Freitag, 6. April 2018

Wanderung zum Weißen Stein bei Wünschendorf (Nordböhmen)

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zitta<u-Hörnitz

Die heutige Wanderung führt uns in den letzten nördlichen Zipfel des Friedländer Landes, zunächst nach Heinersdorf a. d. Tafelfichte (Jindřichovice pod Smrkem). Das Dorf war vor 1945 ein kleiner prosperierender Textilstandort, zugleich ein Verkehrsknotenpunkt. Heinersdorf schmückte sich seiner Bedeutung gemäß mit dem Beinamen ´Klein Wien´. Ein Stück nördlich davon liegt unmittelbar an der polnischen Grenze Wünschendorf (Srbská). Seine Einwohnerzahl schwand zwischen 1939 und 2001 von 509 auf 29 dahin. Interessant ist hier die Straßenverbindung nach Marklissa (Leśna), die seit 2006 für den PKW-Verkehr freigegeben ist.

Zwischen Heinersdorf und Wünschendorf breitet sich ein weitläufiges sanftes Hügelland aus, welches von einigen Wasserläufen durchzogen ist und hauptsächlich als Weideland genutzt wird. Unmittelbar an der polnischen Grenze befindet sich nördlich von Wünschendorf ein kleines Naturschutzgebiet - der Weiße Stein (Bílá skála). Dabei handelt es sich um eine bis zu 20 m über den Grund ragende verschiedenfarbige Quarzader, die wir heute als Wanderziel auserkoren haben.

Von den sanften Höhen, über die uns die Wanderung führt, hat man normalerweise einen schönen Blick auf das Isergebirge, nächst die Tafelfichte (Smrk), auf der zur Zeit noch reichlich Schnee liegt. Diesen leuchtenden Wintergruß hätten wir auf unserer Tour gerne empfangen, aber Dunst liegt über dem Land, so dass uns nichts anderes übrig bleibt, als uns auf die kleinen Freuden am Wegesrand zu konzentrieren. 

In nordöstlicher Richtung wandern wir aus Heinersdorf hinaus und wollen uns eigentlich Wünschendorf weiter entlang der polnischen Grenze nähern. Dazu ist es erforderlich, das Heinersdorfer Wasser (Jindřichovický potok) zu überqueren das ein Stück flussabwärts in den Queis (Kwisa) mündet. Doch was ist das? Bei den vermuteten Übergängen handelt es sich um Furten, die bei der gegenwärtigen Wassermenge nicht durchwatet werden können. Also geht es in Hoffnung auf eine Brücke wieder flussaufwärts durch ein Gelände, welches kaum besucht zu sein scheint. Dabei lernen wir einen von steilen Wänden gesäumten Canyon kennen, durch welchen der Bach fließt, am Eingang desselben ein schöner Mäander. Dieses Erlebnis lässt uns den Umweg gut verschmerzen. 

Zwischen weiträumigen Koppeln hindurch geht es über Schneereste hinunter nach Wünschendorf. Über den schön gelegenen Ort ist nur wenig zu berichten, einzig, dass am 23. September 1938, also noch vor der Annexion der Tschechoslowakei, in der Zollstation drei tschechische Beamte von deutschen Nationalisten erschossen wurden. Die Täter flüchteten unerkannt über die Grenze. 

Wieder geht es über Weiden hinaus zum Weißen Stein. Einen richtigen Weg scheint es dorthin nicht zu geben. Mehrfach müssen wir Koppeldrähte überwinden und hin und wieder bekommt der eine oder andere einen satten Stromstoß verwischt. Insofern scheint es sinnvoll, das Naturdenkmal in einer Jahreszeit zu besuchen, während der noch keine Herden auf den Weiden sind, denn den stämmigen Fleischrindern, die sich auf einigen Flächen schon zeigen, möchte man ungern direkt begegnen. 

Schon unmittelbar am Waldrand ist die Stirn der Felsmauer zu sehen, die sich bis zur Grenze weiter in den Wald hinein erstreckt und nach Osten steil abfallend mächtige Ausmaße erreicht. Ihre Länge dürfte etwa 100 m betragen. 

Wir wandern weiter über Bärnsdorfer (Horní Řasnice) Fluren und über den Steinberg (Kameny vrch) zurück nach Heinersdorf. Statt einer herannahenden Hochdruckbrücke, von der wir gehört haben, gehen heftige Schneeschauer auf uns hernieder. Von der Tafelfichte weit und breit nichts zu sehen. So staunen wir wenigstens nochüber die mächtigen Ameisenhaufen, deren Bewohner (Formica polyctena) hier streng geschützt sind. Als wir dann endlich Heinersdorf wieder erreichen, quält sich langsam die Sonne hervor und siehe da, die Tafelfichte schält sich aus den Wolken. 

Ein Stück außerhalb von Heinersdorf an der Straße nach Dittersbächel (Dětřichovec) kann man noch die konservierte Ruine der Jakobuskirche besichtigen, die bereits 1380 erbaut und 1431 von den Hussiten niedergebrannt wurde.

Wer die Umgebung von Heinersdorf ergründen möchte, kann bequem von Reichenberg mit der Eisenbahn anreisen. Die Bahn ist zwar lange unterwegs, aber es ist eine Fahrt durch eine landschaftlich schöne Gegend, so dass man gern zum Fenster heraus schaut. Gegenwärtig sieht es so aus, als könne man bald auch bis Friedeberg (Mirsk) weiter fahren, denn die Polen zeigen Interesse an einer Verbindung bis nach Friedland 

(Frýdlant v Čechách), wie wir hier lesen. So könnte man beispielsweise unschwer mit der Bahn Marklissa erreichen und damit auch die nahe liegende Burg Tzschocha (Zamek Czocha). Ein schöner Gedanke. 

Die GPS-Daten der Tour findet man hier.




Auf nebligen Heinersdorfer Fluren und im Tal des Heinersdorfer Wassers








Auf Wünschendorfer Fluren






Der Weiße Stein










 Auf Bärnsdorfer Fluren




Die Festung der Art Formica polyctena


Kirche der Hl. Dreifaltigkeit 


Ruine der Jakobuskirche

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