Thermische Geschichte
Jeder Gesteinsplanet, der im Inneren weitgehend ausdifferenziert ist, muß in seiner Entwicklungsgeschichte eine Phase der Aufschmelzung durchgemacht haben. Nur auf diese Weise konnten sich die spezifisch schwereren Metalle (insbesondere Eisen) von den leichteren Silikaten trennen, absinken und schließlich einen Metallkern ausbilden.
Genauso wie bei der Erde, speist sich der Wärmeinhalt des Mars aus der Wärme, die ursprünglich bei der Akkretion (die wahrscheinlich ~ 5 Millionen Jahre angedauert hat) eingetragen wurde (primordiale Wärme), aus der Wärme, die permanent beim radioaktiven Zerfall freigesetzt wird (in der Marsfrüh-geschichte besonders effektiv, da es damals noch größere Mengen kurzlebiger radioaktiver Isotope gab, die heute quasi ausgestorben sind) sowie Wärme, die bei Entmischungs- und Kristallisationsprozessen entsteht. Ein Wärmeverlust kann dagegen nur durch Abstrahlung in den Weltraum erfolgen. Die Verlustrate hängt dabei entscheidend vom Oberfläche-Volumenverhältnis und dem Wärmefluß durch die Oberfläche ab, der wiederum vom Wärmeleitvermögen der Krustengesteine bestimmt wird.
Modelle, welche die thermische Entwicklung des Mars über seine Geschichte nachzuzeichnen versuchen, müssen eine Vielzahl von teilweise hochgradig hypothetischen Daten auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Im Idealfall sollte solch ein Modell in der Lage sein, die bis heute auf dem Mars sichtbaren Spuren dieser Entwicklung sowohl quantitativ als auch qualitativ zu reproduzieren. Zu diesen Spuren gehören (Auswahl):
- die Existenz eines Fe/Ni-Kerns mit hohem Schwefelanteil in Form von FeS (~15-20%)
- die Existenz einer mehr basaltisch-gabbroiden Kruste, die durch Erstarrung eines planetenumspannenden Magmaozeans entstanden ist.
- der hohe Eisenoxidgehalt in den Mantel- und Oberflächengesteinen des Mars (ein wesentlicher Unterschied zur Erde und zum Mond)
- die Existenz von „magnetic stripes“ in den sehr alten südlichen Marsprovinzen, die auf einen zeitweise funktionierenden Dynamoeffekt sowie auf eine relativ kurze Phase mit aktiver Plattentektonik hinweisen
- langandauernder ortsfester Vulkanismus mit temporär durchaus beachtlichen Förderraten, der bis vor geologisch kurzer Zeit angedauert hat (NEUKUM, 2007)
- die hemisphärische Dichotomie des Mars
- Strukturen („wrinkle ridges“ ähnlich Merkur), die auf eine globale, durch Abkühlung bedingte Schrumpfung des Mars hinweisen könnten (HOFMANN, LARK, 2002)
Marsentstehung und Bildung eines Magmaozeans
Die Entstehung von Erde und Mars vor ca. 4.56 Milliarden Jahren dürfte sich weitgehend ähnlich abgespielt haben, nur daß Mars in seiner Akkretionsphase nicht soviel Material aus der Umgebung aufsammeln konnte und deshalb relativ klein geblieben ist. Der Energieeintrag, der sich aus der Akkretion von Planetesimalen, aus einer Vielzahl von großen Impakten sowie aus dem Zerfall kurzlebiger radioaktiver Isotope ergab, war dennoch groß genug, um den Protomars soweit aufzuschmelzen, daß es innerhalb von nur 10 bis 15 Millionen Jahren zu einer stofflichen Differen-zierung in Eisenkern, Mantel und Kruste gekommen ist. Dieser Prozeß hat bis heute Spuren in der Isotopenzusammensetzung der Marskruste oder ganz allgemein in den Zerfallsprodukten der an der Aufschmelzung beteiligten radioaktiven Stoffe (ein Beispiel ist der Zerfall (182Hf , 8.9 Ma) → (182W (stabil)) hinterlassen (siehe z.B. Halliday et. al. 2001). Diese Spuren erlauben unter der Verwendung plausibler Zusatzannahmen eine zeitliche Rekonstruktion der Ereignisse. Die Ausgangsdaten in Form von Isotopenverhältnissen stammen dabei aus der radiologischen Analyse diverser, auf der Erde gefundener Marsmeteorite wie z.B. der Shergottite.
