Dienstag, 28. November 2017

Wanderung von Pankratz zu den Kriesdorfer Rabensteinen (Nordböhmen)


Herrliches Herbstwetter mit sommerlichen Temperaturen ist angekündigt. Es ist die rechte Zeit, dem Jeschkenkamm einen Besuch abzustatten, denn die Mischwälder zeigen sich zu dieser Jahreszeit in den goldigsten Farben. Des weiteren erwartet uns auf der Wanderung die verlockende Aussicht auf die Kegelberge des Polzenlandes. Erwartungsgemäß zeigt sich auf der Anreise schon bald die Kirche des Hl. Pankratz im gleichnamigen Ort (Jitrava) im schönsten Sonnenlicht, von den Hängen des Kalkberges (Velký Vápenný) leuchtet der Buchenwald herüber. Von der Kirche aus lenken wir schnell unsere Schritte dort hin. Der Plan ist, immer entlang des Waldsaumes zunächst in Richtung Schönbach (Zdislava), dann weiter gegen Kriesdorf (Křižany) zu laufen. Innerhalb weniger Minuten jedoch ist es verhangen und aus den sich vor dem Jeschkenkamm stauenden Wolken fängt es zu nieseln an (zum Donnerwetter noch einmal!). Vorbei ist es mit der Sicht auf die Kegelberge. 

Der Weg führt bald durch weitläufiges Wiesengelände, welches sich über die Hanglagen des Gebirges erstreckt. In der Ortschaft Schönbach queren wir ein kleines Seitental, welches kaum zu sehen ist, wenn man die Straße von Pankratz nach Kriesdorf befährt. Hübsche Grundstücke domizilieren in dem Taleinschnitt zum Jeschkenkamm hin. Hinter dem Dorf geht es wieder hinaus auf Wiesen und zwischen Weidezäunen ziemlich weit hinauf in Richtung Kamm. Optimisten meinen, in dem verhangenen Himmel erste Wolkenlücken und blauen Himmel erspäht zu haben. Und endlich, als wir die Rabensteine (Krkavčí skály) bei Kriesdorf erreichen, ist die Sonne da. Eine kleine Plattform unterhalb der mächtigen Felszacken ist gut geeignet für eine Rast. Uns erfreut die schöne Aussicht zum Jeschken und über Kriesdorf. Von Kriesdorfer Seite konnte man früher auch schön die Vajolet-Türme genannten Kletterfelsen in ihrer vollen Pracht sehen. Heute sind sie von Wald umsäumt und nur der obere Teil der Türme schaut über den Wipfeln heraus. 

Durch ein aufgelockertes, stilles Wald- und Wiesengelände kehren wir weglos nach Schönbach zurück. Wir haben es von unserer Kammwegtour in guter Erinnerung. Unvermittelt gibt es, je nach Sichtachse, schöne Ausblicke zum Jeschken oder dem Lausitzer Gebirge. In Schönbach betreten wir den geheimnisvollen Johnswald, den wir - vor allem, wenn es zum Silberstein geht – immer wieder gern durchstreifen. Dass der Johnswald eine vergessene, aber durchaus interessante Gegend ist, lernen wir aus aus dem Buch ‚Der Falkner von Falkenburg‘ (Aussig, 1. Band) von Josef Alfred Taubmann.

Wer den einsamen, stillen Weg vom Lämberger Schlosse nach den alten Jeschkendörfern Seifersdorf und Kriesdorf hin wandert, kommt durch einen großen, grünen Wald, welcher sich in seiner urwüchsigen Wildheit behaglich über Berg und Tal, über Sandschluchten und Schlünde, über Hügel und Niederungen dahinstreckt.

An seinem Umfange erhebt sich, stillen Wächtern gleich, ein Kranz von blauen Bergen. Im Osten winkt die alte, ehrwürdige Jeschkenkoppe herüber, der Rigi des deutschen Nordböhmerlandes, im Süden halten Silberstein, der Spitzberg, die ehrwürdige freundliche Dewinsburg und der ruinengekrönte Rollberg treue Wacht. Gegen Abend hin erhebt sich der breite massige Tolz, sodann rechts sich der Limberg, dann der riesenzuckerhutähnliche Kleis und gegen Mitternacht halten Lausche und Hochwald und deren Nachbar, der sagenumwobene Falkenberg, Wacht.

