Durch den Umstand, daß man das Alter von Meteoriten radiochemisch absolut ermitteln kann, eröffnet sich die Möglichkeit der Datierung von Schlüsselereignissen in der Frühgeschichte des Sonnensystems. Die Genauigkeit, die durch die Verwendung verschiedener „Radioisotopen-Uhren“ dabei erreicht wird, ist schon erstaunlich und liefert damit auch Input in theoretische Modelle, die damit – zumindest was Zeitskalen betrifft – auf ihre Plausibilität geprüft werden können. Ausgangspunkt sind dabei in der Regel U-Pb-Pb-Datierungen, über die sich ein Anschluß zu Chronologien damals sehr zahlreicher, wegen ihrer Kurzlebigkeit aber heute quasi ausgestorbenen Isotope (wie z.B. 26Al und 53Mn), herstellen läßt. Was die genaue Verfahrensweise sowie die bei der Anwendung auftretenden Probleme betrifft, so soll an dieser Stelle lediglich auf die Fachliteratur (z.B. Holland, Turekian, 2003) verwiesen werden.
Die „ältesten“ identifizierbaren Objekte im Sonnensystem sind die Calcium- und Aluminium-reichen Einschlüsse (CAI’s), wie sie im NWA 2364-Meteoriten gefunden wurden. Ihr Alter wurde recht präzise auf 4.5682 Milliarden Jahre bestimmt und liegt damit nahe an dem Zeitpunkt, bei dem der Gravitationskollaps der Gas- und Staubwolke, der schließlich den abgeplatteten „Sonnennebel“ bilden wird, im wesentlichen beendet war und sich die ersten Planetesimale bildeten. Dieser Zeitpunkt wird gewöhnlich als „Beginn“ des Sonnensystems angesehen und soll deshalb im Folgenden als t=0 –Marke Verwendung finden.
In oder kurz vor diese Zeit muß auch eine „Injektion“ von kurzlebigen radioaktiven Nukleiden in den Sonnennebel erfolgt sein, da deren radioaktiver Zerfall wesentlich auf die thermische Entwicklung des frühen Sonnensystems Einfluß genommen hat. Dabei ist insbesondere das Aluminium-Isotop 26Al hervorzuheben.
Im Allende-Meteoriten wurden darüber hinaus auch noch weitaus ältere Bestandteile entdeckt, wie z.B. Mikrodiamanten und „präsolare Körner“, die man mit älteren Stadien der Sternentwicklung sowie mit einer Supernova-Explosion in Zusammenhang bringt und die etwas darüber verraten, wo und unter welchen Umständen sich die Sonne und das Sonnensystem vor rund 4.6 Milliarden Jahren gebildet haben.
Im Folgenden sollen einige zeitliche „Landmarken“ in der frühen Geschichte des Sonnensystems im Allgemeinen und der Erde (hadeanische und beginnende archaische Ära) im Besonderen angegeben werden, wie sie sich hauptsächlich aus der Datierung verschiedener Meteorite sowie aus theoretischen Überlegungen ergeben haben.
- Entstehung der Protosonne und Ausbildung einer protoplanetaren Scheibe aufgrund des Gravitationskollapses eines Teils einer interstellaren Gas- und Staubwolke. Modifizierung der Scheibe durch die stellare Umgebung und Injektion kurzlebiger radioaktiver Isotope durch einen Supernova-Ausbruch.
Unsere Sonne ist nicht einsam und allein aus einer kollabierenden Molekülwolke entstanden, sondern ihre Entstehung (und eine Vielzahl anderer Sterne im gleichen Raumgebiet) ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von einem massereichen Vorläuferstern einer Supernova (oder einer Supernova selbst) getriggert worden. Auf jeden Fall – und das belegen neuere Forschungen - hat eine nahe Supernova in der Frühgeschichte unseres Sonnensystems eine wichtige Rolle gespielt. Die entscheidenden Hinweise auf dieses Szenario (nachdem man einen Supernova-Ausbruch am Anfang unseres Sonnensystems schon längere Zeit vermutet hatte) ergaben sich aus der Analyse eines Meteoriten vom Typ „Kohliger Chondrit“ (CV3), der am 25. Juni 1983 bei der chinesischen Stadt Ningqiang den Erdboden erreichte (L.Leshin, 2005). Eine Analyse seiner Zusammensetzung brachte Überraschendes zum Vorschein: den Nachweis des Isotops 36S. Es entsteht beim Zerfall von Chlor-36, eines Isotops, welches gewöhnlich bei der Explosion einer Supernova entsteht. Zwar kann es theoretisch auch in unmittelbarer Nähe der Ursonne unter dem Einfluß ihrer Strahlung entstehen, da es aber mit dem Mineral Sodalith im Meteoriten vergesellschaftet war und dieses Mineral sich nur in sehr großer Entfernung von der Ursonne gebildet haben kann, erscheint die Supernova-Hypothese plausibler. Dazu kommt noch, daß bei einigen anderen kohligen Chondriten das Isotop 60Fe nachgewiesen wurde, welches nur im Innern äußert massiver Sterne (die am Ende ihres Lebens als Supernova explodieren) erzeugt wird.
