausgestattet hatte, um zumindest einen Hinweis auf außer­irdisches Leben zu finden. Die Ergebnisse waren leider indifferent und im Lichte der Erkenntnisse jener Zeit auch nicht vernünftig interpretierbar, so daß diese Bemühungen leider nicht von Erfolg gekrönt waren. Die Folgemissionen waren nur mittelbar der Lebenssuche gewidmet (z.B. Phoenix 2008), da man der Meinung war, daß man erst einmal die Bedingungen der Marsoberfläche, insbesondere in Hinsicht auf die Präsenz von Wasser, erkunden muß, bevor man gezielt dort nach „Mikroben“ suchen kann. 

Marsmeteorit ALH 84001
Besondere Aufmerksamkeit auch außerhalb der wissenschaftlichen Community erregte die 1996 bekanntgegebene Ent­deckung von vermeintlichen Lebensspuren in einem Meteoriten aus der Antarktis (Allan Hills 84001), der zweifelsfrei vom Mars stammte (B.Clinton, 1996). Es handelt sich dabei um einen kataklastischen (bruchdeformiertes) Orthopyroxenit, der entsprech­end seines Bestrahlungsalters vor ca. 15 Millionen Jahren den Mars bei einem Impakt verlassen haben muß. Vor etwa 13000 Jahren ist er dann im Eis der Antarktis gelandet, wo er dann auch prompt 13000 Jahre später bei der systematischen Absuche der Blaueisfelder um die Allans Hills aufgefunden wurde. 

Bei der elektronenmikroskopischen Untersuchung fielen David S. McKay und seinen Mitarbeitern längliche Strukturen im Nanometer-Bereich auf, die verblüffend (bis auf ihre zu geringe Größe) irdischen Bakterien ähnelten. Heute ist diese Deutung weitgehend umstritten und nur noch sehr wenige Wissenschaftler, die sich mit dieser Materie beschäftigt haben, gehen davon aus, daß man es mit fossilierten „Marsbakterien“ zu tun hat. Wenn es sich wirklich um Mikrofossilien handeln sollte (was in keinster Form klar ist), dann handelt es sich eher um Verunreinigungen irdischen Ursprungs (man hat vor einiger Zeit auf der Erde sogenannte „Nanobakterien“ entdeckt, die von ihrer Länge her passen würden). Auch gibt es mittlerweile sicherlich ein halbes Dutzend „anorganische“ Erklärungsmodelle für die von McKay gefundenen Nanostrukturen. Auch die Entdeckung von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAH, Polycyclic Aromatic Hydrocarbons) im gleichen Meteoriten ist kein Beweis für außerirdisches Leben, obwohl diese Stoffe häufig beim Zerfall von Bakterien entstehen.

Mars-Meteorit ALH 84001,0, der am 27. Dezember 1984 im Bereich der Allan Hills (Victoria Land, Antarctica) aufgefunden wurde und der zweifelsfrei vom Mars stammt. Quelle USGS


In genau einer Probe von ALH 84001 glaubte man 1996 erste Spuren außerirdischer Lebewesen in Form von „Nanobakterien“ gefunden zu haben – eine Deutung, die heute kaum noch ernsthaft vertreten wird. Quelle NASA

Da man weiß, das Leben auf der Erde relativ schnell entstanden ist (innerhalb von wenigen 100 Millionen Jahren, nachdem die Umweltbedingungen dafür geeignet waren), gibt es auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß dieselben oder ähnliche bio­chemische Prozesse auch auf einem „feuchten“ und „warmen“ frühen Mars stattgefunden haben. Da sich aber anschließend die Umweltbedingungen relativ schnell verschlechterten (es wurde bekanntlich „trocken“ und „kalt“), dürften heute nur noch wenige ökologische Nischen auf dem Mars vorhanden sein, in die sich primitive Mikroorganismen zurückgezogen haben könnten. Das betrifft insbesondere die im Untergrund wasser(eis)reichen gemäßigten Breiten sowie die Polarregionen mit ihren permanenten Wassereiskappen. Glaubt man den Evolutionsbiologen, dann stehen die Chancen jedoch ziemlich schlecht, endemische Marsorganismen zu finden. Eher kann es sein, daß der Mars einmal in früher Zeit von der Erde „angesteckt“ wurde. Denn wenn ein Meteorit vom Mars auf die Erde gelangen konnte, dann ist sicherlich auch der umgekehrte Weg möglich. 

