Mittwoch, 29. April 2020

Wanderung um Neusalza-Spremberg

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz

Aus gegebenem Anlass zunächst wieder ein paar Gedanken zur Seuchensituation. Bei scheinbaren Lockerungen des Repressionsapparates werden die Schrauben am anderen Ende angezogen: Maskenball ist angesagt. Jeder Bürger, dem es nach Essen und Trinken gelüstet, wird zur Unterwerfung durch Anlegen einer Rüsselmatte genötigt, wenn er seine Einkäufe tätigen möchte. Wir wollen doch einmal schauen, liebe Staatsbürger, wie weit wir es mit Euch noch treiben können. Das ist Deutschland im Jahre 2020. Ungemach lauert aber von einer noch ganz anderen Seite, so die Sächsische Zeitung am 23.04.2020: 

„Schwer bewaffnete Soldaten bewachen selbst die Bahnlinie, auf der kein Zug fährt. Bei Hirschfelde haben sie ein Lager gebaut. Wehe dem, der ihnen zu nahe kommt. Klack! Der polnische Soldat entsichert seine Maschinenpistole und richtet sie direkt auf den Fotografen und mich: "Zurück!", brüllt er. Wir stehen wie versteinert. "Wir sind Jounalisten", rufen wir von Weitem. "Dziennikarz. Von der Zeitung. Gazeta." Der Fotograf hält zum Beweis seine Kamera hoch, ich den Presseausweis. Der Soldat hält die MP weiter im Anschlag. "Zurück!", brüllt er erneut.

Zwei weitere Kameraden postieren sich neben ihm - breitbeinig, die Maschinenpistolen quer vor der Brust. Einer bedeutet dem ersten, seine Waffe aus dem Anschlag zu nehmen. Wir atmen auf. Auf der Bahnlinie in Hirschfelde, auf der zurzeit kein Zug fährt, stehen wir uns keine 50 Meter entfernt gegenüber: drei Soldaten mit einsatzbereiten Maschinenpistolen auf der polnischen, der Fotograf und ich auf der deutschen Seite der Grenze.“

Wenn diese Nachricht über ein alternatives Medium Verbreitung gefunden hätte, würde es als Verschwörungstheorie stigmatisiert, aber bei der Sächsischen Zeitung? All diese Maßnahmen geschehen natürlich nur zum Besten der Menschen, um Leben zu retten, wie wir schon mehrmals gehört haben. Wie will man eigentlich die Gemüter wieder besänftigen und Vertrauen herstellen, welches innerhalb von 30 Jahren zwischen den Völkern diesseits und jenseits der Grenzen aufgebaut wurde? Mir schwant jedenfalls, dass wir uns geraume Zeit auf Enthaltsamkeit einstellen und unsere Wanderaktivitäten auf einen sehr eingeschränkten Bereich kaprizieren müssen. Wir singen deshalb zunächst erst einmal wieder ein Wanderlied:


Jedes Übel hat auch einen Nutzen, so können wir uns einmal mehr auf unsere schöne oberlausitzer Heimat konzentrieren, z.B. die sanfte Landschaft um Neusalza-Spremberg (kurz Neusalz genannt), auch wenn sie mit den Kegelbergen im Böhmischen nicht ganz mithalten kann. Zwischen Neusalz und Beiersdorf im Norden erheben sich einige bewaldete Kuppen, auf deren Gipfeln und an den Hängen interessante Felsgebilde eiszeitlichen Ursprungs zu bestaunen sind. Sattes Frühlingsgrün, blühende Hecken und Bäume bescheren uns ein unbeschwertes Wandern hinauf zu den Steinklunsen, eine verwitterte Felsmauer aus Zweiglimmergranodiorit, die plötzlich im Walde (bzw. in dem, was davon noch übrig ist) vor uns auftaucht. Nächstes Ziel ist der Hahneberg. Auch an seinem Gipfel treffen wir auf Gesteinsklippen, die aber vergleichsweise unbedeutend in ihrer Mächtigkeit sind. Beklagenswert ist wiederum der Zustand des Waldes, der durch die trockenen Sommer der letzten Jahre und dem damit einhergehenden Schädlingsbefall zu leiden hat.

