Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz
Das Wanderjahr neigt sich nun langsam wieder dem Ende zu, Zeit also, dem Isergebirge noch einmal einen Besuch abzustatten und die Herbststimmung an seinen nördlichen Ausläufern einzufangen. Am schönsten ist es wohl am Mittagsberg. Der erste Teil unserer Wanderung verläuft anfangs auf bekannten Wegen. Wir starten in Ferdinandstal (Ferdinandov) und wandern durch die Schlucht der Weißen Stolpich (Kleine Stolpich) (Bílý Štolpich) aufwärts und nicht wie Herr Wilhelm Müller-Rüdersdorf, der uns seine Wanderung den Weg bergab schildert. Man kann jedoch die Schönheit des Tales nicht romantischer beschreiben als Müller-Rüdersdorf .
„Den Pilgerweg nennt man den eng umwipfelten Pfad, den wir zu langer, abseitiger Streife betreten haben. uns gilt er als die zauberschönste aller isergebirgischen Wanderstrecken, namentlich in seinem letzten Teile, der Schlucht der kleinen Stolpich, die wir auch noch hinabschlendern wollen. Vorerst hebt sich unser Weg über den Ölberg, den man auch unpoetisch als Abtsknochen vermerkt. Er ist der äußerste Vorposten des Haindorfer Kammes, dem auch die Schöne Marie, der Basler Berg und der Mittagsberg mit seinen Ausläufern: Oberer Hemmrich und Pferdekopf, zugehören. und in unserer Richtung noch der Gerlachsheimer Berg, den wir auch bald in diesem Reich der tiefsten, wälderumfriedeten Traumstille übersäumen. Bis es dann, immer in schmalen Baumsäulengängen, abwärts geht. Mehr und mehr umhockt uns dabei die Wildheit riesiger Trümmerblöcke. Allenthalben starren uns diese aus den Dämmerhallen des Fichten- und Mischwaldes entgegen, hier und da wie verwunderte Ungeheuer, wie verwunschene Berggeister nahe an uns heranrückend. Wieviel Baumgeschlechter wohl diese Würfe der Weltschöpferfaust schon mit stummer, stumpfer Gebärde umdunkelt haben? Moosbärte verdecken hier und da das graue Steingefurche und rufen den kindlichen, wonneschaurigen Glauben an gnomenhafte Rüttelweiblein und graue Männel wach. Ist’s uns doch auf einmal, als luge dort hinter der Grünecke eines dachenden Felsens das gelbe Runzelgesicht eines zwergigen Buschweiblein hervor, einen dicken Wurzelstrang überstolpernd. Und je tiefer wir die Schlucht der kleinen Stolpich hinabspringen, um so zahlreicher schart sich das wildgeformte Felsbrockengeschiebe. Einer der granitenen Stühle rechts ladet zur Ausschau ein. Und gewaltig mit seinen Steilstürzen öffnet sich vor ihm der Westhang der Vogelkoppenhöhe, die sich keilförmig zwischen Schwarze und Kleine Stolpich einschiebt und deren Anschluß die Schöne Marie bildet. Nicht minder schroffrandig und trümmerüberbeult tritt auch diese vor uns, ihren Namen weniger durch die sanfte Schönheit ihres üppig wallenden Buchenlaubgoldes, als durch ihre felsige, trotzige Wildschönheit beweisend. Daß kletterkühne Ergründer ihrer Wesenheiten einen Teil des Berges die Wilde Marie heißen, mag hier nicht verschwiegen bleiben. Weiter unten muten uns mehrere der mächtigen Steinkolosse im herbstlichen Buntwalde des Vogelkoppenhanges ganz wie Ruinen kleiner Raubburgen an.“ („Das Riesen- und Isergebirge: ein schlesisches Heimatbuch“)
Der Weg durch die Schlucht ist ein Pilgerweg, der von Reichenberg (Liberec) nach Haindorf (Hejnice) über das Gebirge kommt, auf einen zweiten Pilgerpfad kommen wir noch zu sprechen.
Durch die Regenfälle der letzten Zeit sind die zu Tal gehenden Sturzbäche kräftiger, als wir es bei früheren Wanderungen erlebten. Mit Austritt aus der Schlucht hat man die wesentlichen Höhenmeter geschafft, der Anstieg zum Mittagsberg (Polednik) ist eine bequeme Zugabe. Obwohl die Vorhersage für den Tag schönes Wetter ankündigte, hält sich der Nebel auf dem Kamm, nur hin und wieder dringt die Sonne durch die Schwaden. Sie vergoldet aber kaum noch das Ambiente, denn die Buchenstämme stehen einsam und kahl. Das Laub ist bereits gefallen, es bedeckt den Waldboden und die Wege, wodurch schwer erkennbar ist, wohin man tritt. Wir sind also mindestens eine Woche zu spät gekommen. Das wird sich im Laufe des Tages aber noch ändern.
Wir steigen ab zum Hemmrichsattel. Die vage Hoffnung, dass in dem ehemaligen Hegerhaus wieder ausgeschenkt wird, war rein illusorisch. Hier beginnt nun der für uns unbekannte Teil der Wanderung. Der blau markierte Wanderweg, der hinunter nach Mildeneichen (Lužec) führt, verläuft auf dem alten Pilgerweg nach Haindorf (Stara poutní cesta).
„Der malerisch gelegene Wallfahrtsort Haindorf im Isergebirge wurde in früheren Jahren viel von frommen Pilgerscharen aufgesucht. Noch waren aber damals die Wege über das Gebirge nicht in so gutem Zustande, wie dies heute der Fall ist, auch bereitete die sumpfige Hochfläche sowie die geringe Wegekenntnis einem Übergange über das Gebirge oft große Schwierigkeiten. Es ist daher erklärlich, dass die Wallfahrtsprozessionen mehr den Weg über den Hemmrich wählten. Die alte Hemmrichschenke war zu jener Zeit eine wohlbekannte Raststätte für die Haindorfpilger. Jenen stimmungsvollen Waldweg, der von Hemmrich durch smaragdenen Buchenwald nach Haindorf führt, bezeichnet man heute noch als den »Alten Wallfahrts- oder Pilgerweg«. Und wenn jetzt der einsame Wanderer dieses Weges wandelt, wird ihn sicher ein weihevolles Plätzchen fesseln: das Emausbild. An einer Steinsäule angebracht, zeigt es zwei Jünger, denen auf dem Wege nach Emaus Jesus der Herr erschienen ist. »Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich schon geneigt«, sind die Worte, die das Bildnis zieren und die so recht geeignet sind, eine wonnige Sehnsucht nach Ruhe wachzurufen in dieser stillverträumten Waldeinsamkeit.“ (Jahrbuch des Deutschen Gebirgsvereins für das Jeschken- und Isergebirge, 1913)
Am Wege begegnen uns zahlreiche weitere Kreuze und Andachtsstätten. Im Tal fließt der vereinigte Stolpichbach der Wittig entgegen. Über weitläufige Weiden, auf denen noch friedliche Rinder grasen, fällt der Blick auf die Silhouette des Isergebirgskammes. Im Licht der untergehenden Sonne erglüht der Herbstwald in leuchtenden Farben. Hier am Fuße der Berge tragen die Bäume noch das goldene Laub, welches in den höheren Lagen schön längst abgeworfen wurde.
Die GPS-Daten zu dieser Tour finden sich hier.
























































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