Der innere Aufbau von Exoplaneten schlägt sich in zwei prinzipiell beobachtbaren Größen nieder – Masse M und Radius R (woraus als abgeleitete Größe die mittlere Dichte <ρ> folgt). Um sie in ausreichender Genauigkeit zu bestimmen, müssen sowohl Dopplermessungen ausgeführt als auch Transit-Lichtkurven ermittelt und ausgewertet werden. Wesentlich sind dabei weniger die Ausgangsgrößen für sich genommen, sondern vielmehr ihr Verhältnis M/R.
Über die Masse-Radius-Beziehung ist ein Anschluß von Modellrechnungen an reale Exoplaneten möglich. Das Verhältnis sagt explizit etwas über den stofflichen Aufbau aus, da je höher die mittlere Dichte eines Exoplaneten, desto stärker die Kompression und umso kleiner der Radius in Bezug zur Masse.
5.53 Die mittlere Dichte eines Planeten hängt von dessen stofflicher Zusammensetzung ab. Sie nimmt mit steigender Masse aufgrund der gravitativen Kompression zu, was in diesem Diagramm am Verlauf der Kurven sehr gut zu erkennen ist. Blaue Punkte kennzeichnen Planeten im Sonnensystem; Graue Punkte Exoplaneten, deren Masse und Radius aus Doppler- und Transitmessungen bestimmt werden konnten. © Nature Publishing
Im Masse-Radius-Diagramm sind deshalb Gesteinsplaneten, Neptuns und jupiterartige Gasplaneten recht gut zu unterscheiden. Man erkennt z.B., daß Jupiter und noch mehr Saturn keine reinen Wasserstoff-Helium-Kugeln sind. Ein Teil ihrer Masse muß aus schwereren Elementen bestehen. Der Exoplanet Gliese 436b gehört offensichtlich zu den neptunes, denn er liegt im Masse-Radius-Diagramm nahe an Uranus und Neptun.
Der Grund dafür, daß die meisten hot jupiters oberhalb der Kurve für ein reines Wasserstoff-Helium-Gemischs angesiedelt sind, liegt an der starken Aufheizung ihrer Atmosphären. Sie bewegen sich in einem so geringen Abstand um ihren Mutterstern, daß die Aufheizung durch deren Einstrahlung die Atmosphäre expandieren läßt. Exoplaneten von Jupitermasse sind deshalb in unmittelbarer Sternnähe viel größer als in einem Abstand, wo der Energieeintrag nur wenig Einfluß auf die Atmosphärenmächtigkeit hat.
Ein singulärer Fall ist offensichtlich TrES-4, der den Stern GSC 02620-00648 (Sternbild Herkules, Entfernung 1400 Lj, Spektraltyp F8, 1.18 MS, außerdem ein Doppelstern mit einem Begleiter vom Spektraltyp K5.5-M0 und einer Masse von 0.59 MS, S.Daemgen et.al. 2009) in 3.55 Tagen in einer Entfernung von lediglich 0.051 AU einmal umläuft. Seine Masse ist mit 0.919 MJ ein wenig kleiner als die von Jupiter, sein Radius aber mit 1.799 RJ außergewöhnlich groß. Daraus folgt eine theoretisch nur schwerverständliche Dichte von <ρ> ~ 333 kg/m³. Die Gleichgewichtstemperatur mit seinem Mutterstern – einem sogenannten Unterriesen mit einer Oberflächentemperatur von ~6200 K – beträgt ca. 1780 K. Dieser Wert allein erklärt jedoch nicht die außergewöhnliche Größe des Gasplaneten. Es muß noch andere Gründe für die starke Aufblähung des Exoplaneten geben, über die aber unter den Planetologen noch keine Einigkeit erzielt werden konnte.
In evolutionären Planetenmodellen ist der Radius R eine Größe, die sich im Laufe der Zeit ändern kann, wobei die Änderung im Wesentlichen auf Abkühlungseffekte zurückzuführen ist. Die Position eines Planeten im Masse-Radius-Diagramm wird deshalb geringfügig auch vom Alter beeinflußt.
