Entstehung der Ausflußtäler auf dem Mars
Wenn die Ausflußtäler durch fließendes Wasser entstanden sind, dann ist die grundlegende Frage, wo kam das Wasser her und wohin ist es verschwunden? Zur Beantwortung dieser Frage wurden im Laufe der Zeit verschiedene Hypothesen vorgeschlagen, von denen die meisten aber wieder verworfen werden mußten.
Die auch in Hinsicht zu den irdischen Analogien plausibelste Erklärung geht davon aus, daß das Wasser aus unterirdischen Reservoirs (aquifer) stammte, aus denen es aufgrund von geologische Prozesse plötzlich freigesetzt wurde und sich in Form katastrophaler Fluten in das umgebende Land ergoß. Dabei müssen sich einige dieser Flutereignisse (wie z.B. im Kasai Vallis) periodisch wiederholt haben, woraus sich schließen läßt, daß sich die Aquifer etliche Male neu aufgefüllt haben müssen. Man vermutet, daß dies im Zusammenhang mit vulkanischen Aktivitätszyklen stehen könnte, da die Quellgebiete der großen Ausflußtäler meist in der Nähe oder am Randbereich größerer Vulkankomplexe oder zumindest vulkanisch beeinflußter Regionen zu finden sind.
Daß der Marsboden auch heute noch regional sehr viel Wassereis (bis zu 50% Volumenprozent) enthalten muß, zeigten zum ersten Mal die Messungen der Sonde Mars Odyssey im Jahre 2002. Dieser aus indirekten Daten (epithermische Neutronen) abgeleitete Befund konnte mit der Landemission Phoenix 2008 direkt bestätigt werden. Damit und aus anderen Beobachtungen ergibt sich das überraschende Bild eines ehemals „feuchten“ Mars, auf dem im Zeitraum zwischen 4.2 und 3.5 Milliarden Jahren einmal ein gemäßigtes Klima geherrscht haben muß, das sogar flüssiges Oberflächenwasser (vielleicht sogar zeitweise in Form eines flachen Ozeans) ermöglicht hat. Ein Großteil dieses Wassers kann tief in die durch Meteoriteneinschläge zerüttete Marskruste eingedrungen sein und dort die bei diesem Bombardement entstandenen Spalten und Klüfte ausgefüllt haben. Diese unterirdischen Wasserreservoire sind dann später an der Oberfläche entweder durch vulkanisches Material überdeckt worden oder es erfolgte eine Isolierung durch eine gefrorene Schicht aus Permafrostboden, die entstanden ist, nach dem sich das Klima in Richtung tieferer Temperaturen rapide verschlechtert hatte. Das Grundwasser geriet auf diese Weise unter einen erhöhten Druck und konnte unter diesen Bedingungen auch dann noch flüssig bleiben (unterstützt durch den Wärmefluß aus dem Planeteninneren), als die Oberfläche des Mars immer mehr vereiste. Im Laufe der Zeit werden aber auch diese wasserhaltigen Schichten gefroren sein.
Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten, auf welche Weise dieses im Untergrund gespeicherte Wasser wieder an die Oberfläche gelangen konnte.
Unter Gebirgsdruck gelangtes Grundwasser tritt plötzlich aus, wodurch der Aquifer soweit entleert wird, bis der hydrostatische Druck wieder ausgeglichen ist. Die „Öffnung“ des Aquifers kann dabei durch tektonische Kräfte oder durch einen Impakt, der die isolierende Oberflächenschicht durchschlägt, ausgelöst werden.
Entstehung einer massiven artesischen Quelle an einer tektonischen Bruchstruktur (Graben). Bei deren Öffnung gelangt das unter hohen hydrostatischen Druck stehende Wasser des Aquifers an die Oberfläche und bildet bei dessen Abfluß ein Ausflußtal. Ein Beispiel für eine derartige Konfiguration ist das Quellgebiet des Mangala Valles, welches unvermittelt an einem tektonischen Graben beginnt. (verändert nach Ghatan et.al. , 2005)
b) Ausfließen von stehenden Gewässern
Es existiert eine Vielzahl von Hinweisen darauf, daß es in der Frühgeschichte des Mars eine gewisse Zeit stehende Gewässer gegeben hat. Dabei kann es sich um Reste eines ehemaligen flachen Ozeans, um Gewässer, die aufgrund eines intakten Wasserkreislaufs unter gemäßigten klimatischen Bedingungen oder durch Aufschmelzen von Grundeis durch vulkanische Tätigkeit entstanden sind, handeln. Wenn solch ein „See“ ausläuft, können sich kurzzeitig riesige Wassermassen landschaftsformend in die Umgebung ergießen. Im Fall des Valles Marineris erscheint es möglich, daß durch vulkanische Prozesse (Dikes) im Bereich des Grabenbruchs große Mengen an Grundeis aufgeschmolzen wurden. Auf diese Weise entstanden vielleicht große Seen, welche die Depressionen ausfüllten und sich später plötzlich nach Osten in das Eos und Capri Chasma entleerten und die dortigen Outflow Channels speisten.