Diesen Wald umstehen in stundenweitem Kreise die alten Ortschaften Pankratz, Schönbach, Kriesdorf, Seifersdorf, Dubitz, Waldau, Gabel, Lämberg, Jüdendorf und Ringelshain, aber fast mitten im Johnswalde liegt das einsame alte Walddorf Johnsdorf mit seinen wenigen stillen, altfränkischen Bauerngehöften und armseligen, niedrigen, strohgedeckten friedlichen Häuslerhütten. Wer diesen Johnswald nur einmal gesehen oder gar betreten, dem geht das Herz auf voll banger Ahnungen und geheimnisvoller Erwartungen.

Meilenweit dehnt sich dieser mächtige Forst. Hier zeigt er seine alten, melancholischen, graugrünen, harzduftenden Kieferbestände mit dem gelichteten Waldboden, oft bewachsen von üppigem Heidekraut, dort wieder zeigt er seine frischgrünen tausend und abertausend herrlichen Fichtenhäupter, drüben wieder stützen viele ungezählte glatte Buchensäulen das wirre Gurtengewölbe des natürlichen gotischen Domes, mit seinem Deckengewölbe mit ungezählten Fenstern von zierlichstem Maßwerk, der Äste, welches ein grüngoldiges Oberlicht auf den Waldgrund herniederrieseln läßt, der mit dem unendlichen Heere blühender Waldblumen prahlt. Am Hügelhange wieder prangt im Sonnengolde der liebliche Birkenwald mit seinen weißen Silberstämmen und hängenden Fahnendächern. 

Herrlicher, frischer Jungwald, voll jauchzenden Vogelsanges, strebt daneben zum klaren, blauen Himmel empor. Mitten aus dem Grün erheben sich da und dort zerrissene und zerbröckelte Felszacken und graue seltsam gestaltete Wände gleich alter Ruinen neugierig über das Walddach hervor.

Zwischen ihnen verlieren sich graue, stille Pfade zu bangen Irrgängen und geheimnisvollen Schlupfwinkeln. Und wo das Blätterdach noch einen Strahl des Lichtes hindurchläßt, da wuchern vergnügt die blauen Heidelbeeren auf dem Waldboden und im Kiefernschlag leuchtet die brennend rote Preiselbeere aus dem Immergrün ihrer zarten Blätter wie tausend kleine Perlen böhmischer Granaten, die auf grünem Samte liegen.

Im vollen Lichte des Hanges lacht die lockende süße Erdbeere und den steinigen Hang deckt mitleidsvoll und mütterlich das wirre Gerank der Brombeerhecken mit ihren pechschwarzen Früchten, die gleich kohlschwarzen Zigeuneraugen unter schattigen, wilden Brauen hervorleuchten. Im geheimnisvollen Waldesdunkel ist das zahlreiche Heer der Schwämme daheim und die geschäftigen Waldgeister, welche die grüne Waldeinsamkeit beleben, finden überall reichlich zu jederzeit den Tisch gedeckt.

Und erst die brennend roten Trauben des Waldhollunders dort am Kahlschlag! Welche Pracht! Welch Vogelparadies?

Und wenn uns heute dieser Johnswald heilige, ernste und süße Schatten in der heimatsliebenden Seele weckt, wenn er uns heute den gotischen Herrgottswald vor die sehnsüchtige gottsuchende Seele zaubert mit seinen tausend und abertausend aufstürmenden Wipfeln und uns zu heiliger Andacht bewegt, uns an Gott mahnt, uns Labung, Kühlung, Ruhe und Trost winkt und wir ihm nicht und seinen Lockungen widerstehen können, umsovielmehr muß dieser alte Heimatswald in früheren Jahrhunderten durch seine jungfränliche Natur auf das Gemüt unserer Ahnen, durch seine waldursprüngliche Einsamkeit, Ruhe und erhabene Majestät, durch sein Locken und Verheißen eingewirkt haben!

Und wenn des Krieges rauhe Horden die herrlichen Gaue Nordböhmens durchbrachen, die rauhen Stürme der Zeiten drüber hinwegbrausten, da flohen unsere vielgeprüften Ahnen in dieses Waldheiligtum, das ihnen Schutz gewährte in der Stunde der Gefahr. In seine Verstecke flohen sie oft mit Weib und Kind, mit Gut und Habe.

