Chronologie nach Gesteinsformationen
Aus der Umlaufbahn heraus lassen sich mittels Multispektralfotografie
recht gut bestimmte Gesteinsformationen anhand ihrer Spektralmerkmale
detektieren, klassifizieren und den Ort ihres Vorkommens ermitteln. Da
bestimmte Minerale nur unter Einwirkung von Wasser entstehen können (dazu
gehören verschiedene Phyllosilikate wie z.B. Tone sowie Sulfate wie z.B.
Gips=Calziumsulfat) und Wasser nur in der Frühgeschichte des Mars eine größere
Rolle bei der Mineralisation gespielt haben kann, läßt sich anhand von deren
Verortung auf der Marsoberfläche eine alternative Chronologie entwickeln. So
zeigt sich, daß Ton-Vorkommen nur mit Gebieten koinzidieren, die über
Kraterzählungen dem frühen Noachian zugeordnet werden. Sulfate wurden
offensichtlich erst danach gebildet, sind also jünger. Schwefeldämpfe haben
bekanntlich etwas mit Vulkanismus zu tun. Erst nachdem große Mengen Laven
ausgetreten sind und zu verwittern begannen, wurde soviel Schwefel auf der
Marsoberfläche frei, daß es in wäßrigen Milljöhs Calziumsulfatlagerstätten
bilden konnte. Die Bedingungen dafür waren zumindest an einigen Stellen bis zum
Ende des Noachians gegeben. Danach begann erst die „Rotfärbung“ des Planeten
durch die Bildung von Eisenoxiden auf den Gesteinsoberflächen – und zwar ohne
Wasserbeteiligung.
J.-P. Bibring et al. (2006) entwickelten auf der Grundlage der eben
dargelegten Überlegungen eine alternative Chronologie der geologischen
Entwicklung des Mars, in dem sie insbesondere die Meßergebnisse des OMEGA (Visible and Infrared Mineralogical Mapping
Spectrometer) –Instruments der europäischen Mars-Sonde Mars-Express in
dieser Hinsicht auswerteten. Ihnen standen dazu Aufnahmen mit einer räumlichen
Auflösung von 1.5 bis 5 km pro Pixel von ~90% der Marsoberfläche zur Verfügung.
Ergänzt wurden sie noch durch Messungen des Mars Global Surveyers, insbesondere
von dessen TES (Thermal Emission Spectrometer)
-Instruments sowie den Ergebnissen des
THEMIS (Thermal Emission Imaging System)
-Instruments der Sonde Mars Odyssey.
Die Ären in dieser Chronologie
ergeben sich aus den jeweils vorherrschenden Verwitterungsbedingungen, die
wiederum im Wesentlichen von den atmosphärischen und klimatischen Verhältnissen
und der Präsenz von Wasser (neutral oder mit pH<7) abhängen. In den ersten 2/3 des Noachian waren die
Bedingungen auf dem Mars so, daß sich in stehenden Gewässern Phyllosilikate
bilden konnten. Dann setzte ein verstärkter Vulkanismus ein, der viel Schwefel
freisetzte und die noch vorhandenen wäßrigen Milljöhs immer saurer werden ließ.
Die Bedingungen zur Bildung von Sulfaten verbesserten sich auf diese Weise und
vom Ende des Noachians an bis zum zweiten Drittel des Hesperians konnten sich
Sulfatlagerstätten bilden. Der Anfang dieses Zeitalters wurde durch einen
dramatischen Klimawechsel eingeleitet, in dessen Ergebnis der Planet in einen
trockenen, kalten Zustand mit einer dünnen CO2-Atmosphäre übergegangen
ist, der im Wesentlichen bis heute anhält. Ab dem letzten Drittel des
Hesperians bildeten sich dann auch die dünnen Fe3+-Oxidschichten auf den freiliegenden
Gesteinen aus, die den Mars sein rostiges Aussehen verleihen.
„Mineralogische“
und sich aus Impaktkraterstatistiken ergebende Zeitalter der Marsoberfläche.
Quelle Birring, 2006
Anhand der vorherrschenden chemischen Veränderungsprozesse
lassen sich demnach folgende drei „Zeitalter“ ableiten:
Phyllosian
Neutral-aquatische Prozesse, die zur Bildung von
Phyllosilikaten in Art der Tone führte. Dazu ist eine relativ mächtige,
„feuchte“ Atmosphäre notwendig.
Theiikian (griech.
für „Schwefel“)
Sauer-aquatische Prozesse, bedingt durch die Entnahme von vulkanisch
freigesetztem Schwefel aus der Marsatmosphäre (deren Druck sich während dieser
Zeit stark verringerte) und Überführung dieses Schwefels in Sulfate wie z.B.
Gips an Stellen, wo noch flüssiges Wasser vorhanden war.
Siderikian (griech.
für „Eisen“)
Vulkanische Gesteine (Mg-Fe-Pyroxene) bilden bei ihrer Verwitterung unter Abwesenheit von Wasser rötliche Eisenoxidschichten auf ihrer Oberfläche aus.
Nördlich
des Valles Marineris befindet sich im Lunae Planum die Senke Juventae Chasma,
in der auf Mars-Express-Aufnahmen eine Erhebung aus geschichteten
Sulfatsedimenten entdeckt werden konnte. Diese freiliegenden Schichten, von
denen hier nur ein kleiner Ausschnitt abgebildet ist, bilden einen knapp 60 km
langen und 23 km breiten „Berg“, der auf den OMEGA-Aufnahmen die typischen
Spektralmerkmale von Sulfaten (Gips) zeigt. Quelle Neukum, 2006)
Der Übergang vom Phyllosian zum Theiikian (Late Noachian) zeigt eine signifikante Veränderung der Chemie des Wassers an, welches zunehmend saurer wird. Ursache ist der Beginn Tharsis-Aufwölbung, die mit extensivem Vulkanismus verbunden war. Auch die Ausbildung der nördlichen Flutbasaltprovinzen und der dem Hesperian zugeordneten „ridged plains“ (Phillips et.al., 2001) haben sicherlich zu einem starken Schwefeleintrag in die damals noch dichtere Marsatmosphäre geführt, der als Niederschlag von Schwefelsäure zu einer starken Versauerung der damals noch vorhandenen Gewässer geführt haben dürfte. Alles in allem ideale Bedingungen, um extensive Sulfatablagerungen ausbilden zu können, wie sie in geschichteter Form sehr schön in Juventae Chasma zu sehen sind.
Nächstes Mal: Historische Geologie der Marsoberfläche
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