Wie bereits erwähnt, bestimmen Einstrahlungseffekte durch extreme Sternnähe maßgeblich die Mächtigkeit der Atmosphäre von Gasplaneten des Typs hot jupiters. Aufgrund der Aufheizung auf der Tagseite können sie während ihrer Lebensdauer bei Abständen um 0.02 AU einen moderaten (5-8%) oder bei Abständen unterhalb 0.015 AU einen wesentlichen (bis zur Auflösung des gesamten Planeten) Anteil ihrer Masse verlieren. Bei dem Exoplaneten HD 209458b („Osiris“) konnte z.B. spektroskopisch ein kometenähnlicher Gasschweif nachgewiesen werden, welcher sich mit einer Geschwindigkeit von ~ 10 km/s vom Planeten wegbewegt.
5.54 Lage aller bis Juli 2010 bekannter Transitplaneten, für die verläßliche Radius- und Masseangaben vorliegen, im log M sin(i) – Radius – Diagramm. © www.exoplanets.org
Um ein Gefühl für den Verlauf der Masse-Radius-Funktion von substellaren Objekten zu bekommen, ist es nützlich, sie approximativ aus vereinfachten Grundannahmen abzuleiten, ohne den aufwendigen Weg über die numerische Lösung des Differentialgleichungssystems (5.68) gehen zu müssen. Eine solche Approximation stellt die Idealisierung dar, diese Objekte als polytrope Gaskugeln zu behandeln (eine polytrope Zustandsänderung läßt das Produkt PV^n konstant, wobei n als Polytropenindex bezeichnet wird). Das entscheidende Merkmal ist dabei, daß man den Druckverlauf im Inneren als einfache Potenzfunktion der Dichte darstellen kann, was eine analytische Lösung der Gleichung für das hydrostatische Gleichgewicht (1.3) in Verbindung mit der Poisson-Gleichung (beschreibt das Gravitationsfeld innerhalb eines Himmelskörpers) ermöglicht:
K bezeichnet eine Konstante, die gewöhnlich von der Masse M und der effektiven Temperatur Teff abhängt, während der Polytropenindex n über die Beziehung
mit γ=cp⁄cv mit dem Verhältnis der Wärmekapazitäten bei konstantem Druck und konstanten Volumen verbunden ist. Die Problemstellung führt zur sogenannten Lane-Emden-Gleichung (Jonathan Homer Lane (1819-1880), 1870), aus der sich Massen und Radien in Abhängigkeit der Polytropen berechnen lassen (siehe z.B. Kippenhahn, Weigert 1990, D.D. Clayton, 1968). Ihre Lösung führt zu folgender Abhängigkeit des Radius R von der Masse M:
Inkompressibles Material wird durch n=0 beschrieben (d.h. die polytrope Zustandsänderung ist isobar), was zu folgender Masse-Radius-Beziehung führt:
Das andere Extrem mit n=3/2 beschreibt Elektronenentartung, wo der Druck nicht mehr thermischer Natur ist, sondern vom Entartungsdruck eines Elektronengases aufgebaut wird. In diesem Fall (in „reiner“ Form bei Weißen Zwergsternen realisiert) gilt dann
Der divergente Fall n→3 führt zur Chandrasekhar-Grenzmasse, an der der Übergang zu Neutronensternen erfolgt.
Die n-Werte substellarer Objekte bewegen sich innerhalb dieser Wertebereiche. Eine Gaskugel mit der stofflichen Zusammensetzung der Sonne (Y=0.25) besitzt z.B. bei einer Masse von M=1MJ einen über den Radius gemittelten Polytropenindex nahe bei 1 und bei einer Masse von M=10MJ von ungefähr 1.3. Mit ansteigender Masse nimmt zuerst der Radius stetig zu um bei ungefähr 3 MJ ein lokales Maximum zu erreichen. Ab diesen Punkt beginnt die nichtrelativistische Elektronenentartung zu wirken und jede weitere Erhöhung der Masse läßt den Radius schrumpfen bis bei ~70 MJ durch den Übergang zu Hauptreihensternen (Wasserstoffusion) der Radius schnell wieder anwächst.
5.55 Theoretische Masse-Radius-Beziehung für substellare Objekte aus Wasserstoff mit einem Heliumanteil von 25%. Zur besseren Einordnung sind noch zwei Kurven für Wasser und das Mineral Olivin (T=0 K) eingezeichnet (Isochore 10 Ga). © T.Guillot
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