Sonntag, 13. August 2023

Der Friedensturm in Weinböhla

Ein Gastbeitrag von Rainer Gründel, Zittau-Olbersdorf


Im Elbtalkessel zwischen Meißen und Coswig liegt der Ort Weinböhla. Hier gibt es gleich drei Aussichtstürme.
Einer davon ist der Friedensturm, einst erbaut als Bismarckwarte oder Bismarckturm.


Vom Stadtzentrum Weinböhla fährt man auf der S80 Hauptstraße-Brückenstraße-Moritzburger Straße. Von dort gelangt man über die Hohe Straße oder die Wilhelm-Wiesner-Straße zum Turm. Parkmöglichkeit gibt es an der Straße in unmittelbarer Turmnähe.


Im Normalfall stehen Sie dann vor einer verschlossenen Tür. Zum Betreten benötigen Sie einen Schlüssel.


Den erhält man gegen eine Kaution in der Touristeninformation am Kirchplatz oder besser in der Gaststätte Laubenschlösschen, nur etwa 250 Meter vom Turm entfernt.


Damit steht dem Betreten des Turmes nichts mehr im Wege.


Zur Geschichte:
Der Rittergutsbesitzer C. W. Wießner holte 1901 die Genehmigungen für den Bau einer Bismarckwarte auf dem mit 206 Metern höchsten Punkt im Osten von Weinböhla ein. Grundsteinlegung war am 01.04.1903.
Die Baukosten von 7500 Mark übernahm Wiesner.
Alte Postkarte um 1905      
 

Die gesamte Anlage wurde aus Bruch- und Ziegelsteinen errichtet.
Nach nur fünf Monaten Bauzeit fand am 30.08.1903 die Einweihungsfeier der Bismarckwarte statt und der Turm wurde in das Eigentum der Stadt Weinböhla übergeben.
Foto von der Infotafel am Turm      


Der Turm ist 20 Meter hoch und steht auf einer 2,5 Meter hohen Terrassenanlage, die einer kleinen Burg gleicht. Damals war die Anhöhe noch weitgehend unbewaldet.
Alte Postkarte um 1910


Der Bismarckturm wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt. Nach 1945 wurde er „Hoher Turm“ oder auch „Turm der Jugend“ genannt und nach Sanierung 1956 in „Turm des Friedens“ umbenannt. In den 1970-er Jahren musste das Bauwerk wegen Beschädigungen geschlossen werden.
Der Baumwuchs hatte in der Zwischenzeit stark zugenommen.
Alte Postkarte um 1974      


Die Baumaßnahmen von 1987 verzögerten sich bis zur Wiedereröffnung 1992. Das 100-jährige Turmjubiläum wurde am 14.09.2003 gefeiert.
Den vollständigen Text von der Infotafel am Turm finden Sie im Anhang.      


Über 16 Stufen gelangt man auf die Terrasse, deren Brüstung mit acht Zinnentürmchen ausgestattet ist.       


Auf der Terrasse vor dem Turmeingang – Hier hat in zwei Jahrzehnten der Zahn der Zeit am Gemäuer genagt.      


Über der Tür befand sich einst eine Sandsteintafel mit der Inschrift 
Des Fürsten Bismarck Ruhm verkündet,
Die Warte stolz auf Bergesrand.
Er hat das Deutsche Reich gegründet,
Geeint das Deutsche Vaterland.
Bleibt auch in Eintracht ferner stark!
Seid treue Deutsche bis ins Mark!


Statt der entfernten Tafel wurde die Widmungstafel mit der Inschrift
Frieden!
Erbaut 1903
Wilh. Wiesner
Erneuert 1956
Erwin Schäfer
über dem Eingang angebracht.


Nach insgesamt 69 Stufen erreicht man die obere Aussichtsebene.


An der Dachkonstruktion sind die Haupthimmelsrichtungen angegeben.


Blickrichtung Coswig-Dresden


Orientierungstafeln sind vorhanden, doch der Baumwuchs verhindert die freie Sicht!


Deshalb ist die Aussicht leider stark eingeschränkt.


Deshalb nur einige wenige Durchblicke:
Rechts der Keulenberg (413 Meter), links hinten der Walberg (360 Meter)


Schloss Lauben


Die Schlossvilla am Osterberg in Cossebaude


Die drei Wasserschlösser vom Pumpspeicherwerk Niederwartha


Der Polenzer Turm


Meißner Dom und Albrechtsburg


Blick nach unten zur Terrasse vom Turm


Der Friedensturm in Weinböhla ist auf jeden Fall einen Besuch wert, da er eine völlig andere Bauweise als die damals üblichen Bismarcktürme hat. 
Und bitte nicht vergessen, den Schlüssel zurück zu bringen!


