Freitag, 11. Mai 2012

Großmergthal (Marenice) in Nordböhmen


Aufnahme: Werner Schorisch, Zittau

Westlich des Limberges ist auf dem Gipfel des Kalvarienberges von Großmergthal die im Jahre 2010 neu errichtete kleine Kapelle zu erkennen

Unweit von der Ranch Malevil in Hermsdorf liegt im Tal des Zwitte-Baches das langgezogene Dorf Großmergthal. In seiner Umgebung finden sich einige interessante Wanderziele, die an die lange Geschichte dieses Ortes und seiner Bewohner erinnern. 

Wenn man von Hermsdorf kommend, am Fuße des Limberges vorbei, sich dem Ort nähert, erblickt man rechts den Kalvarienberg und links, als Dominate des Ortes, die im barocken Stil erbaute Kirche zu St. Maria Magdalena. Es lohnt sich durchaus unterhalb der Kirche einmal anzuhalten, um zuerst die mehrsprachige Hinweistafel und danach die Kirche selbst zu besichtigen.







Die Kirche und das zur gleichen Zeit erbaute Pfarrhaus sind in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Da ist zuerst einmal der berühmte Leitmeritzer Baumeister Antonio Octavio Broggio (1670-1742) zu nennen, der viele Kirchenbauten in Böhmen hinterlassen hat. Sein italienisch klingender Name ist dadurch bedingt, daß sein Vater, Giulio Broggio (1628-1718), selbst aus Italien kam, bevor er sich in Leitmeritz niederließ und von dort aus als Architekt eine große Anzahl von Bauvorhaben in Leitmeritz selbst und in dessen näherer und fernerer Umgebung (z.B. die Wallfahrtskirche in Oberpolitz, wo lange Zeit der Erzdechant „Hockewanzel“ wirkte) plante und leitete. Sein Sohn Antonio setzte die Arbeit fort und entwarf die Pläne für die zwischen 1714 und 1716 im Auftrag der Grundherrschaft Anna Maria Franziska, Herzogin der Toskana, erbaute Barockkirche, die eine ältere Kirche ersetzte. 


Auffällig ist die etwas ungewöhnliche Form der Kirche mit ihrem großen abgesetzten Hauptturm und ihren etwas unscheinbareren Nebenturm auf dem eigentlichen Dachgiebel. Wenn man die Treppe von der Straße aus hinaufsteigt, fällt neben dem links angesetzten Turm mit der großen Uhr besonders die Symmetrie der Vorderansicht mit den angesetzten Schmuckelementen (eine Heiligenstatuette in einer Nische oberhalb der beiden Fenster, das „Heilige Geist-Symbol“ zwischen dem zweiten und dritten Fenster) auf. An der Ostseite ist die Kirche von einem Kreuzgang umgeben, der in einer Kapelle endet. Darin befinden sich Grabsteine, die z.T. noch aus der Zeit der Vorgängerkirche stammen. Ihr heutiges Aussehen verdankt die Kirche einer grundlegenden Restauration in neuerer Zeit, nach dem in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts auch diese Kleinod und insbesondere die wertvolle Inneneinrichtung weitgehend verwüstet worden ist. Auch die beiden Kirchenglocken, die während des zweiten Weltkrieges eingeschmolzen wurden, sind wieder ersetzt. Heute zeigt sich das Innere in einer angenehmen schlichten Pracht. Das ursprüngliche Aussehen, geprägt durch den aus Holz modellierten Hochaltar mit dem Jesu-Bild sowie durch die reich geschmückte Seitenkanzel, ist aber für immer verloren gegangen. 

Die Kirche wurde über zwei Jahrhunderte von den Mergthalern und den Menschen der umliegenden Dörfer, die selbst keine Kirche besaßen (z.B. Oberlichtenwalde), zur sonntäglichen Messe, zu Kirchenfeiern, Hochzeiten, Kindstaufen und Grablegungen genutzt. Von diesen Orten führten spezielle Wege zu St. Maria Magdalena, die man als Kirchsteige bezeichnete. Auch gingen von dieser Kirche oft die Prozessionen auf den nahen, und später leider verwüsteten, aber nun wieder restaurierten Kalvarienberg, aus. Diesem wollen wir uns jetzt zuwenden. 


