Freitag, 13. November 2020

Unterwegs zwischen Tschernhausen und Zahne

 Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz


Das Friedländer Land war schon lange nicht mehr Ziel unserer Ausflüge, höchste Zeit also, dort wieder einmal nach dem Rechten zu schauen und Neues zu erkunden. Ausgangspunkt unserer Wanderung war Engelsdorf (Andelka). Schon die Anfahrt dahin ist etwas ungewöhnlich. In der Absicht, von Zittau möglichst den kürzesten Weg zu wählen, fahren wir über Schönfeld (Lutogniewice), wobei auf den letzten Metern Richtung Böhmen ein Feldweg zu benutzen ist, auf welchem früher die Durchfahrt verboten war. Nur etwas staubig ist es bei trockenem Wetter.

Eigentlich ist es eine ziemlich flache Etappe, die wir uns heute ausgesucht haben, trotzdem werden uns unterwegs schöne Ausblicke in die Oberlausitz, z.B. dem Schwarzen Berg bei Jauernick-Buschbach und der Landeskrone sowie zum Isergebirge zuteil. Idyllisch auch der Weg um den Eichenteich (Dubový rybnik) bei Tschernhausen (Černousy), die Berührung der Wittig-Mäander bei Priedlanz (Předlánce) und vor allem der Besuch des beeindruckenden Heidensteines (Pohanské kameny) bei Weigsdorf (Višňová u Frýdlantu). Das alles kennen wir bereits, also konzentrieren wir uns auf die Lokalitäten, denen wir bisher keine Beachtung geschenkt haben bzw. die als neue Attraktionen hinzu gekommen sind.

Ungesehen war zum Beispiel die schöne Kirche in Wiese (Ves). Beachtlich ist hier vor allem der sehr schön gepflegte Friedhof, auf dem tschechische und deutsche Gräber friedlich neben einander angeordnet sind. Alte Epitaphien zieren die Friedhofsmauer und das Gemäuer der Kirche.

Gerade zur Mittagszeit erreichen wir Tschernhausen. Hier ließ Graf Filip Josef Clam-Gallas 1793 ein Barockschloss als Verwaltungssitzes der nördlichen Friedländischen Herrschaft errichten. Das Schloss wurde leider in den 80-er Jahren des vorigen Jahrhunderts abgerissen, aber die Wirtschaftsgebäude blieben erhalten. Ein neuer Eigentümer begann ab 2009 mit der Restaurierung der noch vorhandenen Bausubstanz. Das Ressort präsentiert sich heute in einem vorzüglichen Zustand mit Pension, Konferenzsaal, Restaurant und Pferdestallungen. Schottische Highland-Rinder werden hier gezüchtet und Ausritte sind angabegemäß möglich. Trotz verkürzter Speisekarte (mitten in der Woche) waren wir mit den Angebot mehr als zufrieden.

Nachdem wir dieses hinreichend genossen, setzen wir unsere Tour fort hinunter in die Auenlandschaft der Wittig (Smědá). Kein Kräuseln sehen wir auf dem Wasserspiegel des Eichenteich an diesem freundlichen Herbsttag. Nur die Sicht hinüber zum Isergebirge ist nicht so trefflich wie bei einer früheren Tour in dieser Gegend, nachdem wir uns hinauf zu den Feldern auf der Anhöhe begeben haben.

Unser nächstes Ziel sind die mystischen Heidensteine bei Weigsdorf. Hier befand sich einst eine heidnische Kultstätte.

„Diese vielbesuchten Felsen bestehen aus sog. Rumburger Granit. Auf den großen Blöcken befinden sich sog. Opferkessel, angeblich einst von den heidnischen Bewohnern des Gebiets ausgehöhlt. Im Juni 1895 erläuterte der Berliner Arzt und Naturwissenschaftler Prof. Rudolf Virchow bei einer Exkursion Lausitzer Archäologen und Anthropologen den natürlichen Ursprung dieser Felsformen.“ (Nevrlý, Miroslav; Vinklat, Pavel D.; „Album alter Ansichtskarten des Bezirkes Friedland“)

Zu dieser Zeit lag das Massiv auf einem unbewaldeten Hügel und bot entsprechend Aussicht.

Der geheimnisvolle Ort ist heute jedoch von Wald umgeben.

Nun überqueren wir die Wiesen, die gerade die letzte Mahd des Jahren erfahren haben und setzten unseren Weg direkt entlang der Grenzsteine fort, welche den Grenzverlauf zu Polen markieren. Aus dieser Lage bieten sich noch einmal herrliche Aussichten auf das Isergebirge. Zwei kleine, aber extrem steile Ab- und Anstiege sind zu absolvieren, wo kleine Rinnsale im Laufe der Zeit ihren Weg gebahnt und das Gelände zerschnitten haben. Dann treten wir plötzlich aus dem Gebüsch, vor uns liegt ein großer Teich. Wir sind in Zahne (Saň), wo heute nur noch drei Einwohner leben.

Zahne hat zwei Besonderheiten. Zum einen ist es der einzige Ort in Tschechien, von dem aus gesehen Polen im Süden liegt. Die zweite Besonderheit ist František Hauer, ein böhmisches Original, welches unweigerlich Erinnerungen an den Braven Soldaten Schwejk aufkommen lässt. Hauer betreibt mit seiner Ehefrau - wie soll man sagen ? - eine Art Kneipe der urigsten Art. Sie ist schon sehr gut gefüllt mit Tschechen, die bereits am Nachmittag den Zustand der Glückseligkeit erreicht haben. Diverse Sitzgelegenheiten laden im Garten dazu ein, sich niederzulassen, wenn drinnen kein Platz mehr ist. Wir allerdings besetzen die gerade frei gewordene Plattform, die Hauer mitten in seinem Teich errichtet hat. Allerdings muss man das Bier selbst da hinunter schleppen. Als wir dann irgendwann aufbrechen, lauert schon die nächste Meute auf die von uns geräumten Plätze. Ich habe lange gesucht, bis ich irgendwo eine Information über dieses Refugium gefunden habe. Hier ist eines, leider nur in tschechischer Sprache.

Von Zahne zurück nach Engelsdorf sind es nur noch knapp 3 km. Resümierend bleibt festzuhalten: der Ausflug in dieses höchst abgeschiedene Gebiet Böhmens ist wohl lohnend. Schöne Landschaftseindrücke und ein paar interessante Entdeckungen werden der Lohn dafür sein.

Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.





Kirche Engelsdorf nebst Sühnekreuz


Landschaft um Engelsdorf





Alte Ansicht von Wiese


Kirche und Friedhof in Wiese








Farm Zámecký dvůr Černousy





Landschaft um den Eichenteich











Die Heidensteine



Als um 1900 die Gegend um die Heidensteine noch unbewaldet war, bot sich von den Felsen eine schöne Aussicht


In Zahne




2 Kommentare:

  1. Vielen Dank für den wunderschönen Bericht! Ich habe erst neulich herausgefunden, dass meine Vorfahren in Tschernhausen als Gärtner lebten (Name:Ritter). Leider sind die Grabsteine von hinten. Gibt es eine gute Wanderkarte des Gebietes?

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  2. Grabsteine publiziere ich auf FIND A GRAVE

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