Montag, 4. Dezember 2023

Wanderung zum Görsbach Wasserfall und zum Mittagsberg

 Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz


Traditionell schließen wir das Wanderjahr vor Beginn der Winterzeit ab und zwar mit einer Wanderung in den Herbstwald des Isergebirges (bis zur neuen Saison gibt es dann nur noch Spaziergänge in der heimatlichen Region). Dabei empfiehlt sich besonders das UNESCO Reservat der Buchenwälder des Isergebirges (Jizerskohorské bučiny), welches sich entlang der steil abfallenden Nordflanke des Gebirges vom Schwarz Berg (Kančí vrch) bis zum Kalmrich (Tišina) ausdehnt. Es bedarf allerdings ein wenig Fingerspitzengefühl und Glück, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, wenn die Laubfärbung im Gange ist und die Blätter noch nicht abgeworfen wurden. Während die Buchen nämlich im Tal noch grün sind, haben sie in den höheren Regionen wahrscheinlich schon einen Frost abbekommen, was der Laubfärbung Vorschub leistet. In den letzten Jahren hat es immer geklappt, und ein Blick auf den Zeitstempel der alten Bilder verrät uns, das wir Glück haben könnten wie in den letzten Jahren, als wir Mittagsberg (Polednik), Spitzberg (Špičák), Grubberg (Stržový vrch), Taubenhaus (Holubnik) und Käuligen Berg (Paličník) besuchten.

Heute steht wieder einmal der Mittagsberg auf dem Zettel, aber natürlich mit einer ganz anderen Routenplanung. Dafür haben wir lange getüftelt, weil die Haupttrassen zumeist drögen Forstwegen folgen, die sich in das Gebirge schlängeln und von den anderen weiß man nicht, ob sie noch auffindbar sind. Hält man sich an die offiziellen Wanderwege, bleiben manche Naturschönheiten verborgen, wie zum Beispiel der Wasserfall des Görsbach (auch Steinbachfall). Der Görsbach (Jeřice), entspringt am Mittagsberg, rauscht bis Buschullersdorf (Oldřichov v Hájích) zu Tale und fließt dann über Einsiedel (Mnisek) nach Kratzau (Chrastava), wo er in die Neiße mündet. Bei der Augustflut des Jahres 2010 richtete er schwere Schäden an der Infrastruktur an, aber auch schon in früheren Zeiten, zum Beispiel 1924/1926.

Wir sahen ja in diesem Jahr bereits einige beeindruckende Wasserfälle des Isergebirges, an der Schwarzen Desse (Černá Desná) und Tannwasserfall (Vodopády Jedlové). Der Görsbachfall reiht sich in diesen Reigen spektakulär ein. Der Görsbach fällt hier am Abhange des Bärhaupts über einen abschüssigen Felsen herab, fängt sich in einem natürlichen steinernen Becken, in welchem man an heißen Sommertagen gewiss eine willkommene Abkühlung finden kann. Dann schießt der Bach über das felsige Flussbett weiter hinab nach Buschullersdorf.

Da das Ziel der hohe Mittagsberg ist, müssen wir irgendwie hinauf zum Gebirgsplateau gelangen. Wenn man glaubt, dass die in mapy.cz verzeichneten Wege dann auch so in natura anzutreffen sind, ist man schief gewickelt. Das dient dann nur noch als Ausrede für die ahnungslosen Mitstreiter. Zwischen umgestürzten Bäumen und Granitblöcken kämpfen wir uns einen Steilhang hinauf. Entscheidend ist dabei immer nur, die Richtung zu halten, denn oben wird dann erfahrungsgemäß schon ein Weg anbinden. So ist es auch. Nach einem zweiten ähnlichen Anstieg erreichen wir dann den Ölberg (Olivetská hora), der in der Literatur bestenfalls am Rande Erwähnung findet. Am flachen Gipfel findet sich ein kleines Granitmassiv, unter dem sich Naturburschen ein Lager eingerichtet haben. Baumwuchs verhindert vom Felsen derzeit die Aussicht. Weiter geht es zum eigentlichen Ziel unserer Wanderung: dem Mittagsberg (Polednik). Wir nehmen den Reitsteig, der direkt über den Berg führt und Friedland mit Neuwiese verbindet. An Schönheit ist der Höhenzug um den Gipfel kaum zu überbieten. Majestätische Buchen mit ihren silbrig schimmernden Stämmen zieren das Areal. Dazwischen ruhen, wie hingeworfen, bemooste Granitbrocken und kleine Felsformationen. Mich wundert, dass in den mir bekannten Schilderungen über das Isergebirge der Mittagsberg bestenfalls als Randbemerkung erscheint. Endlich fand ich in Josef Preußlers „Wanderungen um Reichenberg, Erinnerungen an eine unvergessene Landschaft“ die Beschreibung einer Wanderung um den Mittagsberg. Im folgenden ein kleiner Auszug:

Auch als einfacher Naturfreund, mit der Demut vor allem Gewachsenen im Herzen wird man hier mancher Erkenntnis teilhaftig. Wie Zeugen vergangener Jahrtausende, da das Isergebirge nur als harter Stein mit den wilden Mächten des Wetters, mit Sonne, Regen, Eis und Frost rang, ragen die Felszinnen durch den Humus des Hanges, als wollte der Boden hier bezeugen: »Seht, so sah mein Antlitz aus, ehe es das Schicksal furchte und zergrub und niederem Flechtenwuchs dienstbaren Halt bereitete. Dann kamen die Moose und lockerten mit ihren Leibern die harte Kruste zur Krume für nachrückenden Wald.«

Auf manchem Felsenhaupte filzt Moos und Heidelbeerdickicht eine lebendige Mütze und setzt sich zu eigenem Ergötzen, wie der Jäger auf seinen Hut den Spielhahnstoß steckt, ein junges Bäumchen auf. Das wächst heran, umklammert mit seinen Wurzeln den Felsen und beginnt in ihn einzudringen. Dann aber reißt der Sturm an der Krone, lockert den Halt des Stammes, bis endlich sein rasender Bruder den mächtig gewordenen Baumriesen wirft, daß er mit seinem Falle auch die zu ihm aufblickenden Mitgenossen zersplittert. Auf dem Felsenkopfe steilt eine Baumscheibe wider den Himmel und eine ungeheure Wunde deckt das nackte Felsenfleisch bloß. Da hilft das Wetter, die Wunde verharscht und abermals beginnt der Kampf der jungen Pflanzen um den Felsenhünen.

Das niedrige Moos wispert: »Wir sind viele und ungezählte, und in unserer Ausdauer nicht weniger stark als der steinerne Riese!«

Wir verlassen den Reitsteig bei der Felsformation Staříkovy kameny (was wohl so viel heißen mag wie „Altmännersteine“) genauso unkonventionell, wie wir vom Görsbachfall aufgestiegen sind, also rein gefühlsmäßig dort, wo eigentlich ein Weg sein sollte. Zum Glück findet sich alsbald ein zumindest erkennbarer Forstweg, der uns zum Leidwesen der Knie steil hinunter nach Buschullersdorf führt.

Die GPS-Daten zu dieser Tour findet man hier.




Görsbach Wasserfall







Aufstieg zum Ölberg





Durch die Buchenwälder am Mittagsberg













































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