Ein weiterer Baustein im „Supernova-Puzzle“ war die Entdeckung von mit dem Isotop 54Cr angereicherten Nanopartikeln im sogenannten Orgueil-Meteoriten (1894, Frankreich) und im berühmten Murchinson-Meteoriten (1969, Australien) – alle vom Typ „Kohliger Chondrit“ (N.Dauphas et.al. 2012). Auch dieses Isotop wird nur in den Vorläufersternen von Supernovae gebildet und bei deren Explosion in den kosmischen Raum suspendiert. Und solch ein Teilchenregen muß die in Kontraktion begriffene Gas- und Staubwolke oder die bereits ausgebildete protoplanetare Scheibe der Ursonne getroffen und durchsetzt haben. Das würde auch die relativ hohe Metallizität von [Fe/H]=0 relativ zwanglos erklären.
Aus diesen Befunden läßt sich folgendes denkbares Szenario für die Entstehung der Ursonne entwickeln: In einer massiven Molekülwolke entstehen durch Gravitationskollaps massereiche Sterne, die – aufgrund ihrer Masse - nur eine sehr kurze Lebensdauer (wenige Millionen Jahre) haben. Solch ein Stern baut um sich herum aufgrund seiner intensiven UV-Strahlung eine expandierende Blase heißen, ionisierten Wassersstoffgases auf, die, wenn sie kühleres Gas trifft, eine der Ionisationsfront vorauseilende Stoßfront ausbildet. Diese Stoßwelle komprimiert das kühle Gas, wobei u.U. das Jeans-Kriterium erfüllt wird und es auf diese Weise zu einer Welle von „Sterngeburten“ kommt.
Als Ergebnis entsteht ziemlich schnell als Resultat des Gravitationskollapses eine zentrale Verdichtung, aus der sich die Ursonne entwickelt sowie eine flache protoplanetare Scheibe. Bereits ~10^5 Jahre später erreichte die Ionisationsfront der HII-Region den Ort der Ursonne. Ab diesen Zeitpunkt prasselte die intensive UV-Strahlung des massereichen Nachbarsterns ungehindert auf die Scheibe, wodurch ihre äußeren, weniger dichten Teile erodierten und abdampften. Das, was dabei übrigblieb, hatte ungefähr die Größe unseres heutigen Sonnensystems.
Mittlerweile war aber die Entwicklung des leuchtkraftstarken und massereichen (~25 M⊙) „Sonnennachbarn“ soweit fortgeschritten, daß es zu einem Supernovaausbruch kam. Dessen Material erreichte ziemlich schnell die protoplanetare Scheibe (man schätzt, daß der Ausbruch in lediglich 0.6 bis 1 Lj Entfernung stattgefunden hat (F.C.Adams, 2010) und reicherte sie mit einer Vielzahl kurzlebiger Isotope an (Halbwertszeit <10 Millionen Jahre), deren spezifischen Zerfallsprodukte bis heute in kohligen Chondriten überlebt haben. Man kann davon ausgehen, daß dieser Vorgang einen großen Einfluß auf die weitere Entwicklung des „Ur-Sonnensystems“ inklusive der Planetenbildung genommen hat.
- Entstehung kilometergroßer Planetesimale, aus denen sich durch Akkretion die Gesteinsplaneten bzw. die Kerne der Gasplaneten gebildet haben.