Höchst interessant ist eine Steinansammlung im Güttlerbüschl, Thors Amboss genannt. Um dieses, an ein Dolmengrab erinnerndes Gebilde ranken sich mystische Erzählungen und astronomische Deutungen. Dem Hauch des Geheimnisvollen kann man sich nicht entziehen. Eine weitere legendenumwobene Kultstätte sind die Schmiedesteine, die sich nun wiederum durch stattliche Mächtigkeit auszeichnen. Die begehbare Aussichtsplattform ist wenig ergiebig, da durch die Bäume nur sporadische Durchsicht auf Neusalz gegeben ist. 

Der folgende kurze Wegabschnitt hinunter in den Ort ist vielleicht die schönste Passage der heutigen Tour. Hinweg über blühende Obstbäume zieht die Dorfkirche von Neusalz die Blicke auf sich. Den bergigen Teil der Tour haben wir hinter uns gelassen. Ein ganzes Stück geht es nun durch das frühlingshafte Spreetal, weiter dann bis zum Schwarzen Teich direkt an der böhmischen Grenze. Wir erinnern uns hier an unsere Wanderung zum nahe gelegenen Jüttelsberg (Jitrovnik) Anfang diesen Jahres.

Der Rückweg nach Neusalz führt uns entlang der böhmischen Enklave Fugau (Fukov). Ausgestorben ist dieser schmale Geländekorridor, der sich weit in sächsisches Gebiet hinein schiebt. Auf dem Weg hinunter nach Neusalz breitet sich vor uns das herrliche sanfte Tal aus, welches sich zwischen Ebersbach und Oppach erstreckt. Beseelt in Neusalz einlaufend sind unsere Gedanken schon auf der Suche nach Ideen für die nächsten Wanderungen in der heimatlichen Oberlausitz, immer noch ein wenig damit liebäugelnd, dass sich die Tore nach Böhmen irgendwann wieder einmal öffnen. 

Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.









Steinklunsen







Thors Amboss





Schmiedesteine




Blick über Neusalz




Im Spreetal









Entlang des Fugauer Zipfels zurück nach Neusalz










2 Kommentare:

  1. Da waren wir etwas zeitversetzt auf fast gemeinsamen Pfaden unterwegs. Der Weg an der "Fuge" entlang ist quasi unser Abenspazierweg, wegen seiner schönen Aussichten. Toll dass Du in den letzten Wochen so viele Wandertracks (auf Wikiloc) veröffentlicht hast, die man ohne Grenzüberschreitungen machen kann. Uns schmerzt es sehr, nicht nach Böhmen zu können. Wie Du schon geschrieben hast, sind dort die Landschaften schon spektakulärer. Aber so haben wir die Chance, die nähere Umgebung neu zu entdecken.
    Zu den polnischen Soldaten fiel mir ein wie gruslig es vor vielen Jahren war, nachts mit der Bahn von Görlitz nach Zittau zu fahren. Da kam man als Student nicht drumrum. In Ostritz mit Halt auf polnischer Seite standen die Soldaten mit den Gewehren im Anschlag um den Zug herum. Machtdemonstration, wer wollte schon illegal nach Polen abhauen? (das ging anders auch einfacher, wenn man gewollt hätte...) Aber so sindse...

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    1. Ich habe in den 70-ern meinen Wehrdienst auch mit der Knarre in der Hand abgeleistet. Und da kann ich nur sagen, ob man dieselbe auf einen Menschen anlegt, ist immer noch die eigene freie Entscheidung. Da fragt man sich, was man unseren neuen "Verbündeten" ins Hirn gepflanzt hat. So ändern sich die Zeiten.
      Ansonsten sind wir wirklich sehr angetan von unserer oberlausitzer Heimat. Es gibt tatsächlich noch überraschende Momente, siehe auch unsere Tour zum Hirschberg in der vergangenen Woche.

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