Entstehung eines Magmaozeans
Der Ausgangsstoff der inneren Gesteinsplaneten war mit hoher Wahrscheinlichkeit undifferenziertes chondrisches Material, dessen chemische Zusammensetzung etwas mit dem Sonnenabstand variierte und welches vielleicht am besten dem der sogenannten C1-Meteoriten entspricht. Da deren heutige Isotopenzusammensetzung bekannt ist, kann man sie mit denen der Oberflächengesteine von Erde und Mars vergleichen und damit Hinweise auf Entwicklungsprozesse gewinnen.
Mit dem stetigen Wachstum eines Protoplaneten während seiner Akkretionsphase nimmt dessen gravitative Wirkung auf die Umgebung zu, was den Effekt hat, daß immer mehr Material auf seine Oberfläche fällt. Die kinetische Energie, die dabei eingetragen wird, läßt die Oberflächenschichten aufschmelzen und es entsteht ein sich nach innen ausweitender Magmaozean (d.h. eine Schale flüssigen Gesteins). Zugleich erfolgt auch eine Erwärmung im Inneren des Protoplaneten durch die Energie, die beim Zerfall von relativ kurzlebigen radioaktiven Isotopen freigesetzt wird. Diese beiden Prozesse schufen erst die physikalischen Voraussetzungen für eine stoffliche Differenzierung und damit einhergehend für die Ausbildung einer weitgehend hydrostatischen Schichtung der mineralogisch unterschiedlich zusammengesetzten Schalen bezüglich Druck und Dichte innerhalb des planetaren Körpers.
Die geologischen und geochemischen Auswirkungen der temporären Präsenz eines Magmaozeans sind bis jetzt am besten am Beispiel des Erdmondes untersucht worden. Er erklärt dort die Existenz der hellen anorthositreichen Hochländer sowie einige Anomalien in der stofflichen Zusammensetzung der bei den Apollo-Missionen aufgesammelten Gesteinsproben. Obwohl beim Mars Feldspate (insbesondere Plagioklase) in den Oberflächengesteinen unterrepräsentiert sind (was auf dem ersten Blick gegen die Existenz eines Magmaozeans zu sprechen scheint), läßt sich diese Armut an Feldspaten durchaus auch im Modell eines Magmaozeans erklären. Dabei spielen die Bindung von Kalzium und Aluminium in Granat sowie der wahrscheinlich recht hohe Wassergehalt der Marsmantelgesteine eine Rolle (der Mond ist „staubtrocken“ entstanden, da sich so gut wie alle Wasserspuren während des „Mondimpaktes“ verflüchtigt hatten).
Was die Existenz eines Magmaozeans während der Frühgeschichte des Mars betrifft, ergeben sich einige interessante Fragestellungen:
- Welche Tiefe erreichte die geschmolzene Gesteinsschicht?
- War der Magmaozean völlig oder nur partiell aufgeschmolzen?
- Wie lange dauerte es, bis er auskristallisierte und sich verfestigte?
- Konnte eine dichte Uratmosphäre als thermischer Isolator die Lebensdauer des Magmaozeans verlängern?
- Durch welche Prozesse erfolgte eine effektive Stofftrennung, insbesondere die Bildung eines Eisenkerns?
- Wie ändert sich tiefenabhängig die Konzentration siderophiler („metalliebender“) Elemente im Laufe der Zeit?
