Dienstag, 5. Januar 2016

Eine Wanderung auf den Spuren des Herrn von Zinzendorf, ...den "Herrnhuter Skulpturenpfad"

Ein Gastbeitrag von Werner Schorisch, Zittau



Wo liegt die Stadt Herrnhut?



Herrnhut befindet sich im südöstlichen Sachsen, in der Oberlausitz.

Voranstellen möchte ich diesem Beitrag ein Zitat aus dem Wegbegleiter, einem Heftchen, das die Comenius-Buchhandlung GmbH Herrnhut herausgegeben hat (ISBN 978-3-9807197-1-1):

"Von einem Reichsgrafen und einem runden Geburtstag"

Es war im Jahre 1999. Mehrere Menschen an verschiedenen Orten befassten sich mit der Frage, wie denn der 300. Geburtstag des Reichsgrafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, der als Gründer der Erneuerten Brüder-Unität gilt, würdig, aber auch dem Geiste des Jubilars entsprechend, begangen werden könne.

Es kam der Gedanke, den Weg zwischen Großhennersdorf, dem Ort, wo Zinzendorf seine Kindheit verbrachte, und Herrnhut, dessen Gründung man ihm verdankt, in besonderer Weise zu gestalten. So sollte etwas entstehen, das für die Menschen unserer Zeit ein Stück weit erlebbar macht, welche Dinge für Zinzendorf in seiner Zeit wichtig waren, wie er die Welt sah und welche Bedeutung er der christlichen Gemeinschaft beimaß.

Ein Wanderer, der diesen Pfad beschreiten würde, sollte etwas erfahren über die Biografie des Grafen, über die Geschichte der Brüdergemeine und dabei vielleicht auch über Glaubensfragen und seine eigene Beziehung zu Gott nachdenken. Die Idee eines Skulpturenpfades war geboren...




Auch wenn man diesen Weg natürlich in beide Richtungen gehen kann, so ist meine Empfehlung für den Ausgangspunkt Herrnhut, weil es die bequemere Variante ist, denn Herrnhut liegt geographisch gesehen in einer Höhe von 344 m NHN, und der Zielort Großhennersdorf in einer Höhe von 285 m.


Der Start für den Pfad ist in Herrnhut am Uttendörferweg, unweit des Sportplatzes bzw. des Waldbades.


Die hier angegebenen 7 Kilometer sind in der Regel auf Forstwegen ein leichter, schöner und abwechslungsreicher Spaziergang.

Eine Empfehlung auf dieser Tafel sollte man unbedingt beherzigen, sich die angegebene Begleitbroschüre zu beschaffen, denn die geschichtlichen Zusammenhänge und die künstlerischen Darstellungen werden dort leicht verständlich und gut erklärt.


Station 01: "Ich bin der Weg"


Station 02: "Der Senfkornorden"


(Detail zur Station 02) Zinzendorf Gründer des "Senfkornorden"


Station 03: "Der 84. Psalm"

Die Künstler haben mit dieser Skulptur ein "Nest" mit Werkzeugen dargestellt, mit der Aussage, dass die damaligen Siedler allesamt Handwerker waren, und hier ein Nest fanden (Herrnhut).


Oft sind es kleine Bäche, die sich entlang des Wanderpfades durch den lichtdurchfluteten Fichtenwald schlängeln (später "Petersbachaue").


Station 04: "Der Streit (schreien)"

Meinungsunterschiede, insbesondere in theologischen Ansichten, musste Zinzendorf unter den ankommenden Siedlern oft mit viel Mühe schlichten.

In dieser Station ist eine Skulpturengruppe, die einen Streit in seinen drei hauptsächlichen Phasen dargestellt (Schreien, trotzen und nachdenklich).


Station 04: "Der Streit (trotzen)"


Station 04: "Der Streit (nachdenklich)"


Station 05: "Die Buße"

Mit dieser Wortskulptur möchten die Künstler zeigen, dass Zinzendorf versucht hat die verhärteten Positionen der Streitparteien aufzuweichen und die verschiedenen theologischen Sichtweisen dem jeweils Anderen nahe zu bringen.