Dieser Zeitpunkt, der sich äußerst genau mit einem Fehler von lediglich ± 2 Millionen Jahre datieren läßt, kennzeichnet den Beginn der Akkretionsphase der Planeten des Sonnensystems. Durch Radiodatierung konnte man ihn auf 4.5682 Milliarden Jahre anhand des Meteoriten NWA 2364 bestimmen, der im Jahre 1969 in Mexiko niedergegangen ist (A.Bouvier, M.Wadhwa, 2010). Möglich wurde diese Zeitbestimmung durch die Anwendung der U-Pb-Methode auf kalziumreiche Einschlüsse in diesen kohligen Chondriten. Zu diesem Zeitpunkt muß das Scheibenmaterial bereits mit kurzlebigen Isotopen, insbesondere 26Al, gleichmäßig durchsetzt gewesen sein.
- Beginn der beschleunigten Wachstumsphase der Planetenbildung (Runaway Growth) und Wachstum zu „Planetenembryos“ mit einer Größe von ~10^3 km.
Ab einer gewissen Größe protoplanetarer Körper wird deren Gravitationsanziehung wesentlich, was sich darin äußert, daß der Einfangquerschnitt für Kleinkörper immer mehr ihren geometrischen Querschnitt übersteigt, d.h. sie beginnen quasi auch Material aus ihrer weiteren Umgebung aufzusammeln – und zwar um so effektiver, je mehr Masse sie bereits akkumuliert haben. Das führt aber auch dazu, daß ihre Umgebung zusehend leer geräumt wird und am Ende der beschleunigten Wachstumsphase das weitere Wachstum bei Körpern von ungefähr Erdmondgröße stockt, einfach, weil nicht mehr genügend Material im gravitativen Einflußbereich vorhanden ist. Ab jetzt werden Kollisionen zwischen diesen „mondgroßen“ Planetenembryos für das weitere Wachstum wesentlich. Die Zeitskala für die beschleunigte Wachstumsphase dürfte bei ungefähr 10^5 Jahren liegen.
- „Große Kollisionen“ und Etablierung der terrestrischen Planeten.
Die Entstehung erdgroßer Planeten erfordert die wiederholte Kollision vieler „Planetenembryos“ innerhalb eines Zeitraumes von wenigen Millionen Jahren. Die Dynamik und damit auch die Zeitskalen dieser Prozesse sind nicht leicht zu modellieren, denn sie hängen von vielen und z.T. nur schwer einschätzbaren Parametern ab. Hier ist insbesondere die zeitliche Entwicklung der Gasdichte in der Scheibenebene am Ort der Planetenentstehung zu nennen. Verschiedene Modellrechnungen und Simulationen, die z.T. auf der Monte Carlo-Methode beruhen, ergaben am Beispiel des Sonnensystems Zeitskalen zwischen 10^6 und 10^8 Jahre für diesen Abschnitt der Planetenbildung, an deren Ende die völlige Aufschmelzung und stoffliche Differenzierung der Planetenkörper stand. Die besten Schätzungen gehen im Fall der Erde von einem Zeitrahmen zwischen 5 und 7 Millionen Jahre aus. Dabei ist der „letzte Akt“ dahingehend gut dokumentiert, da er die Bildung des Erdmondes durch die Kollision der Urerde mit einem etwa marsgroßen Protoplaneten (Theia) vor ~4.527 Milliarden Jahren einschließt (es soll aber darauf hingewiesen werden, daß einige neuere Untersuchungen der Isotopenzusammensetzung von Mondgestein sowie Gesteinen des Erdmantels nicht unbedingt mit diesen Szenario zusammenzupassen scheinen – eine Widerlegung der Theia-Hypothese stellen sie aber noch nicht dar. (J.Zhang et.al. 2012)). Damit war auch der völlige Verlust der „ersten Uratmosphäre“ der Erde verbunden.
Zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes mit Theia hatte sich bereits auf der Urerde ein Magmaozean ausgebildet und die stoffliche Differentation war zumindest schon teilweise abgeschlossen. Die „Energiequelle“ für diese globale Aufschmelzung ist sowohl im Zerfall radioaktiver Elemente als auch im Energieeintrag durch Masseakkretion aus der Umgebung bzw. der Kollision mit „Planetenembryos“ zu suchen. Inwieweit der „Mond-Impakt“ die Ausbildung des metallischen Erdkerns beeinflußt oder befördert hat, ist noch Gegenstand der Forschung. Auf jeden Fall läßt sich anhand der Datierung mit Hf-Isotopen abschätzen, daß die komplette Ausbildung eines Fe-Ni-Metallkerns im Fall der Erde rund 30 Millionen Jahre in Anspruch genommen haben muß (Halliday, 2004).
