Sonntag, 17. Juli 2011

Exoplaneten (15) - Atmosphären von Gasplaneten

Atmosphären von Gasplaneten
Sternatmosphären sind im Vergleich zu den dazu vergleichsweise „kühlen“ und meist neutralen Planetenatmosphären relativ einfach strukturierte Gebilde. In ihnen spielen aufgrund ihrer hohen Temperatur in erster Linie Ionisationsprozesse und weniger chemische Prozesse eine Rolle, während Letztere maßgeblich für Planetenatmosphären sind. Man denke nur an Kondensationen, die sich z.B. in Aerosol- und Wolkenbildungen niederschlagen und die mit entscheidend die physikalischen Verhältnisse (z.B. Temperaturprofile) festlegen. Ihre theoretische Modellierung ist sowohl aufgrund der Komplexität der Atmosphärenchemie als auch der Tatsache, daß die Bedingungen, wie sie in den Atmosphären von Gasplaneten herrschen (man denke nur an die hot jupiters!), fernab jeder experimentellen Erfahrung liegen, ein äußerst schwieriges Geschäft. Dazu kommt noch, daß für Exoplaneten z.Z. nur punktuell spektroskopische Daten vorliegen, die sich meist auf den Nachweis bestimmter Stoffe beziehen. Theoretische Untersuchungen, die sich stark an die Atmosphären der vergleichsweise gut untersuchten Gasplaneten des Sonnensystems orientieren, stellen deshalb das Gros der Arbeiten dar, die Exoplanetenatmosphären betreffen. Im Folgenden können jedoch nur ein paar spezielle Aspekte dieses Themas behandelt werden. 

Ein kurzer Überblick über die Jupiteratmosphäre
Jupiter besitzt die am besten untersuchte Atmosphäre eines Gasplaneten im Sonnensystem. Zu verdanken ist das u.a. der Galileo-Mission, bei der es gelang, eine Atmosphären-Eintauchsonde auf den Planeten niedergehen zu lassen. Die dabei gewonnenen Temperatur- und Druckprofile sind wichtige Vergleichsgrößen für theoretische Atmosphärenmodelle, die sich natürlich an diesen direkten Beobachtungsdaten messen lassen müssen.

Die Definition einer Atmosphäre eines Gasplaneten ist schwierig, da keine Phasengrenze zwischen gasförmig und flüssig bzw. gasförmig und fest (wie bei den erdartigen Planeten) existiert. Deshalb wird gewöhnlich die isobare Fläche mit P=100 kPa (1 bar) als die „Oberfläche“ eines Gasplaneten festgelegt. In den folgenden Ausführungen wird diese willkürlich festgelegte Grenze keine größere Bedeutung beigemessen, da selbstverständlich auch bei höheren Druckregimen atmosphärische Prozesse wie Kondensationen und Wolkenbildungen auftreten.

Jupiter als Prototyp eines Gasplaneten besitzt eine Atmosphäre, die massemäßig aus 75% Wasserstoff, 24% Helium und ~1% schwerer Elemente besteht. Ihr Aussehen wird von Spurenstoffen bestimmt, die in verschiedenen Höhen in Form von Flüssigkeitströpfchen oder Feststoffteilchen auskondensieren und auf diese Weise Dunst- und Wolkenschichten bilden.  Sie künden von einer ausgeprägten und komplexen Atmosphärenchemie. 

Grob läßt sie sich von „Oben“ nach „Unten“ wie folgt charakterisieren (nach Milone, Wilson 2008):

  • Photochemischer Dunst
  • P ≈10^5   Pa, T ≈150 K , oberste Wolkenschicht, feste NH3-Partikel
  • P ≈(1.2-2)∙10^5   Pa, T ≈210 K, massivere Wolken aus festen NH4SH - Partikeln
  • Dichtere Schicht aus Hydrogensulfiden, angereichert mit Wasserdampf bzw. Wassereiskristallen
  • P ≈7∙10^5   Pa, T ≈280 K, dünne Schicht aus einer verdünnten Ammoniak-Lösung
  • P >2∙10^7   Pa, Festkörperkondensate Fe, Mg, Si 