- Welchen Einfluß nahm die partielle Kristallisation auf den radialen chemischen Aufbau des Marsmantels? Kam es zu einer „Umschichtung“ in Form eines „mantle overturns“ mit dem Ergebnis einer weitgehend hydrostatischen Dichte- und Druckverteilung mit der Tiefe?
Antworten darauf versucht man durch Modellrechnungen zu erhalten, in denen neben Daten über die Marsgesteine auch die Daten eingehen, die man mittels Hochdruckexperimenten in irdischen Laboratorien gewonnen hat. Dazu setzt man bestimmte Minerale Temperaturen und Drücken aus, wie sie in den verschiedenen Tiefen eines Magmaozeans herrschen und ermittelt experimentell Eigenschaften wie Viskosität, Phasen¬grenzen und Diffusionsgeschwindigkeiten einzelner Stoffe durch die Schmelze. Moderne Anlagen decken mittlerweile einen Druckbereich bis ca. 25 GPa und einen Temperaturbereich bis ca. 2800 K ab.
Welche Tiefe ein Magmaozean auf dem frühen Mars erreichte, ist nicht bekannt. Es gibt aber Hinweise, daß er eher eine größere Tiefe besaß und vielleicht sogar bis zur Kern-Mantel-Grenze heran reichte (~1300 km). Die Tiefe ist dabei durchaus ein wichtiger Parameter, da der Druck die Eigenschaften eines Magmas, bei Abkühlung fraktioniert auszukristallisieren, beein¬flußt. In diesem Punkt findet sich auch eine Erklärung dafür, weshalb es auf dem Mars keine feldspatreichen Krustengesteine wie in den Hochländern des Mondes gibt. Plagioklase in Form von Anorthiten (CaAl2Si2O8) enthalten viel Aluminium und Kalzium. Ist ein Magmaozean einige Hundert Kilometer tief, dann reicht er in eine Zone, wo der Druck so groß ist, daß bevorzugt Granate auskristallisieren, die wiederum viel Aluminium und Kalzium binden können, wodurch die Schmelze an diesen Elementen verarmt. Zeugnis von diesem Vorgang ist z.B. der im Vergleich zu irdischen Basalten stark reduzierte Aluminium-Anteil in den Shergottiten (einem Typ von Marsmeteoriten). Geochemisch ist hier das Mengenverhältnis CaO/Al2O3 ausschlaggebend, welches im Fall der Marsmeteorite die Entstehung dieser Gesteine in einem flachen Magmaozean mit nur moderaten Druckverhältnissen an seiner Basis eher ausschließt (Borg, Draper, 2003).
Ausbildung eines Metallkerns
Ob ein Magmaozean vollkommen aufgeschmolzen ist, hängt von dessen Temperatur (und etwas vom Druck) ab. Metalle schmelzen gewöhnlich bei geringeren Temperaturen (Eisen z.B. ~1810 K) als Silikate (Forsterit z.B. ~2160 K), so daß bei partieller Aufschmelzung flüssige Metallphasen mit festen Silikatphasen koexistieren müssen. Dieser Umstand ist Wesentlich für die Zeitdauer der Ausbildung eines Metallkerns bei einem Protoplaneten. Folgende Szenarien sind denkbar:
- Da Eisen unter hohem Druck früher schmilzt als die meisten Silikate, entstehen zwischen den „Körnern“ Bereiche flüssigen Eisens, die miteinander ein Netzwerk bilden und aufgrund ihrer höheren Dichte Richtung Kern perkolieren. Dieser Vorgang ist prinzipbedingt unvollständig (d.h. es bleibt relativ viel Metall im Mantel zurück) und dauert auch recht lange. Die meisten Modelle zeigen, daß ein Magmaozean viel zu schnell auskühlt und sich verfestigt, bis größere Mengen von Eisen in den Planetenkern abgewandert sind.
