Die Frage, ob etwas schwierig ist oder nicht, kann man in der Regel nicht pauschal beantworten. Das gilt natürlich auch für die Entdeckung von Exoplaneten. Wenn man liest, daß allein das Weltraumteleskop Kepler über 2000 Exoplanetenkandidaten in petto hat, die noch auf ihre offizielle Bestätigung warten, dann kann man leicht zu dem Schluß kommen, daß die Exoplanetensuche mittlerweile ein Massengeschäft geworden ist. Im Prinzip stimmt das auch. Anders sieht es dagegen aus, wenn man fragt, wie viele extrasolare Planeten man bis heute eigentlich direkt abbilden konnte? Und diese Zahl ist sehr bescheiden: 31 (Stand Mitte 2012). Warum das so ist, läßt sich leicht durch ein Gedankenexperiment plausibel machen in dem man sich vorstellt, man befinde sich auf einem bewohnten Planeten in der Nähe des Zwergsterns Proxima Centauri, also bei dem Stern, der unserer Sonne nach heutigen Kenntnisstand am nächsten steht (Entfernung 4.3 Lj). Und von dort beobachten fiktive „Proxima-Centauri“-Astronomen mit ihren Riesenteleskopen die Sonne („Proxima Centauri“ ist ein Roter Zwergstern mit einer Leuchtkraft von nur 0.0017 L⊙, (Sonnenleuchtkraft) der mit hoher Wahrscheinlichkeit ein stellarer Begleiter des aus zwei sonnenähnlichen Sternen bestehenden Doppelsternsystems Alpha Centauri ist. Um dessen B-Komponente konnten Astronomen der ESO mittels der Radialgeschwindigkeitsmethode einen etwa erdgroßen Planeten auf einer sternnahen Bahn (0.027 AU) entdecken, der seinen Mutterstern einmal in 4.3 Tagen umläuft. Dort ist es übrigens so heiß, daß es dort sicher keine Teleskope und entsprechendes Bedienungspersonal gibt…).
Von der Erde aus gesehen hat die Sonne eine scheinbare Helligkeit von m⊙ = -26.74m, was gemäß
M⊙=m⊙-5(lg D - 1)
einer absoluten Helligkeit von M⊙ =4.83m entspricht, wenn man für D die Entfernung der Erde zur Sonne in pc einsetzt. Daraus läßt sich leicht errechnen, wie hell die Sonne und wie hell z.B. Jupiter (der von der Erde aus gesehen zur Oppositionszeit maximal eine Helligkeit von -2.45m erreicht) von Proxima Centauri aus erscheinen wird: Sonne ~ +0.43m, Jupiter ~21.6m. Und hier offenbart sich schon das erste Problem. Im optischen entspricht das einem Intensitätsunterschied von
m⊙-mJ=-2.5 log(I⊙/IJ ) ≈ -21.2
d.h. Jupiter erscheint rund 300 Millionen mal schwächer als die Sonne. Einen Einzellichtpunkt „Jupiter“ mit einer Helligkeit von 21.6m abzubilden, ist überhaupt kein Problem. Er wäre also durchaus schon mit einem kleineren Teleskop beobachtbar, wäre nicht der riesige Helligkeitsunterschied von 21 Größenklassen. Der maximale Winkelabstand, den Jupiter von Proxima Centauri aus gesehen bei einer seiner Elongationen erreicht, beträgt bei einem mittleren Abstand von der Sonne von a=5.2 AU
tan α=a/D
mit D=272000 AU (=4.3 Lj.) 3.94‘‘. Das stimmt wieder optimistisch, denn solch ein Winkelabstand sollte mittels spezieller Beobachtungstechniken (Sternkoronographen, Nulling-Interferometrie) leicht aufzulösen sein. Außerdem läßt sich der störende Intensitätsunterschied weiter drücken, in dem man im IR-Bereich arbeitet, in dem Jupiter vergleichsweise hell und die Sonne als G2V-Stern vergleichsweise schwach leuchtet. Die Schlußfolgerung, die sich aus dieser kleinen Rechnung ergibt ist die, daß sich Planeten von der Größe Jupiters bei Sonnennachbarn durchaus direkt beobachten lassen, wenn ihr (projizierter) Winkelabstand zum Mutterstern nicht zu klein ist. Dabei ist noch ein kleiner, aber nicht unbedeutender Auswahleffekt zu beachten. Die günstige Elongationsstellung wird im Fall von Jupiter nur alle 6 Jahre erreicht.
