Samstag, 20. Juli 2013

Das Böse ist immer und überall...

Der 4. August 1826 war ein großer Tag in Zittau - vergleichbar dem heutigen Spectaculum - denn über 30000 Leute weilten in der Stadt, in der so etwas wie eine fröhliche Volksfeststimmung herrschte, obwohl der Anlaß eher traurig war. Denn Christian Friedrich Helle aus Bertsdorf (* 2.2.1795) wurde an diesem Tag auf dem Rabenstein (der ehemaligen Zittauer Richtstätte) öffentlich enthauptet... Wie es dazu kam, kann man noch heute auf diesem Gedenkstein lesen: 


An
dieser Stätte
auf Joh. Chr. Eitlers Bauerguthe
ward
Marie Rosine Wagner,
weil Jacob Wahners Häusl. u. Tagarb.
in Bertsdorf u. weil. Fr. Anna Rosine gb.
Ansorge, 2te Tochter 2ter Ehe,
am
26. May 1825 Abends 7 Uhr
von ihrem Bräutigam
auf eine schauderhafte Weise
ermordet.
Alt, 22 Jahr. 6 Mon. 3 W. u. 1 Tag.

Und dieser "Bräutigam" - ein damals dorfbekannter Säufer (wir würden heute politisch korrekt eher "daueralkoholkonsumierender und dem Glücksspiel verfallender Mitbürger" sagen) mit Hang zum Jähzorn war der genannte Christian Friedrich Helle, Jahrgang 1795 und von Beruf "Dienstknecht". Er wollte jene Marie Rosine Wagner ehelichen,(nachdem er sie geschwängert und sie ein Kind von ihm bekommen hatte), aber die junge Dame hatte genug von dessen Sauftouren und davon, daß er das ganze Geld für das Aufgebot für Schnaps und Glücksspiel aufgebraucht hatte. Sie war immerhin so resolut, daß Sie eher ein Leben mit einem unehelichen Kind führen wollte, als diesen grobschlächtigen Kerl, der ihr öfters mal Prügel androhte und - wie man später berichtete - auch praktizierte, zu heiraten. Zwar versuchte er sie davon abzubringen. Aber während eines gemeinsamen Fußmarschs unter den Breiteberg (dort, wo früher die Querxe hausten) eskalierte der Streit und Herr Helle schnitt ihr - und wie man auf dem Gedenkstein noch heute lesen kann - "auf eine schauderhafte Weise" - die Kehle durch. Das war nicht fein. Er wurde natürlich sofort gefangen gesetzt und nach Zittau verbracht, wo ihm das dortige Hochgericht einen "Mord im Affekt" bescheinigte, was in der damaligen Zeit zu einer für den Delinquenten minder qualvollen und minder "schimpflichen" "Lebensstrafe" gereichte - hier zu einer Enthauptung mit dem Richtschwert. So kam es, daß Herr Helle - fein herausgeputzt und in Weiß gekleidet, in weißen Strümpfen und mit schwarzen Saumbinden am Rock, ein dunkles Halstuch sowie eine weiße Zipfelmütze tragend, am  4. August 1826 auf dem Richtplatz - dem sogenannten Rabenstein - (heute haben die Zittauer Stadtwerke das Areal okkupiert) erschien - um im Angesicht des zahlreich anwesenden Volkes und unter den tröstlichen Worten des damaligen Katecheten Martin Jentsch sein verpfuschtes Leben vom Scharfrichter zwangsweise beenden zu lassen. Es war übrigens die letzte öffentliche Hinrichtung in Zittau.


Für den Verlag, der die "Thomasischen Flugblätter" herausbrachte (auf ihnen wurde ausführlich über die Hinrichtung berichtet"), wurde das für den reuevollen Herrn Helle ach so traurige Ereignis ein großer geschäftlicher Erfolgt, konnte er doch über 16000 dieser der Warnung und moralischen Einkehr dienenden Flugschriften verkaufen... Auch eine Anzahl Gedichte wurden verfaßt, um insbesondere der Jugend das moralisch äußerst bedenkliche Verhalten des Delinquenten und den daraus sich zwangsweise ergebenden Folgen nahezubringen. Auch die schwarz gekleideten Herren auf den sonntäglichen Kirchenkanzeln hatten in dieser Beziehung noch Jahre hinaus Stoff für ihre einprägsamen Predigten.

Was aus dem Kind geworden ist, konnte ich leider nicht recherchieren. Das obige Bild stammt übrigens aus Carl Gottlob Moraweks "Geschichte von Bertsdorf bei Zittau" von 1867, welches man ab und an für 200 € aufwärts in einzelnen Antiquariats noch erwerben kann.


Das "Denkmal" steht übrigens genau am Abzweig nach Bertsdorf-Viebig (die Straße am Steinberg) der neu eröffneten Straße von Großschönau nach Olbersdorf quasi am Ende des Anstiegs.

www.wincontact32.de

2 Kommentare:

  1. Lieber Herr M.Scholz
    Danke für Ihre hilfreiche Recherche die kulturhistorisch ein Beitrag ist. Ich hätte mir nur gewünscht, daß der Ton im Artikel über den armen Teufel Helle etwas würdiger gehalten wäre. Ich glaube, keiner von uns kann ermessen, was in dessen Seele damals ablief und wie sehr er Opfer seiner Umgebung gewesen ist. Bewahr uns Gott davor, einander zu richten. Keiner von uns ist so engelsgleich, daß er das Recht dazu hätte. Bleiben wir also in Demut vor Gott, der allein zu richten hat und hüten wir uns davor einander zu schmähen, insbesondere die wehrlosen Toten. Gedenken wir der beiden als tragische Einheit. Verquickt und beiderseits tragisch zu Tode gekommen.

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  2. Werter Herr Scholz.
    wenn ich es nun erst 10 Jahre später lese, so mach ich doch die Augen auf:
    - der Hr. Eitler hieß richtig - Eifler; das "f" ist eine halbe Notenzeile tiefer
    - das erste "weil" - soll richtig "weil." sein - weiland, weil die Eltern bereits
    verstorben.
    KUWEPE

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