- Der Magmaozean ist vollständig aufgeschmolzen und in der Schmelze trennen sich die einzelnen Stoffe, so daß u.a. Metalltröpfchen entstehen, die quasi aus der Schmelze ausregnen. Fluiddynamische Rechnungen zeigen, daß die Metalltröpfchen etwa 1 Zentimeter groß sind und mit einer Geschwindigkeit von einigen Dutzend Zentimetern pro Sekunde nach unten sinken. Auf diese Weise kann sich recht schnell ein Metallkern ausbilden.
- Es gibt noch die Möglichkeit, daß der Magmaozean an seiner Basis auf festes Mantelmaterial angrenzt. In diesem Fall würden sich auf dessen „Oberfläche“ Pfützen aus geschmolzenem Metall ansammeln. Da das flüssige Eisen spezifisch schwerer ist, beginnt es quasi als „Antidiapir“ in Form riesiger, langgezogener Tropfen sich durch die zähen Mantelgesteine hindurchzuarbeiten, bis es den Kernbereich erreicht, der dann nur noch aus einer Metallschmelze besteht.
Welcher dieser Szenarien zutrifft, läßt sich im Prinzip anhand der Konzentration siderophiler Elemente in den Mantel- und Krustengesteinen ermitteln. Als „siderophil“ (= eisenliebend) bezeichnet man Elemente, die bevorzugt als Metall anstatt als Oxid in einer Mischschmelze fraktionieren. Dazu gehören u.a. Au (Gold), Co (Cobalt), Ge (Germanium), Ir (Iridium), Mo (Molybdän), Ni (Nickel), Os (Osmium), P (Phosphor), Pt (Platin) und Re (Rhenium). Die Ausgangskonzentration dieser Elemente ist durch die Analyse primitiver Meteoriten bekannt, so daß man mit ihrer Hilfe den Differentationsgrad eines Gesteins bestimmen kann. Um die Daten aber auch richtig deuten zu können, muß man experimentell unter verschiedenen Temperatur- und Druckregimen untersuchen, wie sich diese Elemente in einer Schmelze zwischen Silikaten und Metallen verteilen. Verschiebt sich dabei das Gleichgewicht in Richtung Metalle, dann werden diese Elemente zusammen mit dem Eisen bei der Kernbildung effektiv aus dem Planetenmantel entfernt und man wird eine starke Verarmung in Bezug auf die Konzentration in primitiven Meteoriten feststellen. Es kann aber auch sein (und bei Ni und Co ist das sogar experimentell bestätigt), daß unter hohem Druck ihre Tendenz abnimmt, in die Metallphase überzuwechseln und sie deshalb mehr in den Silikaten verbleiben. Da die Gleich¬gewichtsbedingungen zwischen Metall- und Silikatphase stark von den oben genannten Szenarien abhängen, erlaubt die Bestimmung des Verarmungsgrades siderophiler Elemente im Zusammenspiel mit Modellrechnungen im Prinzip eine Aussage darüber, welche von diesen Szenarien die heutigen Gegebenheiten am besten widerspiegeln können. Aber wie immer so auch hier, der Teufel liegt bekanntlich im Detail.
Eigenschaften und Wärmetransport
Ein vollständig aufgeschmolzener Magmaozean besitzt eine Viskosität, die größenordnungsmäßig durchaus mit Wasser vergleichbar ist. Der Wärmetransport an die Oberfläche erfolgt durch eine intensive Konvektion, wobei Strömungsgeschwindigkeiten von 3 bis 4 Meter pro Sekunde erreicht werden. Unter diesen Bedingungen ist die Abkühlung so stark, daß die Verfestigung in Form einer fraktionierten Kristallisation sehr schnell, vielleicht schon nach wenigen Hundert oder Tausend Jahren, einsetzt. Diese Abkühlung kann aber durchaus verzögert werden, wenn sich oberhalb des Magmaozeans aus den daraus freigesetzten Gasen (insbesondere Wasserdampf und Kohlendioxid) eine dichte und wärmeisolierende Uratmosphäre ausbildet, die quasi wie ein Deckel wirkt. Solch eine isolierende Atmosphäre kann die Auskühlung um einiges hinauszögern, was natürlich Auswirkungen auf den gesamten Verfestigungsprozeß und den damit einhergehenden Zeitskalen hat.
