Samstag, 13. November 2021

Wanderung zwischen Grafenstein und Kohlige

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz

Schon lange habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie man das Schloss Grafenstein und den Ort Kohlige mit einer Wanderung verbinden könnte, da beides besuchenswerte Lokalitäten sind. Ich bin leider zu keinem befriedigenden Ergebnis gekommen, so dass ich den Auftrag an einen Wanderfreund „weitergeschoben“ habe. Manchmal wird man eben betriebsblind. Nun haben wir diese Tour absolviert. Man muss es aber ohne Umschweife sagen, dass die Moderne die Landschaft in dieser Gegend ziemlich rücksichtslos ruiniert hat. Nicht nur, dass viele Wege über die landwirtschaftlichen Fluren eingezogen wurden, besonders schmerzhafte Veränderungen wurden herbeigeführt durch den Bau der tschechischen Bundesstraße 35, die an das deutsche Autobahnnetz anknüpft, durch großflächige Sandgruben und nicht zuletzt durch die Verschandelung der Gegend um den Gickelsberg mit der Errichtung bombastischer Windkraftanlagen (die heute recht flügellahm in Ermangelung des nötigen Lüftchens waren).

Am Parkplatz des Schlosses Grafenstein manchen wir uns auf den Weg. Gezwungenermaßen geht es zunächst über asphaltierte Straßen, die als Zubringer für eine mächtige Sandgrube bei Kohlige (Uhelná) dienen bzw. auf dem die Bundesstraße zu unterqueren ist. Wir nehmen Kurs auf Ullersdorf (Oldřichov na Hranicích), einem Dorf, welches durch die polnisch-tschechische Grenze geteilt und für die Bewohner hier sehr abgelegen ist. Im oberen Teil des Ortes beginnt ein angenehmer Wegabschnitt, der direkt entlang der Grenze führt und uns nach Kohlige leitet. Auf der Hochfläche, über die wir gehen, verlaufen sich die Vorberge des Isergebirges

Wie ein Keil schieben sich die westlichen Ausläufer des Isergebirges von den Hemmrichen über Hohenwald und den Gickelsberg mit dem Hügelwerk um Kohlige gegen das sächsische Tiefland.

Und weiter erzählt uns Josef Preussler über das Dorf (Wanderungen um Reichenberg)

Wir biegen durch die Felder nach Kohlige, freuen uns der alten, stattlichen Bauernhäuser unter uralten Linden und kehren zu ausgiebiger Rast im »Goldfasan« ein. Natürlich dreht sich unser Gespräch um den Ort. Er ist verhältnismäßig jung, soll um 1710 entstanden sein. Aber schon zwei Jahre später wird Georg Pietsch in der Wetzwalder Matrik genannt, der hier Leinwanderzeugung und Baumwollwarenhandel betrieb. Nach und nach wuchs seiner Familie der stattlichste Besitz des kleinen Ortes zu. Heute teilen sich in das Anwesen die vier Töchter des letzten Besitzers und ihre Familien verbringen hier alljährlich ihre Sommerfrische. Um Kohlige laufen viele Fahrwege und Obstbäume begleiten sie. Die prunken im Frühjahr mit dem Schneelicht ihrer blütenüberschütteten Kronen. Der Sommer lacht aus ihnen mit einer Unmenge von Kirschen. Aber auch dem Herbst bleibt noch genügend Freude, wenn im Gezweig saftige Birnen gilben und die Äpfel sich rot verfärben.

Kohlige ist ein hübsches Nest für Menschen, die sich gern etwas entfernt der Gesellschaft niederlassen, auch dieses Dorf liegt am Ende der Welt. Nicht erwähnen muss man, dass der „Goldfasan“ schon lange davon geflogen ist. Erstaunlich sind in Kohlige zwei Dinge: erstens, dass der Staat in dieser Abgeschiedenheit die verwahrloste Kapelle Maria Hilf wieder aufbauen ließ und zweitens, dass hier Bautätigkeit herrscht. Das erstaunt um so mehr, als das gepflegte Narrativ vorherrscht, dass der etwa in 2 km Entfernung anstoßende polnische Großtagebau Turow den Bewohnern vollständig das Wasser abgräbt, wofür er nach einem Urteil des europäischen Gerichtshofes für jeden Tag des Weiterbetriebs 500.000 € Strafe bezahlen soll. Ein Witz!. Also, ich würde hier aufgrunddessen nicht bauen. Es stellt sich nämlich auch eine weitere Frage, welchen Anteil z.B. die riesige Sandgrube an dem Grundwasserentzug hat, die etwa 300 m vom Ort entfernt auf tschechischer Seite aufgeschlossen wurde. Ich will mich ja nicht streiten, aber wissen täte ich das schon gerne.

