Mittwoch, 14. August 2019

Wanderung in das Tal des Kleiniserbachs

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz


Kirche zu Hlawitz (Hlavice) vor dem Jeschkenkamm



Wenigstens einmal im Jahr statten wir dem Land der verschwundenen Dörfer zwischen Kummergebirge (Hradčanské stěny) und Jeschkenvorland (Podještĕdí) einen Besuch ab. Die Gegend, in der sich bis in die 1990-er Jahre ein Truppenübungsplatz ausbreitete, gehört unterdessen zu unseren bevorzugten Wandergebieten. Das nunmehr wieder landwirtschaftlich genutzte ausgedehnte Hügelland empfiehlt sich eher für geruhsame Touren, bei denen der Wanderer jedoch sowohl durch fein gegliederte Täler, als auch gewaltige Aussichten überrascht und durch die Begegnung mit den Resten von Gemäuern der alten Bauernhöfe melancholisch an die frühere deutsche Besiedlung erinnert wird. Besonders reizvoll ist die Wanderung im Frühjahr, wenn Weißdorn, Ginster und die noch vorhandenen uralten knorrigen Obstbäume erblühen. Das eigentliche Ziel der Wanderung ist Wolschen (Olšina).

Wir treten unsere Wanderung in dem Ort Wapno (Vapno) an. Da die Gegend durch viele kleine Täler geprägt wird, gibt es ein ganz schönes Auf und Ab von einem Tal zum nächsten. Diese Gründe sind noch ursprünglicher Natur und wenig begangen (und die Wege erst recht nicht markiert), so dass auf die Abzweigungen zu achten ist. Einer dieser Gründe ist das Tal des Kleiniserbach (Zábrdka). Dieses wollen wir heute unbedingt einmal durchstreifen, denn die Erzählung über dasselbe klingt recht interessant

„Wer den Lauf der bei Sabert entspringenden kleinen Iser bis zu ihrer Mündung (bei Kloster) verfolgt, wird bemerken, dass dieser kleine, unscheinbare, eine Masse von Serpentinen bildende Gebirgsbach eine bedeutende Anzahl von Mühlen treibt. Eine derselben liegt in einem tiefen, von drei Seiten bewaldeten Thale bei der Ortschaft Kosterzitz; es ist dies die sogenannte Sauermühle, deren Betrieb durch Spannung eines vor der Mühle gelegenen und durch die kleine Iser genährten Teiches bewerkstelligt wird. Passirt man als Fremder dieses zwar unheimliche Thal und wirft einen Blick auf den am rechten Ufer des vorerwähnten Teiches befindlichen Schupfen, so erinnert die äußere Beschaffenheit der Stirnseite desselben schwerlich an etwas Anderes als an ein Schießhaus primitiven Zustandes. Und das war er selbst noch vor circa 40 Jahren. Man sieht da noch die Schießstände und die Schießscharten, während man am linken Ufer des Teiches eine in einen Felsen gehauene Nische bemerkt, die dem Zieler als Aufenthaltsort bestimmt war. Aus dem derzeit als Schupfen benützten hölzernen Gebäude, welches damals sehr geschmackvoll eingerichtet gewesen sein soll, wurde auf eine Distanz von ungefähr 300 Schritten über den Teich auf die oberhalb der Nische aufgestellte Scheibe geschossen. Dieses Scheibenschießen, zu welchem sich die besten Schützen aus Nah und Fern, sogar aus Sachsen, eingefunden hatten, fand, wie mir der 74 Jahre alte Josef Kirschner aus Kosterzitz erzählt, gewöhnlich zweimal im Jahre u. z. Am Ostermontage und an der Hlawitzer „Fahrt" (Bartholomäus-Fest) durch drei Tage statt. Da die jeweiligen Mühlbesitzer auch das Schankrecht hatten, so concentrirte sich hier namentlich am letztgenannten Feste bei günstiger Witterung eine unabsehbare Menschenmenge, deren Aufmerksamkeit an diesem Tage selbstverständlich durch das Klappern des Räderwerkes wohl nicht gestört, aber durch den Jubel über den durch einen Meisterschuss errungenen Preis, über verschiedene aufgeführte Kunststücke und Spiele, durch die daselbst aufgeführten Tonstücke, durch die verschiedenen Trachten der Schützen und ihrer Familien stark in Anspruch genommen wurde.“ (Köstler, Franz; „Von der Sprachgrenze“, Mittheilungen des Nordböhmischen Excursions-Clubs, 1882)

Wir treten in das Tal des Kleinen Iserbaches bei der sogenannten Sägemühle ein und folgen flussaufwärts seinem Lauf. Unglaublich schön mäandert er durch das Tal. Zur rechten Zeit erreichen wir einen gut eingerichteten Wanderrastplatz. Danach ist Aufmerksamkeit gefragt, denn die aus dem Tal abgehenden Wege sind ziemlich verwildert und schwer erkennbar. Einer dieser Wege führt durch sehr ursprüngliches Gelände auf das Plateau hinauf nach dem ehemaligen Proschwitz (Proseč), weiter bis Wolschen. Von beiden Dörfern sind nur noch schwache Reste erhalten.

Von den Wiesen und Feldern, die sich hier über die Sandsteinplatte erstrecken, erleben wir grandiose Aussichten, einerseits nach Süden zu den Bösigen (Bezdězy), weiter zum Roll (Ralsko), zum Hochwald (Hvozd) und vor allem zum Jeschkenkamm. Dieses Panorama gehört mit zu den Schönsten, die wir auf unseren Wanderungen erlebten. Wir wandern wieder hinunter zum Kleiniserbach, durchstreifen das Tal nun flussabwärts, passieren die Sauermühle und steigen von Neumühl aus dem Tal heraus direkt nach Wapno zum Ausgangspunkt unserer Tour.

Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.




In den Tälern um Wapno


Im Tal des Kleiniserbachs












Hinauf auf die Höhen bei Proschwitz / Wolschen








Die einst besiedelte Gegend um Wolschen ist nur noch ein Naturparks






Wieder im Tal des Kleiniserbaches, das Gelände um die ehemalige Sauermühle







An der Neumühle geht es hinauf und zurück nach Wapno







Blühende Mondviole





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