Erstarren eines Magmaozeans – mantle overturn
Was passiert nun, wenn der Magmaozean zu erstarren beginnt? Diese Frage ist im Detail nur sehr schwer zu beantworten, da Gesteinsschmelzen aus einem Gemenge von Mineralen mit unterschiedlichen Phasendiagrammen bestehen, die bei Abkühlung wiederum unter unterschiedlichen Temperatur- und Druckverhältnissen auskristallisieren. Dabei kann es neben der Phasenumwandlung auch noch zu chemischen (kontinuierliche und diskontinuierliche Reaktionsreihen) und physikalischen Umwandlungen (Hochdruckmodifikationen) kommen, die sich modellmäßig aufgrund ihrer komplexen Interaktion nur schwer darstellen lassen. Der Vorgang der „gravitativen Kristallisations-Differentation“ läßt sich auf der Erde durch die Untersuchung von magmatischen Gesteinen, die aus Magmen verschiedener Bereiche einer Magmakammer stammen, genauer untersuchen. Ein dazu analoger Vorgang fand natürlich auch bei der Erstarrung eines Magmaozeans statt mit durchaus interessanten und auf dem ersten Blick überraschenden Konsequenzen.
Qualitativ stellt sich der Vorgang der Auskristallisation folgendermaßen dar: Sobald die kritische Temperatur einer Phasengrenze fest-flüssig für ein bestimmtes Mineral erreicht wird, beginnt es in der Schmelze auszukristallisieren und, wenn dessen Dichte größer als die der Umgebung ist, nach unten zu sinken und sich dort abzulagern (wobei es noch je nach Ablagerungstiefe zu strukturellen Phasenübergängen kommen kann). Sinkt die Temperatur weiter, folgen die nächsten Minerale und weitere Schichten lagern sich ab.
Dichtefunktion vor und nach einer Mantelumwälzung
Mit jeder Kristallisationsphase ändert sich außerdem die stoffliche Zusammensetzung des Magmas, was wiederum Einfluß auf die Endprodukte der folgenden Kristallisationsphasen hat. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß die Stratigraphie nicht einem monoton fallenden Dichteprofil folgt, in dem sich die dichteren Gesteine unten und die weniger dichten weiter oben abgelagert haben. Das stratigraphische Profil, das sich bei diesem Vorgang ausbildet, widerspiegelt vielmehr die Reihenfolge, in der die einzelnen Minerale bei sinkender Temperatur aus dem Magma ausgeschieden werden. Und dabei kommt es dazu, daß spezifisch leichtere Schichten unterhalb von spezifisch schwereren Schichten zum liegen kommen, was in einem zähflüssigen Material einer hochgradig instabilen Schichtung entspricht. L.ELKIN-TANTON et.al. (2005) konnte anhand verschiedener Modelle zeigen, daß solch eine instabile Schichtung zu einer sogenannten Mantelumkehr (mantle overturn) führt, bei der sich wieder ein stabiles und weitgehend monoton fallendes Dichteprofil einstellt. Konsequenz davon ist jedoch ein sehr komplizierter petrologischer Aufbau des Marsmantels, der ja aufgrund der eingeschränkten Konvektion wahrscheinlich bis heute noch nicht vollständig homogenisiert ist. Ein Merkmal für dieses Ereignis sind große laterale Variationen in der Zusammensetzung des Mantels, die bis zur Oberfläche reichen und dort mittlerweile auch von den Instrumenten der Sonde Mars Odyssey beobachtet werden konnten.
