Freitag, 9. April 2021

Wanderung zu den Höhen-Kuppen um Bertsdorf

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz

Bertsdorf ist ein lang gedehntes Reihendorf westlich von Zittau, welches sich entlang der Bertse hinauf zu den umgebenden Höhen hinzieht, von denen das Dorf umschlossen ist. Diese Höhen sind im Norden und Westen von kleinen vulkanischen Kuppen besetzt, die uns bei unserer heutigen Wanderung interessieren. Bertsdorf war schon vor der Wende 1989 ein schmuckes Dorf, dessen Bewohner großen Wert auf die Erhaltung ihre Fachwerkhäuser gelegt haben. Ich würde es zu den schönsten Dörfern der Oberlausitz zählen. Das Dorf hat eine lange Geschichte.

(alle nachfolgenden Zitate finden wir bei Carl Gottlob Moráwek, Heimatforscher, „Geschichte von Bertsdorf bei Zittau“, 1867)

Bertsdorf möchte wohl schon, als Zittau noch Flecken oder Dorf war, vorhanden gewesen sein, und man kann wohl annehmen, daß Deutsche Begründer desselben waren. Spuren, daß einst Heiden (Slaven) hier gewohnt, haben sich durch Auffindung von Todtenurnen und anderer an die Heidenzeit erinnernden Geräthe, bis jetzt noch nicht erwiesen, obwohl man in Zittau mehrmals Todtenurnen gefunden hat. Bei dem hohen Alter des Ortes ist es daher kein Wunder, wenn selbst der ursprüngliche Name desselben ebenso zweifelhaft als sein Ursprung selbst erscheint und unbestimmt bleibt.

Erstmals erwähnt wurde der Ort 1352. Wir beginnen unsere Wanderung am Sportplatz von Bertsdorf und schlagen den Weg ein zum Seidelsberg (früher auch Roscherberg geheißen), dessen vulkanische Kuppe sich jenseits des Bertsetales über dem Dorf erhebt.

Der Seidelsberg, zunächst an vorigen [gemeint ist der Breiteberg] angrenzender, minder erhabener, meist mit Nadelholz bewachsener, ganz isolirt in Feldern liegender Berg auf dem Gute Nr. 279 gegenwärtig dem Gutsbesitzer Herrn Karl August Seidel gehörig. Ihn macht ein auf seiner Höhe befindlicher, aber nicht immerfort benutzter Steinbruch merkwürdig. Das hier gebrochene Gestein spaltet eben so leicht, als eben und regelmäßig. … Die Aussicht von ihm steht allerdings der des Breitenberges, ja selbst der des Steinberges nach, gewährt aber doch dem Auge ein schönes romantisches Bild; man erblickt, so weit sie nicht der breite Berg verdeckt, dieselben Berge und Ortschaften, wie sie die Höhe des breiten Berges darbietet.

Durch die Sturmschäden der letzten Jahre und die damit verbundene Abholzung erwartet man nunmehr von seinem Gipfel eine bessere Aussicht. Der Schein trügt, aber die zerklüfteten Felsen auf dem Dach des Berges laden zu einer ersten Rast ein. Beim Verlassen des Berges fällt unser Blick bereits auf die nächste Kuppe, über die unsere heutige Wanderung führen soll, den Steinberg.

„Ein kahler Felsengipfel im Oberdorfe westlich dem Breiteberge gegenüber befindlich, vom Seidelsberge durch eine hohe Ebene „die Katzenheide“ genannt, getrennt. …. Er besteht aus mehreren wundervoll schön gebildeten fünfkantigen kolossalen, hornartigen Porphyrsäulen, und hat schon Manchen, welcher diese Säulen für Basalt hielt, zu der irrigen Vermuthung veranlaßt, es müsse hier ehemals der Krater eines Vulkans gewesen sein. Ueberhaupt findet man in unserer Gegend an einigen großen Porphyrschieferfelsen, daß ihr Gestein säulig gespalten gefunden wird, z.B. am Oderwitzer Spitzberge, am Lichtenberger Steinberge, am Roll- und Pfefferberge zu Großschönau, am Unglücksstein bei Waltersdorf u.a., aber nirgends zeigt sich dieses schöner und merkwürdiger, als am hiesigen Steinberge und dessen vorstehender Felsenstirne „der Katzenkopf genannt“. Dieser schöne Fels, von wo aus die hiesige Pfarrwohnung ein schloßartiges Ansehn gewinnt, der überhaupt dem Auge eine reizende Aussicht bietet, liegt auf einer mäßigen , mit sehr vielem Gestein besäeten, nach Saalendorf zu gelegenen Anhöhe. … Den K.S. Leibarzt und Maler Herrn Dr. Carus sprach dieser Fels so an, daß er ein Ölgemälde davon fertigte.