Übergangszone zu flüssigen Wasserstoff


5.56   Wolkenstruktur der Jupiteratmosphäre  © R.A.West


Die vertikale Schichtung der Wolken läßt sich prinzipiell bei einem bekannten Temperatur- und Druckprofil und vernünftigen Annahmen über die Konzentration entsprechender auskondensierbarer Stoffe für den Fall eines thermochemischen Gleichgewichts berechnen. Die Modelle, die für diesen Zweck entwickelt wurden, kommen modifiziert auch bei Exoplaneten zum Einsatz. Die Jupiteratmosphäre ist in diesem Zusammenhang ein gutes Vergleichsobjekt, da sich an ihrem Beispiel mathematische Modelle und Algorithmen (die zu ihrer Berechnung notwendig sind)  sehr gut mit Beobachtungsdaten, die z.T. sogar vor Ort gewonnen wurden, überprüfen lassen. Auf diese Weise wächst auch das Vertrauen an theoretische Atmosphärenmodelle von bestimmten Exoplaneten.

Temperaturprofile von Exoplanetenatmosphären
Möchte man Aussagen über Kondensationsprozesse, die ja für Dunst- und Wolkenbildungen ausschlaggebend sind, machen (sie bestimmen unsere Vorstellungen, wie Gasplaneten „vor Ort“ aussehen könnten, denn eine direkte Abbildung wird wohl auch bis in die ferne Zukunft illusorisch bleiben), dann ist die Kenntnis des radialen Temperaturprofils einer Exoplanetenatmosphäre eine wichtige Voraussetzung.
   
In erster Näherung läßt sich eine gut durchmischte Atmosphäre (d.h., sie ist konvektiv) als adiabatisch (also ohne Wärmeaustausch mit einer „Umgebung“) beschreiben. In diesem Fall erhält man unter der Annahme eines wechselwirkungsfreien idealen Gases folgende Temperaturabhängigkeit (3.12) mit dem Druck P (P ist eine stetige Funk-tion der Höhe h):
wobei γ=cp⁄cdas Verhältnis zwischen der spezifischen Wärmekapazität bei konstantem Druck cp zur spezifischen Wärmekapazität bei konstantem Volumen cv ist (3.13 a, b):
Wird dem System Wärme zugeführt oder entzogen, dann sind die Zustandsänderungen nicht mehr adiabatisch, sondern wegen (3.14)
isochor (Volumen bleibt konstant): 
Erhöhung oder Erniedrigung der inneren Energie U.

Isobar (Druck bleibt konstant): 
Aus der statistischen Mechanik folgt, daß das Verhältnis  γ der Wärmekapazitäten von der Molekülstruktur der Gase abhängt, die eine Atmosphäre aufbauen. Für ein monoatomiges Gas (z.B. die Edelgase) gilt
und für diatomige Gase (wie H2,N2,O2 und CO) 
Bei polyatomigen Gasen wie CO2, H2O, CH4 oder NH3 variieren die Wärmekapazitäten dagegen stoffabhängig mit der Temperatur T. 

Eine wichtige Kenngröße einer Atmosphärenschicht ist die Abnahme der Temperatur mit der Höhe, den man als den adiabatischen Temperaturgradienten bezeichnet. Bezeichnet man mit g die „Oberflächengravitation“ (d.h. die Fallbeschleunigung in der entsprechenden Höhe h über einer Referenzhöhe z), dann errechnet sich der adiabatische Temperaturgradient (3.12) zu:
Dieser Temperaturgradient ändert sich mit der stofflichen Zusammensetzung (deshalb unterscheidet man je nach Wasserdampfgehalt in der Erdatmosphäre einen feucht-adiabatischen und einen trockenadiabatischen Temperaturgradienten) und reagiert empfindlich auf lokale Energieeinträge, wie sie z.B. bei Phasenänderungen oder chemischen Reaktionen auftreten können. 