Simulation eines „mantle overturn“-Ereignisses beim Mars. Die Schichten unterschiedlicher Dichte sind in verschiedenen Farben dargestellt. Quelle L.Elkins-Tanton (2005)
Modelle mit Mantelumwälzung sind in der Lage, die trotz fehlender Plattentektonik erstaunlich hohe Diversität unterschiedlicher Oberflächengesteine auf dem Mars zu erklären. Auch ergeben sich daraus Ansatzpunkte zur Erklärung der in den ältesten Krustenteilen konservierten Spuren eines ehemals temporär bestandenen globalen Magnetfeldes und der Gründe, warum der dafür notwendige Dynamoeffekt nur kurze Zeit bestanden hat.
Lithosphärenbildung und „Großes Bombardement“
Ungefähr 700 Millionen Jahre nach der Entstehung der Planeten des Sonnensystems, zu einer Zeit, als sich bereits eine dünne und feste Lithosphärenkruste auf dem Mars ausgebildet hatte und sich erste Anzeichen einer Art von Plattentektonik zeigte, wurden durch Störungen der Riesenplaneten, insbesondere Jupiters, übriggebliebene Planetesimale im Bereich des heutigen Planetoidengürtels so aus ihrer Bahn geworfen, daß sie in das innere Sonnensystem gelangten und dort das relativ kurze Zeitalter des „Letzten Großen Bombardements“ (Late Heavy Bombardment, 4.1-3.8 Ga) einleiteten. Als Ursache vermutet man massive, durch Resonanzen und durch die Wechselwirkung mit der z.T. noch bestehenden, aber bereits weitgehend gasfreien protoplanetaren Scheibe hervorgerufene Bahnänderungen der äußeren Planeten, die quasi chaotischen Charakters waren und schließlich in den heutigen Bahnlagen endeten (Gomes et.al. 2005).
Auf dem Mars ist dieses Zeitalter durch alte, stark von Impakten überformte Landschaften (z.B. das „Südliche Hochland“), dokumentiert. Auch die großen Einschlagbecken wie Argyre Planitia (entstanden vor ca. 3.9 Ga) und Hellas Planitia (entstan¬den vor ca. 4.1–3.9 Ga) stammen aus dieser Zeit. Neuerdings glauben einige Wissenschaftler auch Beweise dafür entdeckt zu haben, daß die große, unter dem Namen Borealis-Becken (Vastitas Borealis) bekannte Struktur (die immerhin einen wesentlichen Teil, d.h ca. 40%, der hemisphärischen Dichotomie des Mars ausmacht), vor ca. 4.5-4.1 Ga auch durch einen Impakt entstanden ist. Damals soll, so zeigen es zumindest detaillierte Computersimulationen, ein ca. 2000 km messender planetarer Körper unter einem Winkel von ~45° mit dem Urmars zusammengestoßen sein (Andrews-Hanna, Zuber, Bannerd, 2008), wobei die riesige, flache und fast kreisrunde Struktur im Gebiet des Marsnordpols entstanden ist. Ob diese Theorie zutrifft, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Sie stellt auf jeden Fall eine ernstzunehmende Alternative zu den Theorien dar, die von einer Reduzierung der Lithosphärendicke in diesem Bereich durch konvektive Mantelvorgänge ausgehen. Auf jeden Fall muß solch ein Einschlag massive Auswirkungen auf den Marsmantel und dessen spätere Dynamik gehabt haben, was einige interessante Ansatzpunkte zur Überprüfung dieser Theorie bietet.
Tharsis-Aufwölbung
Mit einer Gesamtfläche von ungefähr 400 Millionen km² und einer mittleren Höhe von 10 km über dem mittleren Radius des Planeten stellt die vulkanische Tharsis-Aufwölbung eines der imposantesten morphologischen Merkmale des roten Planeten dar. Aus ihr ragen die mächtigsten Schildvulkane des Sonnen¬systems empor, deren Gipfel weitere 2-15 km in den Himmel reichen. Die Größten davon sind Olympus Mons, Alba Patera, Ascraeus Mons, Pavonis Mons, Arsia Mons und Tharsis Tholus.
