Dienstag, 18. August 2015

Leseprobe 9: Panoptikum interessanter Dinge und Begebenheiten



TB: Seite 59

Notre Dame de Paris und sein Glöckner
Im Jahre 1163 wurde der Grundstein für die Kathedrale Notre Dame de Paris gelegt und 1831 der berühmte Roman Victor Hugo’s (1802-1885) über das Zigeunermädchen Esmeralda und den Glöckner Quasimodo, welcher genau in dieser und um diese Kirche spielt, veröffentlicht. Die meisten werden dieses Werk des großen französischen Romanciers nur als Verfilmung kennen, was eigentlich schade ist. Denn der Roman entfaltet sogar in seiner deutschen Übersetzung eine unvergleichliche epische Wucht, die einem das Leben im spätmittelalterlichen Paris (1482) farbig und opulent vor Augen führt - verbunden mit einer spannenden, ineinander verwobenen Handlung unterschiedlichster Charaktere. Eigentlich sollte man beides kennen, den Roman und die wunderbare Verfilmung von 1956 mit Anthony Quinn als Quasimodo, der unvergleichlichen Gina Lollobrigida als Esmeralda und Alain Cuni als Claude Frollo. Das Leben in einer spätmittelalterlichen Stadt, war, soweit man nicht einer besser gestellten Kaste angehörte, meist beschwerlich und kurz. Die Lebenserwartung erreichte im Durchschnitt gerade einmal 35 bis 40 Jahre und war u. a. den schlechten hygienischen Verhältnissen geschuldet, die verheerende Seuchen (wie die Pest) begünstigten und auch zu einer hohen Kindersterblichkeit führten. Also alles Faktoren, die in Verbindung mit einer für die meisten kaum erschwinglichen medizinischen Versorgung, schwerer körperlicher Arbeit, häufigen kriegerischen Auseinandersetzungen und schlechter Ernährung zu einem frühen Tod führte.

Der Tod im Mittelalter

Und der Tod verlor im Mittelalter seine heitere, epikureische Form und wurde zu einem Schrecken mit folgender Verdammnis, Fegefeuer und Höllenqualen, die ihrer theologischen Bedeutung beraubt, zu einer realen und jedermann vorstellbaren Tatsache wurde, der man nur durch einen entsprechenden gottgefälligen Lebenswandel entkommen konnte. Kurz gesagt, das Ziel des mittelalterlichen Lebens war ein rechtes Sterben (bona mors). Denn der Tod konfrontierte den Christenmenschen ganz direkt mit der Frage nach Verheißung oder Verdammnis, wobei die mittelalterliche Kirche in den Verdammnisbeschreibungen stark (man denke nur an das „Jüngste Gericht“ von Hieronymus Bosch (1450-1516) oder Dantes „Commedia“) und in den Himmelsvisionen erstaunlich schwach war. Die Schrecken wurden dabei noch genährt von den Eindrücken, welche die wie aus dem Nichts erscheinenden großen Seuchen (z. B. die Pestwellen des Spätmittelalters) in den Seelen der Menschen hinterließen, die Schrecken der Kriege oder den sehr direkten Empfindungen, wie man sie in jener Zeit relativ oft bei Ketzer- und Hexenverbrennungen gewinnen konnte. Die größte Angst des mittelalterlichen Menschen bestand deshalb darin, zu früh, noch im Zustand der Sündhaftigkeit, zu sterben (mala mors). Denn „Mors peccatorum pessima“ – der Tod der Sünder ist überaus schlimm. Deshalb bedeutete „Leben“ im Mittelalter sich ganz konkret auf den Tod vorzubereiten, denn nichts war schlimmer als ein plötzlicher Tod, ohne Absolution, letzter Ölung und kirchlichen Beistand. Tägliches Beten, das fromme Anhören der Messe, gute Taten etc. sollten den „schlimmen Tod“ verhindern. Denn es galt der Grundsatz von Augustinus „Es kann nicht übel sterben, wer gut gelebt hat“ (Non potest male mori, qui bene vixerit). Um das zu unterstützen, entwickelte sich seit dem 12. Jahrhundert eine Art göttlicher Fürbitte, die sich an dem „Heiligen Christophorus“ (derjenige, welcher der Legende nach das Christuskind auf seinen Schultern über den Fluss getragen hat) anlehnte. Sein Gedenktag im katholischen Kirchenjahr ist übrigens der 24. Juli. Das Ziel der Fürbitte war es, den „Tod ohne Gnadenmittel“ abzuwenden. Dazu benötigte man ein Bild des Heiligen und eine entsprechende Fürbitte-Formel.
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