Um auf den Kalvarienberg (Křížový vrch) zu gelangen, müssen wir von der Kirche aus ein klein wenig die Straße entlang in Richtung Kleinmergthal wandern, wobei wir den kleinen Hügel links der Straße immer im Auge behalten. Da die neue Kapelle wie eine Landmarke aus dem Wald ragt, ist die Richtung nicht zu verfehlen. Etwas unterhalb der Einmündung der Straße aus Hermsdorf findet man links eine Brücke über den Zwittebach und dahinter gleich den Aufstieg, der früher einmal als Prozessionsweg auf den Gipfel mit den verschiedenen Kreuzwegstationen gestaltet war. 


In der ehemals weitgehend katholischen Gegend mit ausgeprägter Volksfrömmigkeit findet man allenthalben Zeugnisse des geistlichen Lebens der Vergangenheit. Wegkreuze, die erfreulicherweise nach ihrer sinnlosen Zerstörung nach dem Zweiten Weltkrieg jetzt nach  und nach wieder aufgebaut werden, kleine Kapellen mit Heiligenbildern und Heiligenfiguren, heute oftmals wieder mit einem obligatorischen Blumenstrauß geschmückt, Mariensäulen (z.B. bei Glasert) und natürlich auch Kalvarien wie in Zwickau oder Sankt Georgental gibt es überall im Lausitzer Grenzgebirge.



Ein Kalvarie ist bekanntlich eine idealisierte Nachbildung der Passionsgeschichte Jesus, die über mehrere Stationen oftmals auf dem Gipfel eines Berges mit einer Kreuzigungsgruppe und Kapelle endete. In Nordböhmen kamen sie hauptsächlich zur Zeit des Barocks auf, wo sie größere Gemeinden gern auf ihrem „Hausberg“, der dann auch gleich „Kalvarienberg“ genannt wurde, errichteten.

Der Passionsweg auf den Kalvarienberg in Großmergthal wurde bereits um 1681 angelegt und die damals erbaute Kapelle 1750 im barocken Stil erweitert. Sie war über eine kleine in den Felsen gehauene Treppe zugänglich und hatte die Form einer kleinen Kirche mit Glockenturm. Davor standen eine Säule mit Kreuz sowie einige Skulpturen von Heiligen und Engeln. In die Felsen der Umgebung hatten außerdem einheimische Künstler Reliefs eingearbeitet, von denen heute nur noch Spuren vorhanden sind. Die Kapelle selbst war bis vor wenigen Jahren eine Ruine inmitten eines groben Steinhaufens. Man konnte ihr ihren alten Glanz nicht mehr ansehen. Und man konnte auch nur erahnen, wie über fast zweieinhalb Jahrhunderte hinweg jedes Jahr die Menschen der umliegenden Dörfer zu Ostern in feierlicher Tracht den Berg erstiegen, um hier gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Das hat sich jetzt aber geändert - die kleine Kapelle wurde von Grund auf neu errichtet und ihr ziegelrotes Dach ist weit zu erkennen. Sie wurde am 19. Juni 2010 feierlich eingeweiht.




Aufnahme: Werner Schorisch, Zittau


Hinter dem Kalvarienberg gab es bis Kriegsende ein kleines, aber feines Freibad. Es wurde leider zugeschüttet. Heute befindet sich an dieser Stelle eine Gartenanlage. Vom Bad selbst gibt es keine Spuren mehr.

Großmergthal wurde, wie viele der Dörfer in der Umgebung auch, in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts gegründet. Ihr ursprünglicher Name war Marzenic, wie man es aus einer erhalten gebliebenen Urkunde von 1372 entnehmen kann. Es handelt sich um ein typisches Waldhufendorf, welches von den damaligen Lokatoren entlang eines Bachlaufs (der Zwitte) aus dem Urwald herausgeschlagen wurde. Die Menschen betrieben in erster Linie Waldbau, Landwirtschaft, das Sammeln von Wildhonig (Zeidlerei) und in späteren Zeiten Bergbau (einige noch erhaltene Eisenerzschürfstellen erinnern daran) sowie besonders im 18. und 19. Jahrhundert Hausweberei. Heute gehören die meisten Häuser Auswärtigen, die sie als Wochenendhäuschen nutzen. Für den Radtouristen sind insbesondere die Gaststätten interessant, die im Sommer zu einem kühlen Bier einladen. Eine davon (Drei Linden) befindet sich im Oberdorf an der Kreuzung nach Oberlichtenwalde bzw. Glasert und zwar genau vor der Brücke über die Zwitte. 



Dort stehen auch drei auffällige, aus Sandstein herausgearbeitete Heiligenfiguren, die Jesus, den heiligen Wenzel und den heiligen Johann von Nepomuk darstellen. Sie wurden in den Jahren 1831 – 1833 von dem Bildhauer Josef Max (dem Jüngeren) hergestellt.





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