Dieser gewaltige, uralte Herrgottsforst gehörte, wie wir aus alten Urkunden erfahren, schon im vierzehnten Jahrhunderte zur Herrschaft Lämberg und war einst Eigentum derer von Löwenberg. Hasko von Lamberich schenkte den Gabler Dominikanermönchen dort ein Stück Wald, in welchem die frommen Patres ihren Holzbedarf schlugen, womit sie ihren ,,Konvent“ erwärmten.

Noch heute erinnert an diese weißen Brüder, die schon Jahrhunderte in ihrem letzten Hause, in der Gabler Gruft ruhen und der Auferstehung harren, eine Waldparzelle: die Pfaffentilke. Von dem großen Wildreichtum jener Zeit geben uns noch heute die Wolfssteine, das Bärloch und der Sauberg blasse Kunde.

Hirsch, Bär und Wolf waren hier keine Seltenheit. Aber der alte Meierhof Johnsbach, wo einst Hasko sein schönstes Vieh stehen hatte, ward in der Zeit des Hussitensturmes dem Erdboden gleichgemacht. Kein Stein ist mehr auf dem andern geblieben. Wüst und leer ist die Stätte und heißt heute mit Recht und Fug ,,Wüstewiesen“. Hier haben wir als Kinder noch Krüglein saftiger Brombeeren gepflückt und mit Wohlbehagen nach Hause getragen. 

Der deutsche Schelch, der einst in diesem Johnswalde mit seinen Geweihschaufeln die dicken, moosigen Buchenstämme gefegt, der Waldeber, der seine Hauer in die Rinde hieb, die Wildsau, die mit ihrem Rüssel den Sumpf durchwühlte, der Wolf, der nachts lüstern den alten Meierhof und die Schafställe umkreiste und, von Hunden vertrieben, heulend wieder abzog, der Bär, der vorzeiten hier seine Schnauze in hohle Bäume, nach wildem Honig spähend, steckte, sie alle sind nun ausgerottet.

Der letzte Bär wurde im Jeschken anno 1678 erlegt. Heute stört nur der Axtschlag des Holzfällers den Waldesfrieden und der Schuß der Jägerflinte zerreißt die Waldesstille auf kurze Augenblicke und auf der Waldwiese, wo einst die sagenhaften Holzweiblein in mondhellen Sommernächten ihre kindlichfrohen Reigen aufgeführt, äst heute nur das schlanke, scheue Reh. 

Und wo einst der Wilde Jäger, der alte Wodan, in den Zwölfnächten bei fruchtverheißendem Rauhreif mit heulenden Hunden durch den gläsernen Wald gejagt, dort heult heute nur der frostige Winterwind, bricht Äste und Bäume und schreckt den klagenden Uhu aus seinem verborgenen Winkel.‘ 

(Wer so schön vor sich hin fabuliert, kann unmöglich von Fernsehen und Internet abgelenkt und verdorben gewesen sein. Josef Alfred Taubmann lebte von 1859 bis 1938)

Einstweilen haben wir den Johnswald hinter uns gebracht und streben dem Pankratzer Kirchberg entgegen. Alsbald sind wir zurück in Pankratz.

Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.



      Kirche zum Hl. Pankratz


Landschaft am Jeschkenkamm bei Schönbach. Die Sicht auf die Kegelberge im Polzenland ist heute etwas verhangenen





Ab Mittag ist die Sonne da. Und schon verbessert sich der Blick auf die Landschaft, Aussichten aus dem Umfeld der Rabensteine. Nur das Haupt des Jeschken ist anfangs noch etwas umwölkt










Die Vajolettürme in früherer Zeit. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Blick durch fehlenden Baumbestand wenig bzw. gar nicht eingeschränkt


  Stille Parklandschaft zwischen Kriesdorf und Schönbach








Von Schönbach geht es durch den Johnswald zurück nach Pankratz






Eine Bahnfahrt auf der Nebenstrecke von Niemes (Mimon) nach Reichenberg (Liberec) ist schon wegen der schönen Landschaft ein besonderes Erlebnis (hier vorbei am Pankratzer Kirchberg)


Zurück in Pankratz

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