c) endogenes großflächiges Aufschmelzen von Grundeis
Durch beginnende oder sich fortsetzende vulkanische Tätigkeit (Auffüllen flacher Magmenkammern, lokale Erhöhung des Wär-meflusses, Dikes) können Grundeiskörper aufschmelzen und die darüber liegenden Bodenschichten zum kollabieren bringen. Es entstehen großflächige Einsturzbecken mit steilen Kanten und chaotischen Terrain.
Ein schönes Beispiel ist Dao Vallis, welches sich unweit des alten Vulkans Hadriaca Patera befindet. Durch geothermisches Aufheizen sind hier vor mehr als 3.5 Ga offensichtlich große Mengen an Grundeis aufgeschmolzen worden. Daraufhin ist die darüber liegende Oberfläche aus vulkanischen Gesteinen kolla-biert und das unterirdische Wasser plötzlich freigesetzt worden, welches dann in einem bis zu 20 km breiten und fast 1200 km langen Kanal in das Hellas-Becken abgeflossen ist.
Dazu noch eine Anmerkung. Eis, welches bei einem beginnenden Aktivitätszyklus z.B. an den Flanken von Vulkanen aufschmilzt, kann dazu führen, daß das entstehende flüssige Wasser unterirdisch abfließt und dabei früher entleerte Aquifer in größerer Entfernung wieder auffüllt. Auf diese Weise lassen sich einige episodische Wasserausbrüche erklären.
Hochauflösende Aufnahmen der großen Vulkanbauten der Tharsis- und Elysium-Region lassen an Teilen von deren Flanken Oberflächenstrukturen erkennen, die auf eine ehemalige und z.T. massive Eisbedeckung schließen lassen. Insbesondere sind hier die sogenannten „fan-shaped deposits“ zu nennen, die z.B. an den Westflanken der drei großen Tharsis-Vulkane sowie Olympus Mons in unterschiedlich ausgeprägter Form beobachtet werden.
Gebiete um die drei großen Tharsis-Vulkane mit den fächerförmigen Ablagerungen (weiß), die auf eine Eisbedeckung zurückgeführt werden. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich die Eispanzer auf der Leeseite der Vulkane durch Schnee- und Reifablagerungen über mehrere Millionen Jahre hinweg gebildet haben, als dies aufgrund einer veränderten Achsenlage des Mars klimatisch möglich war. Beim „Aktivwerden“ der Vulkane sind dann diese Eispanzer durch die Erwärmung des aufsteigenden Magmas und bei dessen Austritt ziemlich schnell abgeschmolzen und die Wassermassen konnten die sich an den unteren Bergflanken hinziehenden Täler ausformen. Es handelt sich also im Wesentlichen um jökulhlaupsartige Ausflüsse. Auf diese Weise entstandene Täler beginnen beispielsweise am Westhang des Elysium-Vulkankomplexes und erstrecken sich von dort aus bis weit in die Ebenen von Utopia Planitia hinein. Aber auch im Bereich der Tharsis-Aufwölbung findet man derartige Fließstrukturen.
Gebiete um die drei großen Tharsis-Vulkane mit den fächerförmigen Ablagerungen (weiß), die auf eine Eisbedeckung zurückgeführt werden. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich die Eispanzer auf der Leeseite der Vulkane durch Schnee- und Reifablagerungen über mehrere Millionen Jahre hinweg gebildet haben, als dies aufgrund einer veränderten Achsenlage des Mars klimatisch möglich war.
Nächstes Mal: Wasser auf dem Mars
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