Genaue Untersuchungen auf der Grundlage von MOLA-Daten (Mars Orbiter Laser Altimeter) der Sonde MGS (Mars Global Surveyor) zeigen, daß es sich bei der Tharsis-Aufwölbung um keine klassische Aufwölbung durch eine vertikale Bewegung der Marskruste handeln kann, sondern daß diese Erhebung hauptsächlich durch die Ablagerung des von den Schildvulkanen im Laufe ihrer Tätigkeitsgeschichte gelieferten Materials entstanden ist (Smith et.al., 2001). Auslöser und Magmaproduzent ist ein riesiger Mantelplume, der sich schon in der Frühzeit des Planeten ausgebildet haben muß, oder, nach neueren Überlegungen, vielleicht sogar durch einen Riesenimpakt quasi induziert wurde (Reese et.al. 2004). Letztere Hypothese wird z.Z. genauer untersucht, da ein klassischer Mantelplume, der beginnend an der Kern-Mantel-Grenze des Mars aufsteigt, wahrscheinlich nicht das Potential besitzt, vulkanische Aktivität bis fast in die Gegenwart hinein (es scheint, daß Olympus Mons noch vor ca. 2 Millionen Jahren aktiv war) aufrecht zu erhalten. Etwas anders sieht es aus, wenn es bei einem Einschlag in der Frühgeschichte des Mars lokal zu einer massiven impaktbedingten Schmelze und anschließend zu einer schnellen Auskristallisation (innerhalb von ~10^3 Jahren) des Magmas gekommen ist. In diesem Fall füllt sich der Impaktkrater mit geschmolzenem Material, wobei der Schmelzgrad des partiell aufgeschmolzenen Magmas mit der Tiefe abnimmt. Aufgrund des Auftriebs wird sich diese Magmablase aber zunehmend abflachen und sich entlang der Planetenoberfläche ausbreiten (isostatischer Ausgleich). Gleichzeitig strömt kühleres Material von unten nach und als Resultat entsteht ein Aufstrom, d.h. ein impaktinduzierter Plume, in dessen oberflächennahem Bereich es durch Druckentlastung zur Magmabildung kommt. Wie Berechnungen zeigen, kann auf diese Weise ein langandauernder, durch Ruhephasen unterbrochener effusiver Vulkanismus aufrechterhalten werden, wobei eine typische Zeitskala für den Aufbau einer Vulkanprovinz mit den Ausmaßen von Tharsis bei ungefähr einer Milliarde Jahre liegt. Das stimmt in etwa mit den geologischen Befunden überein, die ergaben, daß der Aufbau des Tharsis-Plateaus vor ungefähr 3.6 bis 3.2 Ga begann. Innerhalb von ca. 1.5 Ga wurde dabei vulkanisches Material in der Größenordnung von ~3∙10^8 km³ gefördert. Anschließend (d.h. vor 2.5 bis 1.5 Ga) nahm dann aufgrund der durch die Auskühlung des Planeten bedingten zunehmenden Krustenverdickung die vulkanische Aktivität kontinuierlich ab, ohne jedoch jemals ganz zu erlöschen. Man hat beispielsweise durch Impaktkraterstatistiken auf den Aufnahmen der europäischen Sonde Mars-Express nachgewiesen, daß Olympus Mons an seinen Flanken noch vor 2 Millionen Jahren Laven gefördert haben muß (Neukum, 2004). Es kann also durchaus sein, daß sich der Marsvulkanismus gegenwärtig in einer seiner vielen Ruhephasen befindet, welche die Zeiten verstärkter vulkanischer Aktivität von den Zeiten geringer oder ruhender Aktivität trennen.