Samstag, 5. Februar 2011

Essay: Petrus Zwicker


Gemälde "Der Papst und der Inquisitor" von  Jean Paul Laurens (1882)


"Mögen Acht haben alle katholischen Fürsten, mögen sie sich anstrengen, daß alle die nichtswürdigen Häretiker, die mit Mord und Brand drohen, gefangen, peinlich verhört und zur Einheit des katholischen Glaubens zurückgebracht werden!"

Es sind nur noch die Namen weniger Personen bekannt, die mit eigenen Augen den Bau und die Vollendung der Klosterkirche auf dem Berg Oybin im Zittauer Gebirge gesehen haben. Wir wissen zwar, daß die Dombauhütte in Prag des Peter Parler (1330-1399) aus Schwäbisch Gmünd an ihrer Erstellung (1366-1384) beteiligt war. Die Menschen aber, die mit ihrer Hände Arbeit dieses großartige Beispiel gotischer Baukunst auf einem damals wahrlich einsamen Berg in der Wildnis des böhmischen Grenzgebirges errichteten, sind längst im Dunkel der Geschichte verschwunden. 

Diese Kirche, deren Grundriß stark an die der Apollinariuskirche in Prag angelehnt ist, war über zwei Jahrhunderte hinweg die Klosterkirche einer Handvoll Mönche des Ordro Sancti Benedicti Coelestinensis, die von Kaiser Karl IV im Jahre 1366 hier angesiedelt wurden. Der Kaiser selbst weilte drei Jahre später für genau eine Nacht auf dem Oybin.


Einer der späteren Prioren des Klosters Oybin sollte der aus dem Ort Wormditt bei Königsberg in Ostpreusen stammende Petrus Zwicker werden (sein Geburtsjahr ist unbekannt, wahrscheinlich aber vor 1363). Zu der Zeit, als die Klosterkirche fertiggestellt wurde, war er Rektor ("Ludimoderator") am Gymnasium in Zittau. Zuvor studierte er in Prag an der Karls-Universität Theologie. Sein Name ist nur deshalb in Erinnerung geblieben, weil er einer der erfolgreichsten Inquisitoren wurde, dessen Name sogar neben Bernardo Gui (um 1261-1331) Bestand hat. Er gilt als der Mann, der zu Ende des 14. Jahrhunderts die Waldenser in der Steiermark  (und nicht nur dort) ausgerottet hat.

1381 trat er in das Cölestinerkloster auf dem Oybin ein und wurde dort 1395 Provincialis und Prior. Wir wissen das, weil davon der Zittauer Geschichtsschreiber Johann von Guben eine Notiz hinterlassen hat: "...Rectoris scole huius Magistri Petri Czwikeri de Wormpnyt Ciuitate Prussie Nunc Provincialis in monasterio Oywin". 1390 wurde er von Rom mit der Verfolgung von Häretikern beauftragt. Insbesondere sollte er das Umsichgreifen des Waldensertums eindämmen, einer Aufgabe, die er in den letzten 13 Jahren seines Lebens mit großem Eifer und sehr erfolgreich nachkommen sollte. Dazu verließ er das Kloster Oybin um im Auftrag des Bischofs Georg von Hohenlohe (1350-1423) insbesondere im heutigen Oberösterreich (Steiermark) tätig zu werden. Steyr galt damals als Hochburg der Waldenser im deutschen Herrschaftsraum. 

Der Begriff "Waldenser" geht auf Petrus Valdes (um 1140-1218) zurück, der als Wanderprediger in Südfrankreich (um Lyon) eine von der Amtskirche abweichende Bibelinterpretation predigte, bei der besonders die Ablehnung der Heiligenverehrung (eine wichtige Einnahmensquelle der Kirche) und die Ablehnung der weltlichen Gerichtsbarkeit bei den Klerikern in Rom böse aufstoß. Diese Lehre verbreitete sich in Form einer Laienbewegung über ganz Europa und gewann schnell an Einfluß. Das Gegenmittel der Papstkirche war die Heilige Inquisition (eine ausführliche Geschichte und Wertung dieser Institution, die es im Prinzip noch heute gibt, findet man in dem umfangreichen Werk von Henry Charles Lea, "Geschichte der Inquisition im Mittelalter"  von 1887, in dem auch die Häresie der Waldenser im Detail abgehandelt wird). Sie kanonisierte das Verfahren in eine Kategorie des Kirchenrechts und befreite so die Verfolgung und Verurteilung von Häretikern von der Willkür (was rechtsgeschichtlich durchaus als positiv zu werten ist). 

Die ersten großen Inquisitionsprozesse unter Petrus Zwicker fanden um 1390 in Prenzlau, Angermünde und dem angrenzenden Pommern statt, die aber nur sehr selten zu Todesurteilen führten. Meist wurden sogenannte Bußstrafen verhängt, wie z.B. das Tragen bestimmter Schandzeichen oder die Beauflagung langwieriger Pilgerreisen (z.B. nach Rom oder Konstantinopel). 

Im Jahre 1391 veröffentliche Petrus Zwicker unter dem Pseudonym Petrus de Pillichsdorf seinen "Tractatus contra articulos Waldensium" und begann in Steyr ein Inquisitionstribunal aufzubauen. Dort führte sein resolutes Vorgehen dazu, daß eine größere Zahl von Waldensern wieder in den Schoß der katholischen Kirche zurückkehrte. Nach einem kurzen Intermezzo in Gera und Erfurt kehrte Petrus Zwicker nach Oberösterreich zurück, wo er 1395 einen Mordanschlag überlebte. Das beflügelte ihn derart, daß er innerhalb kürzester Zeit über Tausend Ketzerprozesse (meist gegen Bauern aus der Umgebung) im Kloster Garsten bei Steyr führte, in deren Ergebnis um die 100 Waldenser auf Scheiterhaufen verbrannt wurden. Ein großer Teil der penibel geführten Prozeßakten (3 Bände) sind im Kloster Garsten erhalten geblieben. Deshalb lassen sich noch heute einige Schicksale der von Zwicker verurteilten Waldenser (darunter auch Kinder) im Detail rekonstruieren. Auf jedem Fall muß er im Sinne der katholischen Kirche außergewöhnlich erfolgreich gewesen sein, denn nach der Inquisition des Petrus Zwicker gibt es kaum mehr Hinweise auf die Existenz von Waldensern in Österreich (bis auf das 1997 in Steyr eingeweihte Denkmal).

Nach 1400 leitete Zwicker als "Wanderinquisitor" noch einige größere Ketzerverfolgungen in der heutigen Slowakei und in Ungarn (Ödenburg, heute Sopron). Danach ging er zurück nach Wien, wo er 1403 starb. Den Oybin hat er nicht mehr wieder gesehen.

Petrus Zwicker mag zwar gegenüber Bernardo Gui nur ein kleines Licht gewesen sein. Aber allein anhand der überlieferten Unterlagen muß man annehmen, daß seine "seelsorgerische" Tätigkeit sicher über 200 Menschen das Leben kostete. Auch an solche Leute sollte man sich ab und zu erinnern, um zu erkennen, wohin religiöser Wahn führen kann.


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