Wir wandern weiter in Richtung Gickelsberg (Výhledy), die ätzenden Windräder vor Augen. Ein beschauliches Fleckchen ist das Schulkreuz. Wendet man sich von den Windrädern ab, genießt man von da einen schönen Blick zum Jeschkenkamm und dem Lausitzer Gebirge. Hinab geht es nach Wetzwalde (Vaclavice). Noch bevor man den Ort betritt, passiert man den Friedhof mit vielen alten deutschen Gräbern, einzig verstörend ist die Brache, welche bis 1976 mit der Wetzwalder Kirche überbaut war.

Zwischen den Orten Wetzwalde, Weißkirchen (Bílý Kostel nad Nisou) und Ketten (Chotyně) dehnt sich ein weiträumiges Grasland aus. Nur ein schmaler Weg, den man zwischen den Koppeln belassen hat, erlaubt die Durchquerung dieses Territoriums. So nähern wir uns Grafenstein, wieder vorbei an einer riesigen Sandgrube. Das Schloss Grafenstein (Grabstejn), dessen Ursprung auf das 13. Jahrhundert zurückzuführen ist, ist aber ein richtiger Hingucker,

Die Straße durch das Dorf Grafenstein führt weiter an der Schloßbrauerei vorüber zu dem an einem Gondelteich gelegenen herrschaftlichen Gasthof »zum Steyrerfranzl«, der sich mehr als fünf Jahrzehnte in den Händen einer Pächterfamilie befand. Geräumige Gastlokalitäten sowie ein großer Garten für 1000 Personen, Autoparkplatz und Stallungen stehen zur Verfügung.Von hier gelangt man auf schattigen, sagenumwobenen Parkwegen zum alten Schloß, dessen Besichtigung erlaubt ist. Man beachte hier die Spuren alter Wandmalereien im oberen Burghof, besonders die Sgraffito- Reste über der Tür zum runden Turm, die wunderbare Aussicht, die man aus den 18 Luken des Schloßturmes besonders gegen Grottau, Zittau und das Lausitzer Gebirge genießt und endlich die im Jahre 1569 hergestellte, reich ausgemalte Schloßkapelle, die in den Jahren 1911 bis 1914 von Künstlern der ehemaligen königl. Bildergalerie (Rudolfinum) in Prag gänzlich ausgebessert worden ist. Durch die, durch das tschechoslovakische Staatsbodenamt erfolgte Enteignung des Großgrundbesitzes wurden der Herrschaft Clam-Gallas die schönsten und wertvollsten Besitzungen weggenommen. Das alte und das neue Schloß samt dem schönen Park sowie die Schloßbrauerei und der herrschaftliche Gasthof sind dem alten Besitzer geblieben. … Die ausgedehnten Obstgärten und Alleen in der Umgebung des im saftigen Grün der alten Eichen halb versteckten Schlosses gewähren zur Zeit der Baumblüte einen erhebenden Anblick, sie sind es ganz besonders, die Grafenstein zu einem Kleinod unter den Ausflugsorten Nordböhmens machen.“ (Plakettenfahrt nach Haindorf im Böhm. Isergebirge anläßlich der Jedermann Festspiele in der Zeit vom 1.-31. Juli 1931).

Zum besseren Verständnis: die Enteignung des österreichischen Adels erfolgte nach dem Ende des 1. Weltkrieges und der Gründung des tschechoslowakischen Staates.

Jetzt im November ist keine Besichtigung des Schlosses möglich, aber man kann die Mauern des auf einem Felsen gelegenen Schlosses umrunden. In Erwartung der blühenden Obstbäume ist ein baldiger Besuch des von zu Hause nicht fern gelegenen Palastes vorgemerkt.


Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.



Wie so oft -Ärger mit den Wegen


Die Kirche von Ullersdorf steht auf der polnischen Seite des Ortes


Trotz des Schengenabkommens ist hier keine Durchfahrt für Kraftfahrzeuge möglich (aber mit dem Radl gehts)



Auf dem Grenzweg nach Kohlige





In Kohlige







Ein Zankapfel: Das Kraftwerk Turow

Der verhunzte Gickelsberg


Die Scholz-Mühle kann man für gesellige Anlässe mieten


Das Schulkreuz



Blick über Wetzwalde zum Hochwald

Friedhof Wetzwalde, auf der freien Fläche stand einmal die Kirche



Die Koalitionsverhandlungen sind noch im Gange, Schwarz ist schon raus



Blick hinüber in die Heimat zum Breiteberg






Sand gibt es hier reichlich. Wo ist das Grundwasser?

Ausblicke zum Lausitzer Gebirge


Der Schlossteich von Grafenstein

Das Schloss Grafenstein








 

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