Geognostische Landschaft

Die Namen „Katzenhaide und Katzenkopf“ erklären sich dadurch, daß sich 1667, hier noch wilde Katzen aufhielten, wo aber die Katzenhaide nicht wie heute Feld, sondern wohl dichter Wald war. Im Jahre der Noth und Theuerung 1847 ließ der damalige Besitzer dieses Berges Herr Stübler diesen kahlen Berg cultivieren und mit Laub- und Nadelholz bepflanzen, wodurch er zugleich (durch Arbeitgebung) Wohlthäter der notleidenden Armen ward. Von den bei der Urbarmachung gewonnenen Steinen ließ er eine Einfassungsmauer um das ganze Waldstück und in einer höchst romantisch zwischen Laub- und Nadelholz-Dickicht sich befindlichen Steingruppe, ein verschließbares Kirrhäuschen anlegen, sowie die Katzenkopfhöhe besteigbar machen.

Die Katzenköpfe sind heute vollkommen von Wald überwuchert und man muss in das Dickicht eindringen, um die Gesteinsformationen sehen zu können. Unser nächstes Ziel – eines meiner heimischen Favoriten - ist der Pocheberg, südlich vom Steinberg gelegen. Über den Pocheberg hat uns Morawek leider keine erklärenden Ausführungen gemacht, dafür aber über die anliegenden unscheinbaren Taubenberge

Eine lange nach Jonsdorf zu befindliche Anhöhe, welche sich am Steinberg anschließt und zu den Grundstücken …gehört. Dieser Berg ist größtentheils zu Feldfluren umgewandelt, doch ragt noch an einigen Orten der hornartige Porhyr hervor. Die eine Anhöhe ist noch theilweise bewaldet wird im Munde des Volkes „Hahm-Jörgs-Liebsberg“ genannt und wird zuweilen als ganz geeigneter Ort, zu Kinderfesten benutzt, z.B. 1861. Man genießt von ihnen eine sehr freundliche Aussicht nach den Jonsdorfer Steinbrüchen, nach der Lausche, Saalen- und Waltersdorf, Warnsdorf etc., über Bertsdorf hin dagegen nach Zittau und seiner Umgebung. Leske nennt sie die „Taubenstallberge“, das Volk dagegen die „Taubenstell‘ge“. Es erinnert an die Zeit, wo hier wilde Tauben nisteten und man auf sie aufstellte, um sie zu fangen. … Von hier ziehen sich die Anhöhen oberhalb Bertsdorf südwestlich herum, und verlieren sich nach Jonsdorf zu, nach und nach in eine ausgebreitete Ebene. Diese bisher erwähnten Berge und Höhen begrenzen oberhalb Bertsdorf gegen Waltersdorf, und Großschönau zu, ein weit größeres und ausgebreiteteres, nach Westen hin eben auslaufendes Thal.

Nach dieser Schilderung kann man davon ausgehen, dass der lange Höhenzug des Pocheberges mit inbegriffen ist. Er wird von beiden Seiten bis zur Kammlinie beweidet, so dass es ratsam ist, diese herrliche Lage außerhalb der Austriebzeiten zu besuchen. Man wird mit unglaublich schönen Aussichten von hier belohnt, bei günstigen Sichtverhältnissen sind bis weit in das Frühjahr hinein die schneebedeckten Kämme des Riesengebirges zu sehen.

Wir wandern über Hänischmühe zum Grundbachsee in Olbersdorf und weiter über die Felder zurück nach Bertsdorf. Wie es sich für einen anständigen Chronisten gehört, hat Morawek auch noch ein wenig über epidemische Krankheiten erzählt, von denen Bertsdorf heimgesucht wurde, z.B. die Grippe

1837. In den Monaten Januar und Februar wurde unsere Gemeinde (so wie es auch in der ganzen Umgegend der Fall war) von einer eigenthümlichen Krankheit, „die Grippe“ genannt, durchgehends heimgesucht, welche Frost und Hitze, Reißen und Stechen in allen Gliedern verursachte; fast keine Familie des Ortes blieb davon verschont, öfters lagen in einem Hause sämmtliche Bewohner krank, so daß keins das andere bedienen konnte, jedoch starben nur sehr wenige daran“.

Das erinnert ein wenig an die Berechnungen von John Ioannidis, der für Covid-19 eine Letalität von 0,15% ermittelte (siehe hier), aber bloß ungern erwähnt wird.

Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.





Der Seidelsberg und seine Umgebung










Blühende Rapsfelder zwischen Seidelsberg und Breiteberg



Unterwegs zum Taubenberg



Aussichten vom Pocheberg


















Unterwegs zum Grundbachsee










 

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