(Detail zur Station 05) Zinzendorf als Vermittler


Bei der Ankunft am idyllisch gelegenen Forellenteich wird schon die nächste Skulptur sichtbar (Bildmitte halblinks).


Station 06: "Das Abendmahl"

In der Begleitbroschüre zum Herrnhuter Skulpturenpfad findet man auch zu dieser Station einige bemerkenswerte Hintergrundinformationen. "Das Abendmahl am 13. August 1727 aber wurde ein Besonderes."   "..., das später als die Geburtsstunde der Herrnhuter Brüdergemeine gelten wird."


(Detail zur Station 06)

In dieser halbrunden, dreizehnteiligen Sitzgruppe wurde jeder Rückenlehne ein Symbol (Attribut) zugeordnet, das einem Apostel entspricht.

In der Mitte, deutlich größer und nach oben in angedeuteter Kronenform auslaufend, befindet sich der Christusstuhl.

Am rechten Rand der Gruppe befindet sich mit gekürzter Lehne der Stuhl des Judas (gekennzeichnet mit 30 Silberlingen).


(Eine kurze Wanderpause an der Station 06)


Station 07: "Gehalten"

Die "Kreative Künstlergruppe" aus Löbau, unter Leitung von Dr. Klaus Werner, hat an der südöstlichen Ecke des Forellenteiches eine ungefähr 2 m hohe Figurengruppe geschaffen, die ein etwa acht mal acht Meter großes Quadrat bildet. Jede von den 12 Säulen symbolisiert einen meditierenden abstrakten Menschen.


(Detail zur Station 07)

In der Begleitbroschüre findet man hierzu, dass Hände und Köpfe Abgussplastiken realer Personen sind, was den Figuren eine starke Authentizität verleiht.


Station 08: "Gemeinschaft"

Zitat aus der Begleitbroschüre: "Den Sinn dieser Skulptur findet der Betrachter erst bei näherem Hinsehen, erst dann, wenn er sich entschließt, in den geschaffenen Kreis einzutreten. Dann nämlich kann er in der Mitte des Gebildes auf einen Stein, der wie zufällig im Wasser liegt, den Fisch als das Symbol für Jesus Christus entdecken."


(Detail zur 8. Station >>Ichthys<<)


(Detail zur Station 08 – Alle unter einem Dach...)

...So interpretiere ich Zinzendorf in diesem Fall, der die Vielzahl christlicher Konfessionen als eine weltumspannende Gemeinschaft sah. Er war also ein Vordenker der Ökumene des 20. Jahrhunderts.


Station 09: "Das Buch"

Vom "Verein der Freunde und Förderer kreativer Künste e.V." wurde an dieser Stelle eine Schutzhütte in Form eines aufgeklappten Buches errichtet.


(Detail zur Station 09)

Die abgebildeten Textausschnitte dieser Schutzhütte stammen aus dem "Gesangbuch zum Gebrauch der evangelischen Brüdergemeine" (1783).

Dieser Ausschnitt befindet sich auf Seite 369 Pkt.9. Wer einmal auf diese Buchseite schauen möchte, der klicke hier.


Station 10: "Das Einige Notwendige"


(Detail zur Station 10)

"Zinzendorf wird auch als bedeutender Dichter von Kirchenbuchliedern gewürdigt...", so beginnt der erklärende Abschnitt zu dieser Skulptur.

"Das einige Notwendige" ist dem Choralbuch der Ev. Brüdergemeine 1960 S. 171 entnommen.


Station 11: "Der Eremit"

Diese gelungene Skulptur könnte man vielleicht auch  mit "Weisheit" oder "Lebenserfahrung" bezeichnen.

Sie wurde vom Schnitzer Günther Schönfelder aus Großhennersdorf hergestellt (vielen bekannt sind möglicherweise der Wolf und der Adler unweit des Ortes an der B178).


Unsere kleine Wanderung auf dem Skulpturenpfad zwischen Herrnhut und Großhennersdorf führt vorbei am "Buschhäusel", wo sich eine Möglichkeit für ein Picknick anbietet (es kann u.U. auch gegrillt werden).