Führt man die gleiche Rechnung für die Erde durch, dann muß man leider feststellen, daß die Proxima Centauri – Astronomen sie wohl nicht direkt zu sehen bekommen werden. Sie wäre aber anderweitig äußerst auffällig – man denke nur an das vor 5 Jahren schon nicht allzu gute Fernsehprogramm…
Würde man von Proxima Centauri aus genau auf die Kante der Bahnebene Jupiters sehen (was nicht der Fall ist), dann könnte man dort alle 12 Jahre einen Jupiter-Transit beobachten. Der Intensitätseinbruch mit einer Dauer von ca. 32 Stunden
- ∆I / I⊙ =AJ/A⊙ =(RJ / R⊙ )^2
beträgt ~10^-2 (also 1 % der Sonnenhelligkeit) und sollte deshalb noch leicht zu detektieren sein (übrigens, hier ist es egal, wie weit der Beobachter von der Sonne entfernt ist, denn die Transitmethode arbeitet ähnlich wie die Radialgeschwindigkeitsmethode entfernungsunabhängig).
Ein „Erdtransit“ tritt zwar jedes Jahr einmal auf, aber die dadurch verursachte Intensitätsabnahme ist so gering, daß sie mit den heutigen technischen Möglichkeiten wohl nicht zu detektieren ist.
Als letztes soll hier noch der Frage nachgegangen werden, ob Jupiter eventuell durch die Radialgeschwindigkeitsänderung nachgewiesen werden kann, die sich aus der gemeinsamen Bewegung von Sonne und Jupiter um ihren gemeinsamen Schwerpunkt (die anderen Planeten sollen einmal außen vor bleiben) ergibt. Gemessen wird sie anhand der periodischen Wellenlängenänderung ∆λ aufgrund des Dopplereffektes, die bekanntlich der Radialgeschwindigkeit vr proportional ist. Die Frage, die es demnach zu beantworten gilt, ist die Frage nach der Größe dieser Wellenlängenänderung und ob sie sich mit den heute verfügbaren Spektrographen messen läßt. Damit der Effekt maximal wird, gehen wir auch hier vom „Transit-Szenario“ aus, d.h. die Astronomen auf dem fiktiven Planeten um Proxima Centauri schauen genau auf die Kante der Jupiterbahn.
Nach dem Schwerpunktsatz gilt
r⊙/rJ =MJ/M⊙ ≈10^-3
Die Summe aus der Bahngeschwindigkeit von Sonne und Jupiter läßt sich mit Hilfe des 3. Keplerschen Gesetzes ausrechnen
(vJ+v⊙ )^3=(2π G (MJ+M⊙))/T
wobei man eine Geschwindigkeit von ≈13 km/s erhält.
Das Verhältnis v⊙ ⁄ vJ ist aufgrund des Schwerpunktsatzes gleich dem Verhältnis von Jupitermasse zu Sonnenmasse. Das bedeutet, daß sich die Sonne mit einer Bahngeschwindigkeit von 1.3∙10^-2 km/s (=13 m/s) um den Systemschwerpunkt bewegt.
Die aufgrund des Dopplereffekts erwartete maximale Wellenlängenänderung
∆λ=λ∙|vr/c|
liegt im sichtbaren Licht (λ=700 nm) demnach bei 3∙10^-5 nm. Sie läßt sich also mit modernen Échelle-Spektrographen sicher messen.
Natürlich könnten die Proxima-Centauri – Astronomen die Sonne auch astrometrisch über viele Jahre verfolgen, wobei zumindest mit entsprechenden Satelliten analog Hipparcos eine Genauigkeit von 0.001‘‘ bei den Positionsmessungen erreicht wird. Es ließe sich dann u. U. eine mehr oder weniger komplizierte Wobbelbewegung am Himmel feststellen (hängt davon ab, wie viele Jahrzehnte man beobachtet), aus der sie auf die Existenz von mehreren Planeten, zumindest aber von zwei „jupiterartigen“ (Jupiter und Saturn), um die Sonne schließen läßt. Der allein von Jupiter verursachte Anteil führt – vorausgesetzt, man schaut senkrecht auf die Ekliptikalebene – zu einer Amplitude von 0.0038‘‘. Sie liegt damit in einer Größe, die mittels Satellitenastrometrie noch gut meßbar ist.
Anhand dieser einfachen Rechnungen läßt sich ein Gefühl dafür entwickeln, wie leicht oder wie schwierig die Beobachtung extrasolarer Planeten wirklich ist. Mit den entfernungsunabhängigen Methoden (Transit, Radialgeschwindigkeit) lassen sich offensichtlich Gasplaneten aus der Gruppe der jupiters (und eventuell auch der neptunes) vergleichsweise einfach detektieren, wenn sie auf sternnahen Bahnen (Umlaufszeit Tage bis Wochen) ihren Mutterstern umlaufen und auch ihre Bahnlage in Bezug zur Erde stimmt. Je größer ihr Abstand vom Mutterstern ist, desto geringer ist auch die Wahrscheinlichkeit, daß sie überhaupt entdeckt werden. Mit derartigen Auswahleffekten hat man generell in der Exoplanetenforschung zu kämpfen. Sie erschweren insbesondere statistische Untersuchungen der galaktischen Exoplanetenpopulation, da sie eine sehr inhomogene Stichprobe liefern, in der immer noch massearme Planeten (super earths und earths) als auch massereiche Gasplaneten in sternfernen Umlaufbahnen kaum repräsentiert sind.
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