Vor dem Turm steht dieser Gedenkstein für den Freiherrn von Drais, dem Erfinder des Fahrrades.


Die WANDER CARD vom Friedensturm in Weinböhla



Anhang – Text von der Infotafel am Turm:


Der Friedensturm
(ehemals Bismarckwarte. Bismarckturm, Hoher Turm, Turm der Jugend)

Höhe: 20 m
16 Stufen zur 2,5 m hohen Terrasse 69 Stufen zur Aussichtsplattform
Material: Bruch- und Ziegelsteine
Bauanregung: C.W.Wiesner 
Bauausführung: H.A.Kannegießer
Einweihung: 30.August 1903

Die Entstehung des Aussichtsturmes im Jahre 1902/03 fällt in eine Zeit, in der in Sachsen das natur- und heimatkundliche Interesse wuchs, die Landschaft als Natur- und Erholungsgebiet zu entdecken und mehr und mehr zu erschließen. Die zunehmende Industrialisierung, die Bevölkerungskonzentration in der Enge der wachsenden Städte und die Rückständigkeit der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse führten zu einer verstärkten Hinwendung zur Natur, in der man Ausgleich und Erfrischung suchte. Aussichtstürme gehörten zu den besonderen Anziehungspunkten in der Landschaft, um einen Überblick über das Gebiet zu erhalten und die Fernsicht zu genießen. Im sächsischen Raum gab es zur Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 bereits mehr als zehn Aussichtstürme. Bis Mitte des 20. Jahrhundert kamen noch weitere sechzig hinzu. In Weinböhla gab es bereits im Jahr 1917 sieben Türme. Die Finanzierung des zuerst Bismarckwarte, später Bismarckturm genannten Turmes erfolgte über eine von dem Kulturtechniker C.W.Wiesner gegründete Aktiengesellschaft. Der ehemalige Name „Bismarckturm“ geht auf die in Deutsch- land Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführte Tradition zurück, des „Einheitskanzlers“ und Reichsgründers von 1871, Otto von Bismarck (1815-1898), zu gedenken. So wurden vielerorts jährlich am 1. April, dem Geburtstag, und am 30.Juli, dem Sterbetag, Gedenkfeuer auf Säulen und Türmen entfacht. Der Weinböhlaer Bismarckturm, der heutige Friedensturm, war dafür aber nie konzipiert. Auf ihm befand sich keine Feuerschale.
Ab 1945 hieß der Aussichtspunkt „Hoher Turm“, zeitweilig auch „Turm der Jugend“. Es gab jedoch an dem Bauwerk der Gründerjahre erhebliche Schäden, so dass die Restaurierung zum Erhalt des denkmalgeschützten Objektes unerlässlich wurde. Dank galt in den schweren Nachkriegsjahren vor allem Herrn Erwin Schäfer, der als Geldgeber die Restaurierung des Turmes ermöglichte. Baumeister Herbert Marx übernahm die gesamte bautechnische Instandsetzung. Zur Einweihung des restaurierten Turmes am 7.Juli 1956 mit den Weinböhlaer Posaunenbläsern, dem Volkschor Weinböhla sowie dem Sebnitzer Bergsteigerchor erhielt das renovierte Bauwerk den Namen „Turm des Friedens“. In den 1970er und 1980er Jahren setzte jedoch eine böswillige Zerstörung des Turmes und seiner Anlagen durch Jugendliche ein, die soweit führte, dass er unbegehbar wurde und geschlossen werden musste. 1988 beschäftigten sich Weinböhlaer Bürger erneut mit dem desolaten Zustand des Turmes und man suchte nach materiellen und finanziellen Möglichkeiten, um einen der letzten der Weinböhlaer Aussichtstürme vor dem Verfall zu retten. Mit Hilfe von heimatbewussten Bürgern und der Unterstützung territorialer Handwerksbetriebe, wie den Firmen Reschke, Hänisch, Gersdorf, Graf u.a. konnte der inzwischen 89-jährige Turm ab August 1992 wieder bestiegen werden. Am 2.Juli 1994 fand hier das erste Turmkonzert statt. Wegen des schlechten Grundzustandes in der Bausubstanz und wegen Feuchtigkeitseinwirkung sind jedoch ständig Erhaltungsmaßnahmen erforderlich. Vor einiger Zeit sind durch die Interessengemeinschaft Ortslehrpfad an den Aussichtsluken Richtungstafeln angebracht worden, die eine bessere Orientierung in der Landschaft ermöglichen. Am 14.09.2003 wurde der 100. Jahrestag des Turmes feierlich begangen, umrahmt von einer Fotoausstellung der IG-Ortslehrpfad und dem Auftritt der historischen Radgruppe des Radfahrerverein Weinböhla.
  

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