Station 12: "Die Einkehr"

Für die Platzierung dieser Skulptur hat man nach meinem Geschmack eine sehr gute Stelle gewählt.
Man tritt aus dem Wald und hat einen herrlichen Blick in die Weite der Natur. Neben der Meditierenden jungen Frau ist rechts und links auf der Bank noch genügend Platz, auch um sich ganz entspannt nach einer kurzen Pause dem letzten Teil der Wanderung zuzuwenden.


Station 13: "Die Große Zahl"

Wenn ich in der Begleitbroschüre lese, dass im Jahre 1722 zehn mährische Exulanten (die Kinder mitgezählt), die ersten Häuser für das spätere Herrnhut bauten, so erklärt sich die Mitgliederzahl auf der Skulptur eigentlich von selbst.


Station 14: "Wirklichkeit"

Eine beschriftete dreiseitige Holzsäule, symbolisiert die "Dreieinigkeit".


(Detail zur 14. Station)


Station 15: "Mission"

Zinzendorf war ein Gegner jeglicher gewalttätiger Christianisierung. Auch große Auftritte vor riesigen Menschenmengen lehnte er in diesem Zusammenhang ab. Es ging ihm um den einzelnen Menschen.

Zwei Frauenfiguren an einer Brücke symbolisieren das Einzelgespräch als Gleicher unter Gleichen. "Jede Mission, sei sie gelungen oder gescheitert, ist der Versuch eines Brückenschlages." Im Begleitheftchen wird über die Besonderheiten, den Begin und der Praxis zur Missionierung durch die Herrnhuter einiges Interessantes gut erklärt.


(Detail zur 15. Station)

"Auf dem Geländer befinden sich leicht verständliche Bibelstellen...", so die Autoren.


Station 16: "Arbeitsethos"

An dieser Station (bereits in Großhennersdorf) war ich froh, dass es ein Begleitbuch gibt, und somit das eigene Interpretieren bzw. Spekulieren in den Hintergrund rücken konnte. Hier ein kleiner Ausschnitt: "Die Skulptur zeigt vier unterschiedliche Händepaare, die gemeinsam das Regenwasser zu einem Apfelbäumchen leiten. Die Früchte des gemeinsamen Tuns sollen uneigennützig Allen zu Gute kommen."

In der künstlerischen Aussage, geht es vor allen Dingen auch um das >>für einander da sein<<.


(Detail zur 16. Station)


Station 17: "Empfange"

Nach der Wanderung von Herrnhut nach Großhennersdorf ist es in den Sommermonaten möglich an dieser Station ein erfrischendes Fußbad in diesem Becken zu nehmen.

Neben der Sitzgruppe dient ein Händepaar aus Beton als Wasserspender.
Der tiefere Sinn dieser Skulptur soll an die "Fußwaschung" erinnern, die auch Graf Zinzendorf mit Menschen außerhalb seines Standes zelebrierte.


Station 18: "Kinder"

Dem Betrachter dieser Skulptur zeigt sich ein harmonisches Bild. Auf einer Bank sitzend, Zinzendorf im Gespräch mit einem Jungen und einem Mädchen.

Die generationenübergreifende Auseinandersetzung mit der Vielfalt des Lebens ist eine der spannendsten Aufgaben in jeder Gemeinschaft, meine ich.


Station 19: "A und Ohm" (Offenbarung des Johannes 21, 5-7)

A und Ω, der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabetes, beenden den Weg zwischen Herrnhut und Großhennersdorf.

Der Platz für die letzte Skulptur wurde nicht ohne Grund vor dem Hintergrund der Schlossruine in Großhennersdorf gewählt. Hier verbrachte Graf Zinzendorf die Kindheit bei seiner Großmutter Henriette Katharina Freifrau von Gersdorf im einstigen Herrschaftssitz.

Es war eine einfache, kurzweilige und schöne Wanderung durch eine gestaltete Kulturlandschaft. Man findet Einblick in das Leben des Gründers der Stadt Herrnhut und der Brüder-Unität. Beeindruckend ist aber auch das Engagement all derer, die diesen Weg gestaltet haben und pflegen.

Ich hoffe sehr, dem interessierten Leser mit diesem Beitrag Anregung gegeben zu haben, um diese Wanderung nachzuvollziehen. Gern stehe ich für weitergehende Fragen zur Verfügung. W.Sch.