Wahrscheinliche Zeugnisse aus der Zeit der „Großen Kollisionen“ haben sich auch bei den anderen Gesteinsplaneten des Sonnensystems erhalten. Zu nennen ist der überdimensionierte Eisenkern des Merkurs, die langsame retrograde Rotation der Venus sowie die auffällige hemisphärische Dichotomie des Mars.
- Ausbildung des Erdmantels, Konsolidierung des Erdkörpers
Nach der Ausbildung des metallischen Erdkerns und eines sich verfestigenden Mantels ging die Akkretion wahrscheinlich noch eine Zeitlang weiter und der Mantel nahm weiteres chondritisches Material auf. Zugleich kühlte die Erde aus und verfestigte sich zusehends. Vor 4.404 Milliarden Jahren bildeten sich die ersten Zirkone, die damit die ältesten erhalten gebliebenen Minerale darstellen.
- Letztes Großes Bombardement (Late Heavy Bombardment)
Unter dem Einfluß der massereichen Gasplaneten (insbesondere Jupiter), die von ihrem Entstehungsort aus langsam in Richtung Sonne migrierten, gelangte im Zeitraum zwischen 4.0 und 3.8 Milliarden Jahren debris in das innere Sonnensystem und verursachte hier massive Einschläge auf der Oberfläche der gerade eine Kruste ausbildenden Planeten Mars bis Merkur sowie dem Erdmond. Auf der Erde haben sich jedoch keine geologischen Zeugnisse aus jener Zeit bis heute erhalten.
- Älteste irdische Krustengesteine
Die Erde ist der einzige Planet im Sonnensystem, der leichte, kontinentale Krustengesteine (hauptsächlich Granite) aufbauen und über Jahrmilliarden erhalten und erneuern konnte. Erdgeschichtlich läßt sich die Bildung saurer Gesteine bis in das Paläoarchaikum (~ 3.5 Ga) zurückverfolgen, wo entlang vulkanischer Inselbögen (Bildung saurer Magmen an den destruktiven Rändern von Mikroplatten) die ersten Kratone (die heute fest in die Kontinente eingebaut sind und die man gewöhnlich als „Grünsteingürtel“ bezeichnet) entstanden sind. Sie beherbergen die ältesten metamorphen Gesteine der Erde (Gneise und Amphibolite). Die Wichtigkeit von flüssigen Wasser für diese Entwicklung läßt sich prägnant in den Satz „Kein Wasser – keine Granite, keine Ozeane – keine Kontinente“ fassen. Das ist ohne Zweifel ein Alleinstellungsmerkmal der Erde im Sonnensystem, denn diese Form von Krustengesteinen findet man weder auf Mars noch auf der Venus. Und dieses „Alleinstellungsmerkmal“ bedingt noch eine weitere, für das Leben auf der Erde noch viel wichtigere „Einmaligkeit“ – die Plattentektonik, die zusammen mit dem globalen Kohlenstoffzyklus die Langzeitstabilität des Erdklimas trotz stetig steigender Sonnenleuchtkraft über die letzten 3.5 Milliarden Jahre gewährleistet hat.
- Einsetzen der Plattentektonik
Die tektonischen Platten der Erde sind mit einer mittleren Zeitskala von einigen 100 Millionen Jahren (Stichwort „Wilson-Zyklus“) in ständiger Bewegung. In den Spreizungszonen der mittelozeanischen Rücken wird ständig neuer Ozeanboden gebildet und an destruktiven Plattenrändern (Subduktionszonen) wieder in den Erdmantel entsorgt. Damit ergeben sich tektonische Kreisläufe, die das Antlitz der Erde ständig verändern. Während zu Beginn des Archaikums (~ 4 Ga) sich in großer Zahl erst einmal Mikroplatten bildeten, läßt sich deren Konsolidierung in relativ wenige Großplatten und damit das Einsetzen der modernen Form der Großplattentektonik („Kontinentaldrift“) anhand geochemischer Marker mittlerweile ziemlich genau in das Mesoarchaikum (~3.2 Ga) datieren (T. Naeraa, E.Hoffmann, 2012).
Die wahrscheinlich frühesten Lebensspuren sind ~3.4 Milliarden Jahre alt und stammen – wenn die Interpretation der Wissenschaftler stimmen sollte – von Schwefelbakterien. Indizien dafür glaubt man im Jahre 2010 in einer entsprechend alten Gesteinsprobe aus Westaustralien gefunden zu haben (M.Brasier, 2011).
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