Sonntag, 5. Juni 2022

Höhenwanderung im Böhmischen Mittelgebirge

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz


Alle Frühlingswanderungen der letzten Wochen waren für sich genommen Glanzlichter, die viele neue Eindrücke hinterließen. Eine weitere Wanderung schließt sich an, die uns unerwartet neue, große Augenblicke beschert.

Vor ein paar Jahren erkundete ich den geheimnisvollen Bärenberg im Böhmischen Mittelgebirge, von dem die tschechischen Heimatkundler offenbar bis heute noch nicht richtig wissen, was sich in dessen Umfeld an historischen Ereignissen zugetragen hat. Da sich bei der damaligen Wanderung leider Regenwetter einstellte, nahm ich mir vor, unbedingt noch einmal hier her zurückzukehren. Die heutige Tour stand unter einem wesentlich besseren Stern. Dabei spielte nicht nur das Wetter eine erfreuliche Rolle. Weite Strecken verlaufen über Grasland. Das kann zwar zu einer Wackelpartie werden, wenn nämlich die Rinderherden hier großflächig grasen, aber von wenigen Tieren abgesehen, war von denen heute nichts zu sehen. Wir vermuten, dass die Weiden bis zum Aussamen der Gräser nicht bewirtschaftet werden. Zum Dank breiten sich üppige Wiesenblumenteppiche aus. Dies schon berührt die Seele, mehr noch steigern sich die Emotionen angesichts der großartigen Landschaft, welche sich ringsum entfaltet. Aber der Reihe nach.

Ein wenig verschlungen ist die heutige Tour und manchmal kreuzen sich die Wege. Wenn man schon einmal in einer Gegend ist, die man eher selten aufsucht, nimmt man gern alles mit, was am Rande liegt. So zum Beispiel den Mertendorfer Hutberg (Strážný vrch). Am Gipfel lockt ein Aussichtsturm, der nun wirklich eines der besten Panoramen bietet, welches man in dieser Region geboten bekommt. Man überblickt das Böhmische Mittelgebirge, die Böhmische Schweiz, die Daubaer Schweiz, das Lausitzer Gebirge und selbstverständlich findet das Auge den Jeschken (Ještěd) und die Kämme des Iser- und Riesengebirges, wenn es die Sicht zulässt. Der Aufstieg aus der Kalten ist natürlich immer etwas unbequem, wenn es gleich steil nach oben geht, aber dafür wird man dann entsprechend belohnt. Ausnahmsweise kehren wir auf dem gleichen Weg zurück nach Mertendorf (Merboltice), wo wir gestartet sind. Ein Stück unterhalb des Hutberggipfels passiert man den Glöckelstein (Zvonkový kámen), „ein ansehnlicher, mehrfach zerklüfteter Gesteinsblock“ (nach Franz Hantschel). Um diesen geborstenen Felsen herum hat sich eine kleine Blockhalde gebildet, an der man sich sehr schön ein Bild davon machen kann, wie diese Halden entstanden sein mögen.

Drei Täler müssen wir nun auf unserem Weg durchqueren, was natürlich immer wieder mit Anstiegen verbunden ist, nicht zu vergessen: den Weg zurück. Zunächst geht es, teils weglos am Waldrand des Haselberges (Zaječí vrch) entlang hinüber nach Algersdorf (Valkerice), von dort hinauf zu den idyllisch gelegenen, gefluteten Trachytsteinbrüchen. Ein kleiner Stichweg am oberen Teich führt zu einem lauschigen neuen Wanderrastplatz, ein Refugium für Kenner, denn es gibt keinen markierten Wanderweg hierher. „Trachyt, dieses seltenere Gestein gilt als das anerkannt am meisten verspätete Feuerproduct des Mittelgebirges u. tritt hier in Gestalt eines von Basaltwacke umgebenen u. von gangförmigem Basalt durchsetzten Walles auf, der zu den verschiedensten, auch architektonischen Zwecken ausgebeutet wird. Bei dem oberen der drei Brüche hat man einen hübschen Blick über Algersdorf…“ (Franz Hantschel) Es geht nun hinab in das Tal von Blankersdorf (Blankartice). Interessant wird es dann auf der gegenüberliegenden Talseite. Schon sieht man die flache Erhebung des Bärenberges. Das Areal wird auf manchen Karten als Staré sídliště, also alte Siedlung bezeichnet (warum, das lese man sich auf dieser umfangreichen Internetseite einmal selbst durch; man ist sich über die Entstehungsgeschichte des Ortes nicht im Klaren). Verwegene bezeichnen diesen Standort daher auch als Děčínské Machu Picchu, was beiläufig unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Um diesen interessanten Flecken näher zu untersuchen, müsste man jetzt das hohe Gras und die Hecken überwinden. Da es noch weiter nach oben geht, lässt jedoch die Hoffnung keimen, dass sich die hier bereits gegebene wundervolle Aussicht noch weiter verbessert. Wir gehen also hinauf zum Kronhübel (Na Koruné), dem „höchsten Punkt des ziemlich kahlen Basaltrückens in der Haupterhebungslinie des Mittelgebirges. Der Punkt liegt fast allen Richtungen offen u. bietet deshalb eine überraschende Rundsicht“, wie es Franz Hantschel treffsicher beschreibt. Wir verlangsamen unseren Schritt und saugen die starken Bilder in uns ein. Über den blühenden Wiesen erhebt sich hinter uns der Geltsch (Sedlo), westlich sehen wir in das Elbetal mit dem Schneeberg (Děčínský Sněžník), aber im Osten reihen sich tief gestaffelt die Berge der Lausitzer Gebirgskette. Man kann nicht oft genug dahin gucken. Diesen herrlichen Höhenzug erblickten wir, immer wieder mal zurück schauend auf unserem Weg hier her zum Kronhübel. Und was diesen betrifft, man stelle sich das einmal vor: es gibt nicht einen einzigen markierten Pfad hier her, nur magere Feldwege, die von den Landwirten genutzt werden.

Die Umgebung um den Kronhübel zwingt einen regelrecht zu einer längeren Pause. Und siehe da, es findet sich in einem Rucksack noch Rotwein, Büchsenbier und ein Tropfen des geliebten Borovicka. Das ist auch bitter nötig, denn der nun folgende wilde Abstieg durch Dickicht zu geglaubten Wegen, die in Blankersdorf anbinden sollen, ist nicht jedermanns Sache (gegebenenfalls müsste man auf dem gekommenen Weg zurück gehen). Trotzdem kein lauter Protest, denn die großartigen Bilder des Tages wiegen noch schwer. Von Blankersdorf nach Algersdorf führt nun zwar wieder ein markierter Weg über blühende Wiesen mit den Bergen des Lausitzer Gebirges vor Augen, aber wann ist diesen Weg zuletzt jemand gegangen? Er ist total verwachsen. Und, wie kann es auch anders sein? Die Kneipe im Postamt von Algersdorf hat natürlich zu, wenn wir gerade kommen, aber die paar Kilometer bis Mertendorf wird es auch so gehen.

Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.




Der Mertendorfer Hutberg





Der Glöckelstein



Über Blumenwiesen am Haselberg nach Algersdorf



















Bei den Trachytsteinbrüchen von Algersdorf



Hinauf zu Bärenberg und Kronhübel




Der langgezogene Gipfel des unscheinbaren Bärenberges



Auf dem Basaltrücken um den Kronhübel



















Die Angriffshaltung täuscht. Die Rinder gingen uns lieber aus dem Wege



Stiller Weg von Blankersdorf nach Algersdorf








Der Hutberg kündigt uns an, dass wir Mertendorf bald wieder erreicht haben





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