5.57  Temperaturverlauf in der Atmosphäre der Riesenplaneten Jupiter und Saturn nach Messungen der Voyager-Sonden (Radiometerexperiment) als Funktion des Gasdrucks P. Bei den schraffierten Linien, welche den Temperaturverlauf unterhalb der 100 kPa -Grenze  fortsetzen, handelt es sich um Interpolationen auf der Grundlage des adiabatischen Temperaturgradienten. Die mit NH3 und H2O gekennzeichneten Geraden stellen Dampfdruckkurven für die entsprechenden Stoffe dar (berechnet für die jeweils aus Beobachtungen abgeleiteten Konzentrationen). Dort wo sie die Temperaturkurven schneiden, setzt Kondensation und damit Wolkenbildung ein. © Gierasch, Conrath 1993

Bei den hauptsächlich aus molekularen Wasserstoff und Helium bestehenden Riesenplaneten des Sonnensystems beobachtet man unterhalb der Tropopause (bei P~10 kPa) eine ausgeprägte Troposphäre, deren adiabatischer Temperaturgradient im Mittel ungefähr bei -2.2 K/km liegt. Die Temperaturkurven von Jupiter und Saturn verlaufen dort aufgrund der weitgehend identischen chemischen Zusammensetzung fast parallel, wobei ihr Abstand der unterschiedlichen Entfernung zur Sonne geschuldet ist. Man erkennt das deutlich an den Tropopausentemperaturen (Saturn ~90 K, Jupiter ~110 K). Darüber zeigen die Kurven zwar die gleiche Tendenz im Temperaturverlauf, aber im Detail ein deutlich unterschiedliches Verhalten, was auf unterschiedliche Heizmechanismen infolge der Strahlungsabsorption verschiedener Aerosole und Moleküle zurückzuführen ist.

Die Tropopause selbst stellt so etwas wie eine Kältefalle für Moleküle dar, die in der Stratosphäre z.B. durch photochemische Reaktionen gebildet (z.B. Methandissoziation) werden und die sich hier ansammeln und z.T. auch kondensieren können. Die Bedingungen ermöglichen eine reichhaltige Chemie, die modellmäßig nur sehr schwer zu fassen ist. 

Jupiter und Saturn repräsentieren natürlich nur einen kleinen Ausschnitt aus der reichhaltigen Familie der Gasplaneten. Sie differieren in ihrer  Masse (ausgedrückt durch die Oberflächengravitation g) und in ihrer effektiven Temperatur Teff. Außerdem ist noch ein reichhaltiges Spektrum an unterschiedlichen Zusammensetzungen insbesondere von schwereren Elementen als Wasserstoff und Helium zu erwarten. 

Verschiedentlich wurden Druck-Temperaturprofile für unterschiedliche Exoplanetenparametrisierungen berechnet (z.B. Burrows et.al., 1997). Die Idealisierungen betreffen dabei in erster Linie die stoffliche Zusammensetzung (z.B. solare Elementehäufigkeiten) und die Oberflächengravitation (als Äquivalent für Masse und Radius).  Der „Laufparameter“ ist die effektive Temperatur Teff, d.h. die Temperatur, die ein Schwarzer Strahler hätte, der pro Flächeneinheit die gleiche Strahlungsmenge wie der Exoplanet emittieren würde (die effektive Temperatur der Sonne beträgt 5780 K, die von Jupiter ~128 K). 

Für das äußere Erscheinungsbild (insbesondere für sein Spektrum) ist der Bereich der Planetenatmosphäre verantwortlich, die für elektromagnetische Strahlung zumindest teilweise durchsichtig ist. Bei Sternen wird dieser „leuchtende“ Bereich gewöhnlich als Photosphäre bezeichnet – ein Begriff, der auch in der Planetologie durchaus anwendbar ist. Zu ihrer Modellierung können in modifizierter Form (wegen der geringeren Temperaturen) Methoden angewendet werden, die schon vor längerer Zeit für Sternatmosphären entwickelt wurden.


5.58  Druck-Temperatur-Kurven für jupiterähnliche Exoplaneten mit effektiven Temperaturen von 128, 200, 400, 500, 600 und 800 K. Zusätzlich sind noch die Dampfdruckkurven für verschiedene, in Gasplanetenatmosphären relevante Stoffe angegeben. Den Bereich der Atmosphäre, in der das Gas für optische Strahlung durchsichtig wird, wird in Analogie zu den Sternatmosphären als Photosphäre bezeichnet. Ihre Untergrenze wird gewöhnlich durch die optische Tiefe τ=1 festgelegt und ist durch einen schwarzen Punkt markiert. © Burrows et.al. 1997

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