Methananomalie der Marsatmosphäre
Der 2003 gelungene Nachweis von größeren Mengen Methan in der Marsatmosphäre (Konzentration ca. 10 ppbv – parts per billion by volume) hat besonders unter den Astrobiologen zu einigem Aufsehen geführt. Dazu muß man wissen, daß dieses Gas auf der Erde vorwiegend biologischen Ursprungs ist, wobei die wichtigsten Methanbildner spezielle Bakterien sind. Um die heute in der Erdatmosphäre beobachtete Methankonzentration von ca. 1750 ppbv aufrechtzuerhalten (Methanmoleküle werden in der Atmosphäre kontinuierlich abgebaut, wobei die durch­schnittliche Lebensdauer eines Moleküls ca. ein Jahrzehnt beträgt), müssen pro Jahr über 500 Millionen Tonnen erzeugt werden. Auf dem Mars sind die Verhältnisse dagegen vollkommen anders. In der fast reinen Kohlendioxid-Atmosphäre ist Methan lediglich ein Spurengas. Dort überlebt ein Methanmolekül im Mittel rund 600 Jahre. Das bedeutet, daß bei einer stabilen Konzentration von 10 ppbv pro Jahr rund 100 Tonnen von diesem Gas neu entstehen müssen. Da stellt sich natürlich sofort die Frage nach der Natur der Methanquellen auf dem Mars. 

Weiterhin ist auffällig, daß die Methankonzentration nicht gleichmäßig über den Planeten verteilt ist, sondern saisonal regelrecht „Methanwolken“ auftreten. So konnten im nördlichen Sommer Methanschwaden detektiert werden, die bis zu 19000 Tonnen dieses Gases enthalten haben. In den Wintermonaten scheint dagegen die Methanfreisetzung zu stoppen. Offen­sichtlich spielt die Temperatur dabei eine gewisse Rolle. 

Vulkanismus, der auf der Erde ca. 0.2% der Methanmenge liefert, sollte nach heutigen Kenntnissen auf dem Mars aus­scheiden, da trotz genauester Fernerkundung keine Anzeichen eines aktiven rezenten Vulkanismus gefunden werden konnte. Eine weitere denkbare Methanquelle wäre der Eintrag durch Kometenkerne, die ab und an den Mars treffen. Das sollte aber keine saisonale Abhängigkeit zeigen. Vielmehr würde man in diesem Fall nur eine temporäre Anreicherung in der Marsatmo­sphäre beobachten und andere Erklärungsmodelle wären obsolet. Lokale Entstehungs- bzw. Freisetzungsmechanismen können die beobachtete Verteilung sehr viel besser erklären, wobei aber, und das ist der Knackpunkt, denkbare Mechanismen der Methanbildung nur sehr begrenzt sind. Es kommen genau genommen nur mikrobiologische und anorganisch-chemische Bildungsmechanismen in Frage. Seitdem man weiß, daß es im Marsboden relativ viel Wasser gibt, könnte ein spezieller geochemischer Vorgang, der als Serpentinisierung bezeichnet wird, des Rätsels Lösung sein. Die Zutaten, Wasser, Kohlendioxid und das Mineral Olivin (ein wichtiger Bestandteil vieler Vulkanite wie z.B. der Basalte) sind auf dem Mars reichlich vorhanden. Wenn Olivin (aber auch andere Minerale wie z.B. Amphibole oder Pyroxene) mit kohlesäurehaltigen Wasser in Kontakt kommen, dann wandeln sich die genannten Minerale im Rahmen einer exothermen Reaktion in weißliche Serpentine (das sind gesteinsbildende Schichtsilikate, die sehr viel Magnesium enthalten) um, wobei Wasserstoff freigesetzt wird. Die metamorphen Gesteine, die sehr viel von dem Silikat Serpentin enthalten, bezeichnet man als Serpentinite. Auf der Erde kann man ihre Entstehung im Bereich heißer untermeerischer Quellen, den sogenannten Black und White Smoker, beobachten. Der bei der Umwandlung freigesetzte Wasserstoff kann anschließend mit Kohlenstoff und einfachen Kohlenstoffverbindungen (Kohlenmonoxid, Kohlendioxid) reagieren und dabei Methan bilden. Man schätzt, daß pro Jahr ca. 80000 Tonnen Olivin umgewandelt werden müssen, um die heutige mittlere Methankonzentration in der Marsatmosphäre stabil zu halten. Das ist nicht soviel, daß es nicht möglich wäre. Das Problem ist eher die notwendige Präsenz von flüssigem Wasser. Auf jeden Fall gibt es aber durchaus Möglichkeiten, die Methanvorkommen auf dem Mars auch ohne methanbildende Mikroorganismen zu erklären. Um Leben auf dem Mars zu postulieren, braucht man stichhaltigere Beweise. 

