Dienstag, 9. September 2014

Ein Blick nach Niederschlesien und die Grafschaft Glatz – Teil 2

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz

Auf dem Weg in das Glatzer Land begegnen uns Stätten von hohem kulturellen Wert, vielleicht von Weltgeltung. Die Schlösserlandschaft des Hirschberger Tals wurde auf diesen Seiten bereits besprochen.

Zwei dieser Stationen könnte man als östliche Außenposten der touristischen Route Via Sacra bezeichnen, einer wirklich guten Initiative der Euroregion Neiße. In der Nähe von Landeshut (Kamienna Góra) befindet sich das Zisterzienser Kloster Grüssau (Krzeszów). Dieser monumentale Klosterkomplex zählt unter den Sakralbauten zu den international interessanteren ihrer Art, die wir gesehen haben.


Waren bei früheren Besuchen die Gebäude noch mit verschleiernden Gerüsten versehen, so erstrahlt der Gesamtkomplex nunmehr frei von aller Verhüllung. Die andere Station ist die Friedenskirche in Jauer (Jawor). Es ist ein beachtliches Fachwerkgebäude.


Ihre Schwesterkirche steht unweit von Jauer in Schweidnitz (Świdnica). Beide Kirchen stehen auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes. Im übrigen gibt es in der Nähe in Frankenstein (Ząbkowice Śląskie) einen schiefen Turm, der es durchaus mit dem berühmten Bruder in Pisa aufnehmen kann.

Ein Muss und auch mit einem Tagesausflug aus Deutschland erreichbar ist das Schloss Fürstenstein (Zamek Książ) bei Waldenburg (Wałbrzych). Es ist heute das drittgrößte Schloss in Polen und ebenfalls hervorragend saniert, auch hier sind die Gerüste gefallen. Sehenswert für die Freunde reinrassiger Pferde ist das benachbarte Gestüt.


Das Schloss Fürstenstein ist allerdings auch eng verbunden mit der dunklen Seite der deutschen Geschichte. Kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges begann man unter Regie der Organisation Todt, das Schloss als Führerhauptquartier auszubauen. In Verbindung mit dem Projekt Riese wurden gewaltige unterirdische Anlagen angelegt. Hinterlassenschaften des Projekt Riese sind im Eulengebirge zu besichtigen, ein beklemmendes Erlebnis.

Nachdem die Grafschaft Glatz an Preußen fiel, wurden hier strategisch wichtige Posten errichtet. Am bekanntesten ist die Festung Glatz (Kłodzko). Bei einer Besichtigung der Anlage kann man sich ein Bild von ihrer Bedeutung machen. In den napoleonischen Kriegen hielt die Festung unter Friedrich Wilhelm Graf von Götzen den Angriffen der Franzosen stand. Klaustrophobisch Veranlagte seien vor dem Besuch des unterirdischen Labyrinths der Festung gewarnt. Hier muss man schon mal den Kriechgang einlegen, im ungünstigsten Fall geht dabei das Licht aus. 

Eine weitere preußische Bastion in strategisch hervorgehobener Lage ist die Festung Silberberg (Twierdza Srebrnogórska) im Eulengebirge, die Friedrich II. zum Schutz gegen die Habsburger errichten ließ. Wirtschaftlich war diese Festung wohl ein Fehlschuss, denn strategisch hatte sie nie die Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Deshalb wurde sie nach 100 Jahren aufgegeben. 

Ein positives Beispiel für das Engagement des polnischen Staates zur Rettung des historischen Kulturgutes ist die Sanierung des wunderbaren Schlosses in Kamenz (Kamieniec Ząbkowicki). Schön wäre bei der Besichtigung ein fremdsprachiges Informationsblatt. Dann wüsste man vielleicht, wozu die Anlage nach Fertigstellung der Rekonstruktion dienen soll. Sehenswert ist auch die alte Zisterzienserabtei unterhalb der Schloßanlage. 

Dieser Beitrag kann nur wenige Informationen über und das Glatzer Land und die Umgegend liefern. Weitere Örtlichkeiten, wie die Wallfahrtskirchen Maria Schnee (Kościół piełgrzymkowy Matki Boskiej Śnieżnej) und Albendorf (Wambierzyce), der Kapellenberg in Grulich (Králíky/Tschechien) oder das Ortszentrum der Stadt Habelschwerdt (Bystrzyca Kłodzka), die Schädelkapelle in Tscherbeney (Czermna) und andere gehören mindestens auch zu den Sehenswürdigkeiten des Glatzer Landes, aber ein besonderes Augenmerk möchte ich doch noch auf den Ort Kreisau (Krzyżowa) legen. 

Eigentlich war unser letzter Besuch in Niederschlesien dem Begegnungszentrum zur Erinnerung an das Wirken des Kreisauer Kreises gewidmet, welches hier gemeinsam von Deutschland und Polen eingerichtet wurde. Eine kleine, aber ergreifende Ausstellung erinnert hier an das Wirken dieser Gruppe von Aufrichtigen aus allen gesellschaftlichen Schichten, symbolisiert durch den Sproß eines altehrwürdigen Adelsgeschlechts, Helmuth James Graf von Molkte.


Um Ihr tödliches Schicksal wissend engagierten sich die Mitglieder der Gruppe gegen das Unrechtsregime Hitlers, getragen vom humanistischen Geist und ohne dabei ihre Würde zu verlieren. Eine zweite Ausstellung erinnert an jene Kräfte, die sich in den 80-er Jahren in ähnlicher Weise gegen die kommunistischen Systeme auflehnten und diese in der Hoffnung auf eine neue Gesellschaft auch zu Fall brachten. Wer spricht heute sonst noch über diese Leute, ihr Engagement und ihre Visionen ?

Vor Jahren organisierten Schulen noch Gruppenfahrten nach Kreisau, um die Jugend mit den Idealen dieser Menschen und ihrer Bereitschaft, sich dafür einzusetzen, bekannt zu machen. Das heißt, ein Stück humanistisches Bildungsideal zu vermitteln. Gibt es diesen Terminus überhaupt noch ? Legen wir noch Wert auf diesen Typus Mensch, der selbst denkt, widerstandsfähig ist, seinen Überzeugungen treu bleibt und danach handelt ? Mir scheint, es mangelt an solchen Persönlichkeiten, gerade heute und in dieser Zeit. 



Klosterkomplex Grüssau






Friedenskirche Jauer





Friedenskirche Schweidnitz







Schiefer Turm in Frankenstein



Schloss Fürstenstein (Aufnahme Jacek Halicky)


Schlossanlage Fürstenstein




Blick von der Festung über die Stadt Glatz



Silberberg


Festung Silberberg




Schlossgarten Kamenz 2008





Zisterzienserabtei Kamenz




Schloss Kreisau und Begegnungszentrum







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