8 Kommentare:

  1. Nicht nur ein Spaziergang ... auch ein Weg der Besinnung, der Besinnlichkeit ... Natur- und Geschichtserleben ... Ruhe finden im eigenen Leben ... sie fehlt uns oft ... Danke an die *Wegbereiter*

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  2. Ein sehr beeindruckender Spaziergang durch ein Leben eines ernstmeinenden Christen.Der Weg ist gut durchdacht, auch wegen den Symbolen, sie sprechen mich als praktizierende Christin sehr an und die Gedankenwelt Zinsensdorf ist auch meine Welt. Ruhe finden in dieser Zeit ist so wichtig, Streit vermeiden, sehr aktuell. Sicher lässt dieser Weg keinen los, er geht neu aufgetankt ins Leben hinaus, würde ich mir jedenfalls wünschen. Vielen Dank für die Vorstellung dieses ungewöhnlichen Weges. Eventuell klappt es mal, denn in Dresden wohnen Verwandte und da würde sich solch eine Wanderung anbieten.
    Liebe Grüße
    vom Kaiserstuhl
    Edith

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  3. Ein sehr schöner und umfangreich erklärter Wander-Bericht. Nun werde ich diesen Weg nachgehen - am PC - und zu jeder Station und zu Zinzendorf selbst den Hintergrund finden. Diese Aufgabe wird wohl mehrere Abende füllen und die verrückte Welt (Kölner
    Jahreswechsel) wieder gerade rücken.
    KuWePe

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    1. Ich Danke für die "Blumen".
      Zum spannenden Vorhaben, sich mit dem "Reichsgrafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf" zu beschäftigen, kann ich nur gratulieren. Irgendwann kommt man dabei zu dem sehr speziellen Ort Herrnhut in der OL, und schließlich zu der "Brüder-Unität" bzw. "Herrnhuter Brüdergemeine".
      Eine Bemerkung an dieser Stelle, im 15. bis 18. Jahrhundert schrieb man das Wort Gemeine ohne "d". Diesem Umstand geschuldet, hat man "Gemeine" als Eigennamen bis heute so beibehalten. Viele Grüße W.Sch.

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  4. Auch wenn man nicht gläubig im Sinne der christlichen Kirche ist, kann man sich den Spaziergang mal antun, weil man hier die Natur genießen kann.
    Danke für die Bilder, ich bin letztens nur bis zum den Standbildern "Einhalten" gekommen, weil ich auch wieder zurück musste.

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    1. Hallo Neumi Fotorike! Es tut mir leid, aber ein Standbild mit dem Namen "Einhalten" gibt es auf diesen Skulpturenpfad nicht. Im Bild 4 meines Beitrages, der Wanderkarte, sind alle 19 Stationen aufgeführt.
      Ob nun konfessionslos oder nicht, eine Auseinandersetzung mit der künstlerischen Darstellung- und seinem Inhalt sollte man sich meiner Meinung nach >>mal antun<<, um mit Deinen Worten zu antworten (die Historie rund um Zinzendorf lohnt allemal). Viele Grüße Werner Schorisch

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  5. Es war ein sehr schönes Erlebnis diesen Weg zu gehen.
    Schade nur, dass es in Grosshennersdorf am Ende des Weges keinerlei Möglichkeit der Einkehr im August gibt. Auch in Anbetracht, dass am Wochende die Busse nur alle 2 Stunden fahren.
    Beste Grüße aus Niedersachsen von Iris und Ralf

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    1. Hallo Iris und Ralf aus Niedersachsen!
      Vielen Dank für Euren Kommentar unter meinen Gastbeitrag zum Herrnhuter Skulpturenpfad.
      Allein schon die Beschäftigung mit diesem Weg im Vorfeld ist spannend, und das Erlebnis beim Gehen selbst ist dann einfach nur toll, und bewundernswert was die Gestalter hier geschaffen haben!
      Auch die Anmerkungen, wie zum Beispiel zum Busverkehr zwischen Großhennersdorf und Herrnhut, können wertvolle Hinweise für künftige Wanderer dieses Weges sein. Viele Grüße nach Niedersachsen, und Euch eine gute Zeit. W. Schorisch

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