Wenn das Methan in den Krustengesteinen gebildet wird, muß es irgendwie an die Planetenoberfläche gelangen. Solche Orte könnten z.B. Schlammvulkane sein, wie man sie auch von einigen Gegenden der Erde (z.B. Aserbaidschan) her kennt. In ihnen strömt methanhaltiger Matsch aus der Erdkruste an die Erdober­fläche. Dabei entstehen morphologische Strukturen, die wie Vulkane (mit Zentralkrater) aussehen. Und genau solche Strukturen konnten auf dem Mars in der Chryse-Tiefebene entdeckt werden (Komatsu, 2009). Ob sie noch aktiv sind (was durchaus möglich wäre), müssen zukünftige Untersuchungen klären. Wenn ja, könnten sie methanhaltige Gase an die Oberfläche befördern.



Methankonzentration in der Marsatmosphäre während des nördlichen Sommers. Die Methanwolken enthalten insgesamt bis zu 17000 t Methan. Quelle NASA




Die größten Methankonzentrationen wurden in Gebieten beobachtet (z.B. Nili Fossae, Teile von Syrtis Major), wo in ferner Vergangenheit einmal Wasser geflossen ist. Quelle NASA



Diese vom Mars Reconnaissance Orbiter aufgenommenen Objekte stellen mit hoher Wahrscheinlichkeit Schlammvulkane dar. Sie könnten große Mengen Methan freisetzen. Quelle NASA

Schlammvulkane auf dem Mars erscheinen auf dem ersten Blick etwas sehr exotisches zu sein, erfordert ihre Entstehung doch das „Aufquellen“ von sehr plastischem, d.h. wasserreichen Materials mit einer Konsistenz zumindest von der von Tonen. Es ist aber durchaus nicht von der Hand zu weisen, daß es in mehreren Kilometern Tiefe Bereiche mit warmen, flüssigen Wasser gibt, die Sedimentschichten durchsetzen. Wenn dieses feinkörnige, dick­flüssige Material durch Risse und Verwerfungen zur Oberfläche dringt, dann kann man erwarten, daß sich an den Austrittsstelen Schlammvulkane bilden. Und im gleichen Maße ist es möglich, daß sowohl anorganisch gebildetes Methan bzw. Methan, welches von methanbildenden Mikroorganismen stammt, in größerer Menge an die Oberfläche gelangt. Auch auf der Erde hat man Bakterien gefunden, die mehrere Kilometer unter der Erdoberfläche in den Poren von Gesteinen leben und sich völlig autotroph ernähren. Also, wenn einmal Leben auf dem Mars entstanden sein sollte oder eingetragen wurde (Panspermie), dann könnten es sich in wasserhaltige Schichten unterhalb der Marsoberfläche zurückgezogen haben. Denn dort sind sie von den gefährlichen kosmischen Einflüssen weitgehend geschützt. 

Methanal (Formaldehyd)
Methanal oder, wie dieser Stoff meist genannt wird, Formaldehyd, konnte auch in der Marsatmosphäre nachgewiesen werden (Peplow, 2005). Anfänglich hat man dies als ein Zeichen biologischer Aktivität gewertet (V. Formisano, 2005), heute ist man sich da nicht mehr so sicher. Auf jeden Fall ist Methanal dahingehend ein außergewöhnlicher Stoff, da er sehr schnell (innerhalb von 7.5 Stunden) in der Marsatmosphäre abgebaut wird. Um die vom Planetary Fourier Spectrometer der Sonde Mars Express gemessene Konzentration von ~130 ppb konstant zu halten, muß dieses Spurengas kontinuierlich aus einer noch unbekannten Quelle nachgeliefert werden. Chemisch wird Methanal durch Oxidation von Methan gebildet. Wie diese Oxidation im konkreten Fall unter Marsbedingungen stattfindet, abiotisch oder biotisch, ist aber weiterhin umstritten. Ein Teil könnte aus vulkanischen Exhalationen stammen. Nimmt man die Erde zum Vergleich, dann ist die Menge, die der Mars heute noch maximal jährlich emittieren kann, auf jeden Fall zu gering. Auch in die Atmosphäre eindringende Kometenkerne reichen dazu nicht aus. Deshalb ist die „biologische“ Erklärung auch lange noch nicht vom Tisch.

Nächstes Mal: Die Magnetosphäre

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