Mittwoch, 14. August 2024

Austria- oder Bendelklamm

 Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz



Vor geraumer Zeit wanderten wir entlang der Lehnen des Poppenberges (Popovičský vrch) und entdeckten dort so großartige Aussichten, dass der Wunsch einer baldigen Wiederholung keimte – natürlich auf anderen Pfaden.

Wir starten in Johnsbach (Janska), bekannt durch die unterirdischen Produktionsanlagen, in denen die Weser-Flugzeugbau GmbH bis Ende des 2. Weltkrieges Kriegsgefangene Zubehör für die JU 87 produzieren ließ. Man kann die Fabriken besichtigen. Unser Interesse gilt jedoch der schönen Landschaft in diesem Teil der Böhmischen Schweiz, unwissend, welch herrliches Erleben uns heute noch bevorsteht.

Wir wandern zunächst hinauf zu der Ansiedlung Philippenau (Lužná), wo uns bereits erste tolle Aussichten zum Lausitzer Gebirge überraschen. Wir bewegen uns in einem Hügelland um Alt Ohlisch, welches durch zahlreiche Felsbildungen und Talgründe interessant ist. Am Ende unserer Tour werden wir noch darauf zurück kommen. Zunächst einmal erklimmen wir den Trommelstein (Vyhlidka) mit schönem Ausblick zum Rosenberg (Růžovský vrch), den wir heute nicht zum letzten mal gesehen haben werden.

Schon bald erreichen wir ein friedliches Tal, welches sich von Alt Ohlisch (Stará Oleška) sanft zu bewaldeten Höhen bergan zieht. Zwei Teiche sind auf der Landkarte zu erkennen, wir wandern hinauf zum zweiten Weiher, an dessen Böschung den Wanderer ein schönes Wegekreuz begrüßt. Es ist der richtige Ort für eine längere Rast in einer wahrlich idyllischen Lage. Man könnte hier Stunden verbringen, wir haben jedoch noch andere Pläne.

Markierte Wege gibt es hier nicht, so dass wir von der Hoffnung zehren, dass die Wege von den alten Karten schon noch da sein werden. Es gibt sie tatsächlich noch, aber je weiter wir dem Poppenberg entgegen kommen, um so aufmerksamer muss man auf den Pfad achten, denn hier ist wohl ewige Zeiten niemand mehr entlang gewandert. Das alles ist vergessen, als wir die weitläufigen Wiesen um den Poppenberg erreicht haben. Die große Landschaftsschau beginnt. Gegen Norden hin zeigt sich der Rosenberg, während sich im Osten der Höhenzug des Lausitzer Gebirges erstreckt. Die Sicht ist heute genial, so dass sich die Staffel der Gipfel gut abzeichnet. Auf den Wiesen blühen noch Sommerblumen, so dass wir uns angemessen Zeit nehmen und das Ambiente genießen. Unten in Güntersdorf wartet schließlich am Fuß des Poppenberges ein kühles Blondes auf uns. Ein Wanderfreund hat aber schon so ein merkwürdiges Bauchgefühl, dass da etwas nicht stimmt, denn auf dem Parkplatz des Motels sind keine Fahrzeuge zu erkennen. Und siehe da, die Kneipe hat den Betrieb eingestellt. Der Geschäftstüchtigkeit einer vietnamesischen Händlerin im Hintergebäude verdanken wir es aber, dass wir etwas Flüssigkeit nachtanken können.

Bei Güntersdorf enstpringt der Goldbach (Olešnička), der in Richtung Neu Ohlisch (Nová Oleška) fließt und dort den Ohlisch Teich (Olešský rybník) speist. Der Bach tritt unweit von Alt Ohlisch in die Wolfsschlucht ein, früher Austriaklamm genannt. Nichts deutet jedoch in den aktuellen Karten auf die abenteuerliche Passage am Grunde der Klamm hin. Zwischen 1900 und 1908 wurde der Bach in zwei Ebenen angestaut, so dass hier Kahnfahrten angeboten wurden. Nach dem Betreiber des Unternehmens wurde die Schlucht auch Bendel Klamm genannt

In der Restauration [Gasthaus vom Schimmel] erhält man den Kahnführer*). Auf dem linken Bachufer bis zum Wehr (3 Min.). Hier Einstieg zur Bootfahrt in der Austriaklamm. Die einfache Fahrt 40 h, mit Rückfahrt 60 h, Kinder die Hälfte. Der Kahn gleitet auf der dunklen, schmalen Wasserfläche durch die Waldschlucht; am „Triefbartel", d. i. ein stets tropfender Sandsteinfelsen, vorüber durch eine Felsenenge. Nun müssen die Passagiere das Boot verlassen und in das zweite Fahrzeug steigen. Auf der Weiterfahrt bemerke man rechts eine Gedenktafel zur Erinnerung an den Absturz eines Kuhgespanns (1865), links folgt der Dreikaiserstein; durch den Engpaß wird die Endstation erreicht. Auf Stufen hinauf zum Bismarcksteine, auf dem sich eine Restauration (Blockhaus) befindet.

*) Sonntags ist derselbe stets zu haben; Wochentags ist es angeraten, ihn durch eine Postkarte vorher zu bestellen (Schneidermeister St. Keßler, Altohlisch, Post Markersbach).“ („Nord-Böhmen mit Eingangstouren durch die Sächsische Schweiz, das Erzgebirge und das Lausitzer Gebirge“, Theodor Schäfer, 1912)

Die Anlage wurde bereits 1908 durch ein schweres Unwetter zerstört. Das scheint Theodor Schäfer nicht mitbekommen zu haben, denn die 8. Auflage seines Reiseführers wurde 1912 veröffentlicht.

Wir treten in die Schlucht ein und lassen es einmal darauf ankommen, denn wir wissen nicht, was uns erwartet. Der Bach führt wenig Wasser, so dass man einigermaßen trockenen Fußes durchkommt. Bei hohem Wasserstand sollte man von der Durchquerung Abstand nehmen. Man wandert im Flussbett entlang teils bizarrer Felsgebilde. Hin und wieder muss man den Tritt ins Wasser hinnehmen und gelegentlich auf umgestürzte Bäume achten. Das alles stört uns nicht weiter, weil die Passage ziemlich aufregend ist.

An einem Kiosk am Ohlischer Teich nehmen wir mit Blick über die Wasserfläche hin zum Poppenberg noch einen kühlen Trunk zu uns, bevor wir durch das Goldbachtal (Soutěsky Olešničky), auch „tiefer Grund“ genannt, die Szene in Richtung Johnsbach wieder verlassen. Nur ein Rinnsal, welches vom Ohlischer Teich abfließt, durchströmt das Tal, das zwar noch einige schöne Felsbildungen zu zeigen hat, aber die einst beschriebene schattige Kühle ist dem Tal durch Abholzung verloren gegangen. Vielleicht haben wir aber einfach kein Auge mehr für die Besonderheiten des Tales nach den überwältigenden Eindrücken während unserer heutigen Wanderung.

Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.





Landschaft bei Philippenau








Aussicht auf dem Trommelstein
 

Schöne Mittelgebirgslandschaft bei Alt Ohlisch




Auf aussichtsreichen Höhen um den Poppenberg













In Güntersdorf




Auf dem Weg zur Austriaklamm








Ein wenig abenteuerlich geht es durch die Austriaklamm













Am Ohlischer Teich




Heimwärts durch das Goldbachtal




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